Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die FM4 Charts vom 4. Juni 2011"

Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

4. 6. 2011 - 19:00

Die FM4 Charts vom 4. Juni 2011

"An inside Job"

Kaum ein fiktiver Thriller der letzten Jahrzehnte kann mit den tatsächlichen Abläufen, die ab 2007 zur größten Finanz- und anschließend Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg führten, auch nur ansatzweise mithalten.

Der US-Ökonom Joseph Stiglitz, Ex-Chefökonom der US-dominierten Weltbank und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, hat in seinem Buch „Im freien Fall“ diese Ereignisse dermaßen dicht und fast schon kriminalistisch zusammengefasst, dass einem beim Lesen fallweise der Atmen wegbleibt. War diese Krise nichts anderes als eine massive Umverteilungsaktion? Die größtmöglich anzunehmende Verschwörung des Finanz- und Bankensektors?

Nun, wenn man überlegt, dass die US Regierung auch die Wahl hatte, mit einem Teil der Bankenrettungspakte (die Banker sprechen lieber von Erholungspaketen, denn „Rettung“ klingt zu negativ) etwa hunderttausenden Häuslbauern günstige Kredite zu geben – womit sie ihre Häuser hätten behalten können – diese Idee aber verworfen wurde, weil „es einen unzulässigen Eingriff“ in die Märkte dargestellt hätte, liegt diese Vermutung nicht ganz ferne. Ist denn der Umstand, dass einzelne Banken durch ihre sogenannte „Systemrelevanz“ immer davon ausgehen können, vom Staat gerettet zu werden, keine „Marktverzerrung?“. Stiftet denn dieser Umstand diese Banken nicht dazu an, übergebührliche Risiken einzugehen – mit dem Steuerzahler in der Hinterhand?

Geht alles gut, werden hohe spekulative Gewinne einbehalten, geht was schief – zahlt sowieso die öffentliche Hand.

Zustände, die auch Stiglitz in seinem Buch "Im freien Fall" (erschienen im Siedler Verlag) als unhaltbar skizziert:

"Wenn der Staat ausdrücklich oder stillschweigend eine Bürgschaft übernimmt, tragen die Banken nicht alle Risiken, die mit jeder Entscheidung, die sie treffen, verbunden sind – die Märkte (Aktionäre, Anleihehaber) tragen weniger Risiko, als die Gesellschaft als ganze, und daher werden die Ressourcen falsch – also ineffizient – verwendet. Weil sich Banken, die zu groß für eine Restrukturierung sind, zinsgünstiger, als sie es eigentlich sollten, Kapital besorgen können, ist der gesamte Kapitalmarkt verzerrt...

Geld

http://www.flickr.com/photos/falonaj/

Ich vermute, dass diese ganze Diskussion über angeblich nicht restrukturierbare Banken in Wirklichkeit nur eine List war. Es war ein Trick, der aufging, weil er auf Angstmache basierte. So wie Bush die Anschläge vom 11.September 2001 und die Ängste vor dem Terrorismus dazu benutzte, einen Großteil seiner Politik zu rechtfertigen, so benutzte das US-Finanzministerium sowohl unter Bush als auch unter Obama den 15.September 2008 – den Tag, als Lehman Insolvenz anmelden musste – und die Ängste vor einem weiteren Zusammenbruch als Instrument, um möglichst viel für die Banken und die Banker, die die Welt an den Rand des ökonomischen Ruins gebracht hatten, herauszuholen."

Wenn der ehemalige Chefökonom der Weltbank von einer derartigen latenten Umverteilung im Zuge der Krise spricht, zerfällt das oft strapazierte Argument einer "linken Verschwörungstheorie" wohl spontan zu Staub.
Ebenfalls spannend ist ein Film, der sich mit ähnlichen Fragen beschäftigt, die 2010er Doku "Inside Job", mit der Off-Stimme von Matt Damon.

Wolfram

daniel gebhart de koekkoek‏

Wolfram

"Inside Job" läuft am Mittwoch, den 8.6., ab 19:30 im Wiener Burgkino, anschließend gibt es im Kinosaal eine Podiumsdiskussion, für die etwa auch Dr. Stephan Schulmeister vom WIFO zugesagt hat.

Und nun zu den Charts dieser Woche

Ezra Furman & The Harpoons, die am Linzfest die Backline von Ja, Panik ausborgen durften, stellen mit "I Killed Myself But I Didn´t Die" die Nummer 3.
Platz 2 geht heute an Texta, ebenfalls am Linzfest – aber mit eigener Anlage, und „You´re Driving Me Wild“.
Und die neue Nummer 1 von FM4 kommt von Wolfram ft. Holy Ghost und heißt „Hold My Breath“.
Ein schönes Wochenende und vielleicht bis Mittwoch im Kino!