Erstellt am: 3. 6. 2011 - 13:41 Uhr
Suck It And See
Fish & Chips auf Peyote
Heute, Freitag, zwischen 16:00 und 16:30 Uhr gibt es eine Listening Session zum neuen Arctic Monkeys Album "Suck It And See". Gemeinsam hören wir uns bei Claudia Unterweger im FM4 Connected Studio durch die Platte.
Als hätten sich vier nordenglische Jungmänner nach einer durchzechten Nacht mit zu viel warmem Bier und schlechten Labordrogen aus der Ukraine in der kalifornischen Wüste wiedergefunden - im Sinne von Hangover 3. Dieses Bild vermittelt das Innen-Booklet des neuen Arctic-Monkeys-Albums, die Herren rund um Alex Turner stehen in ihrer Einser-Pub-Panier irgendwo im Nirgendwo und warten auf Don Juan oder irgendeinen anderen Zauber oder Verbündeten. Schwammerln und Kakteen statt Hitler-Speed.
Und nicht nur optisch, auch musikalisch ist diese Platte ein Spagat zwischen zwei Welten, die auf den ersten Blick so gar nichts miteinander zu tun haben.
Arctic Monkeys
Hört man die Lobpreisungen, die Alex Turner in Interviews Richtung Josh Homme und den anderen Bewohnern der Mojave-Wüste loslässt, drängt sich zuerst mal die Frage auf: „Verstehen die einander überhaupt, rein fonetisch?“
Denn auch wenn die Herrschaften aus den Industrie-Ghettos von Sheffield mittlerweile die Erdenbürger von Welt geben – ihr Idiom ist nach wie vor ausgesprochen heimatverbunden.
Affen in der Steinzeit
Allerdings muss man auch beachten, dass alle Beteiligten schon ein bisschen Zeit hatten sich zu beschnuppern und zu verstehen, denn dieses Album ist bereits das zweite, für das die Arctic Moneys in die USA reisten.
Schon die Vorgängerplatte "Humbug" entstand unter dem Einfluss von Josh Homme von den Queens Of The Stone Age – und war einigermaßen innovativ.
Eine extrem düstere Stimmung und allerlei Experimente mit allerlei Instrumenten verschreckte damals eine Reihe "alter" Fans, die statt vorschriftsmäßigen Britrock plötzlich die eine oder andere Stonerrock-Attacke um die Ohren geknallt bekamen.
Um diese Art von Musik zu bekommen, hat allerdings niemand auf vier Buben aus Sheffield gewartet, das war auch ein bisschen das Problem der Platte, zu sehr hat man auf die alten Stärken vergessen und sich im Experiment verloren.
Neue Wege
Arctic Monkeys
Mit dem neuen Album ist das nun anders. Sie wurde zwar erneut in den USA geschrieben und aufgenommen und auch Josh Homme hat seine Beiträge geleistet, dennoch hört man dieser Platte wieder mehr an, wofür die Arctic Monkeys damals in die Höhen der Charts gehoben wurden, ohne jemals einen Plattenvertrag abgeschlossen zu haben.
Die Arctic Monkeys haben, wie andere große Vertreter des Britrock, das Talent eingängige Harmonien mit verbindlichen Texten zu einer packenden Atmosphäre zu verarbeiten, die den Geist all dessen verarbeitet, was deren Welt ausmacht. Oder machte. Soll heißen: Party machen in alten Industriegeländen, die Tristesse der englischen Vorstadt, suburbane Armut und ein Katerfrühstück mit gebackenem Fisch vom Pakistani ums Eck.
Oder, wenn man keine Klischees und Schubladen braucht, um Musik gut zu finden:
Alex Turner hat die Gabe Nummern zu schreiben, die sich in den Frontallappen picken wie das Konterfei von Maria Fekter. But different, ihr wisst schon, was ich meine.
"Suck It And See" von Arctic Monkey ist im Jahr 2011 eines der ersten Alben, das mich nicht schon bei Song 5 beginnt unendlich zu langweilen.
Musik hat es bei mir gegenwärtig schwer die Aufmerksamkeitsschwelle zu knacken, viel interessanter scheint mir die Dynamik, mit der unsere Welt gerade aus allen gewohnten Fugen und Spielräumen driftet. Diesem Album ist es aber gelungen, Alex Turner schafft eine Atmosphäre die packt und unterhält – und immer ein gewisses Unbehagen offen lässt, wie das relevante Kunst im Idealfall immer tut.
Aber das kann ja nun jeder von Euch selbst austesten – im Stream.
Denn aktuell gilt: Nur was open source zugänglich ist, hat das Potential etwas zu bewegen – und das gilt auch und vor allem für Popmusik. Platten verkaufen, um reich zu werden, war gestern. Vorgestern und heute ist davon keine Rede.