Erstellt am: 4. 6. 2011 - 13:39 Uhr
Vatertagsimpressionen
Die harmlose Variante dieser großen Randgruppe besteht aus umhertorkelnden, bierkistenseligen Männercliquen, der mitgeführte Bollerwagen ist obligatorisch, manchmal werden auch Traktoren mit Anhängern oder Pferdewagen gemietet. Die Herren formieren sich in geringelter Unterwäsche um ein Bierfass, fürsorglich richten die Saufkumpanen eine Lagerstätte für schwächelnde Zecher und alkoholbedingte Totalausfälle her.
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Das will man als kultivierter Mensch zwar nicht unbedingt mitansehen, andererseits haben die kleinen Exzesse, die gemäßigte Randale bei der jährlichen ritualisierten Männerfeierlichkeit vielleicht auch als Ventil, als triebabführendes soziales Regulativ, ihre Berechtigung. Und man muss doch, bei aller Kritik, auch den Mut zur Stumpfheit der Männlichkeitsrituale – Grölen, Saufen, die Sau raus lassen, überall hinpissen, Hüte mit Federn tragen – bewundern.
Wenn sich dann die drolligen Männlichkeitsdarsteller in angetrunkenem Zustand die Bierhelme vom Kopf schlagen und das ganze wie vor einigen Jahren eine stimmungsvolle Massenprügelei am Dresdner Elbufer ausartet, können alle zufrieden und glücklich sein.
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Viel schlimmer ist, dass in den letzten Jahre das Vatertagssaufen in den Berliner Außenbezirken mit rassistischen Angriffen auf "ausländisch" aussehende Menschen einherging.
Dieses Jahr ist in Berlin zum Glück alles ganz friedlich geblieben. Ausgerechnet das Hoch "Christiane" hatte pünktlich zum Vatertag das Tief "Yves" verdrängt und für herrliches Wetter gesorgt. Ein Ausflug in den nahen Treptower Park zeigte aber, dass der Vatertag sich Richtung "Familientag" entwickelt. Es waren neben den Männergruppen auch viele Paare mit Kind unterwegs, und es gibt sie ja auch die anderen Väter, die in ihrer freien Zeit lieber etwas mit ihren Kindern unternehmen, statt Bier und Schnaps unter Gruppenzwang zu konsumieren. Vielen Vätern erschließt sich der Sinn des Tages sowieso nicht so ganz.
Der Vatertag ist, historisch gesehen, die Antwort auf den Muttertag, seinerseits auch ein schrecklicher Tag.
Vielleicht sollte man die Rituale einfach mal umdrehen? Am Vatertag wird der Vater für seine Familienarbeit, falls geleistet, geehrt, die Kinder basteln was für ihn. Und die Frauen können am Muttertag einfach mal die Verantwortung für die Familie in den Wind schießen, abhauen in die Natur, nicht an Arbeit, Mann und Kinder denken und sich nach Lust und Laune besaufen. Das entspannt.