Erstellt am: 3. 6. 2011 - 14:23 Uhr
Mensch, nee!
Als ich nach Osnabrück ging sagte ein Freund zu mir: "Bring nur kein deutsches Mädchen oder einen deutschen Akzent mit nach hause." In der Liebe blieb ich standhaft, die Sprache jedoch wurde notgedrungen eine nördlichere. Bei meinem ersten Kneipenbesuch in der neuen Heimat fragte mich eine Kellnerin ob ich ein Weizen bestellen wollte. In breitestem Österreichisch antwortete ich: "Naaa" - und erhielt kurz darauf ein Weizen. Sie hatte "Jaaa" verstanden. Seitdem ist das piefkeeske "Neee" aus meinem Sprachalltag nicht mehr wegzudenken und damit in Österreich ein steter Quell der bösen Blicke und Schmähungen. Auch abseits solcher Anekdoten muss man sich nicht besonders weit aus dem Fenster lehnen um zu behaupten, dass unsere Beziehung zum großen Bruder eine problematische ist.
Als ich in Osnabrück ankam wurde ich freundlichst aufgenommen und willkommen geheißen. Vom deutschen Bankkonto über die Sozialversicherung hin zum Studierendenausweis konnten alle nötigen Amtsgeschäfte problemlos an einem Tag erledigt werden. Wartezeiten waren praktisch nicht vorhanden und die jeweils zuständigen Menschen hinter den Schaltern stets freundlich, zuvorkommend, und wenn nötig unbürokratisch. Von meiner neuen WG bis zu den Einführungsveranstaltungen auf der Universität war die in den ersten Tagen am häufigsten an mich gerichtete Frage ob ich aus Bayern käme und jedesmal wurde mir zur Antwort "Nein, aus Österreich." herzlich gratuliert. Man interessierte sich für meine Beweggründe nach Deutschland und insbesondere nach Osnabrück auszuwandern sowie die genaueren Umstände meiner österreichischen Herkunft. Verlangte ich beim Einkauf versehentlich nach einem Weckerl oder einem Sackerl bemühten sich Verkäuferinnen nach Kräften mein alpenländisches Kauderwelsch zu entschlüsseln und reichten mir ohne weitere Belehrung eine Tüte und ein Brötchen. Anstatt mir den heimischen Rechtspopulismus vorzuhalten erzählten gebürtige Norddeutsche von der Schönheit des Salzburger Landes und den Vorzügen des öffentlichen Verkehrs in Wien. Hatte ich großes Pech wurde ich für einen Schweizer gehalten oder mit halblustigen Anspielungen auf Josef Fritzl's Keller gelangweilt.
Rafael Reisenhofer
Dass es im Gegenzug hierzulande Teil der Folklore ist, deutschen Studentinnen ihr Piefketum spüren zu lassen muss und möchte ich nicht weiter ausführen. Schließlich verstellen Stereotype wie der "Numerus-Clausus-Flüchtling" oder der bierbäuchige, polterende Mallorca-Tourist allzu oft den Blick auf durchwegs lohnende Importe. Man stelle sich zum Beispiel vor anstatt Karl Theodor zu Guttenberg wäre Johannes Hahn zurückgetreten, Joachim Löw würde mit Dietmar Constantini tauschen, Die Presse wäre plötzlich die Zeit, die Grünen hätten die Umfragewerte der FPÖ und anstatt eines Bundeskanzler-Aspiranten würde maximal ein verwirrter ehemaliger Banker den Niedergang des Deutschtums beklagen.
Bis heute Abend kann man sich auch vorstellen, die österreichische Mannschaft würde das Länderspiel im Happelstadion gewinnen. Die Chancen sind gering, die Hoffnung stirbt zuletzt.