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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

1. 6. 2011 - 20:50

Fußball-Journal '11-48.

... oder auch: Journal 2011, Eintrag 108. Alarm im Muster-Integrationsgebiet Sport: das bislang vorbildliche Biotop Fußball-Nationalmannschaft versagt!

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit der genaueren Betrachtung einer durchaus alarmierenden Meldung: just das wegen seiner vorbildlichen Integrationskraft gelobte ÖFB-Nationalteam hat ein massives Problem mit der selbstverständlichen Durchmischung von Burschen mit Migrations-Hintergrund und Schwabos.

Nichts daran ist ungewöhnlich.
Die eine Gang besteht aus den Kids mit Migrations-Hintergrund, die ihren Frust rund um praktisch inexistente Karriere-Chancen in Macho-Gesten ummünzen, sich um einen egoistischen Anführer scharen und wissen, dass ihre Stärke in ihrer strikten Gemeinschaft besteht. Die andere Gang, das sind die "echten" Österreicher, die ihren Frust über die gefühlte Verdrängung durch die "Ausländer" mit Platzhirschgehabe überspielen, sich gerne um aggressive Leader scharen und ihre Stärke in der Ausgrenzung der anderen begreifen.
Nicht, dass es nicht auch eine andere Praxis geben würde, trotzdem: das ist Alltag in ganz Österreich.

Ungewöhnlich an der dieser Tage ans Tageslicht gebrachten, genau so funktionierenden Auseinandersetzung ist nur die Tatsache, dass sich diese Mechanismen nicht auf der Gemeindebau-Stiege, im Block, im Park oder im Grätzl abspielen, sondern mitten in einer der Vorzeige-Einrichtungen; was Integration betrifft.
Im Sport.
Im Fußball.
Mitten in der Nationalmannschaft.

Wenn die Arnautovic-Gang mit der Maierhofer-Bande...

Die gestern erschienene Sportwoche erzählt die Geschichte dieses Konflikts, durchaus unaufgeregt und keineswegs als irgendwie rassistisches Problem aufgepimpt. Das ist es (höchstwahrscheinlich) auch nicht.

Es ist nur keineswegs ein Zufall, dass sich im Konfliktfall Arnautovic die Grenzen der Streitparteien an der Herkunft festmachen lassen. Und das ist ein Alarmzeichen, das nicht schnell genug erkannt, beachtet, berarbeitet und behoben werden kann.

Die Sportwoche berichtet von den Nachwehen des Konflikts um Problem-Boy Marko Arnautovic. Nach dem letzten Quali-Spiel in der Türkei kam es in der Kabine zu einer Fast-Schlägerei zwischen ihm und Maierhofer, die dem Vernehmen nach von Macho und Pogatetz verhindert wurde.
Danach fielen schlimme Worte, Arnautovic soll den beiden gedroht haben; wenige Stunden später hat sich der Bad Boy dann händeringend entschuldigt.

In der Zwischenzeit bekam das Supertalent mit dem Hang zum Scheißdrauf auch in Bremen mehr als nur ein Problem - weshalb er ebenso nicht in den aktuellen Kader gegen Deutschland (das Spiel gibt's Freitag) berufen wurde, wie der verletzte Maierhofer.
Oder, um genauer zu sein: beide stehen auf Abruf bereit.
Das signalisiert eine Äquidistanz der Teamleitung Constantini.

Eine auf Herkunft und Ethnie zurückgeworfene Zerreißprobe

Clever gemacht, könnte man meinen - die Streithansln aus der Schusslinie genommen, alles vertagt.

Nur: die Hintergründe, die die Sportwoche beschreibt, machen klar, dass das Problem ein Größeres ist.
In dieser Geschichte machen sich nämlich einzelne (anonym gehaltene) Teamspieler (die sich als "bislang neutral" bezeichnen) Luft und erzählen von einer Art Gang rund um Arnautovic.
Der gehören folgende Teamkicker an: Yasin Pehlivan, Veli Kavlak, Ümit Korkmaz, Aleksandar Dragovic und David Alaba. Also allesamt Burschen mit Migrations-Hintergrund, egal ob türkisch, serbisch oder nigerianisch.

Die Secondos des ÖFB-Teamkaders, die nicht genannt werden sind (neben "Piefke" Martin Harnik) Ekrem Dag (der mit 30 schon zu alt für die junge Partie ist) und der ruhige Zlatko Junuzovic.

Es ist die Rede von einer Zerreißprobe innerhalb des Teams, von zwei zerstrittenen Gruppen. Gut, wir haben es hier nicht mit Crips und Bloods zu tun, es gibt auch keine politische Dimension und keiner schimpft den anderen seiner Herkunft wegen - der Wickel läuft auf rein persönlicher Ebene.

Die aktuelle Lösung: die Streihansln nicht nominieren

Dass so ein Konflikt dann aber, quasi automatisch, dazu führt, dass sich die Gangs ethnisch aufstellen, ist ein alarmierendes Zeichen.

Ich denke, dass auch der ÖFB das so sieht.
Kein einziges Medium ist, wohl auf direktes Ersuchen, auf den Zug aufgesprungen und kocht jetzt ein ungustiöses Süppchen hoch.

Zumal die Arnautovic-Partie jetzt, vor dem Deutschland-Spiel, praktisch zerschlagen ist. Der Chef ist einmal abgestraft, sein Jugendfreund Pehlivan ist, nunja, rekonvaleszent, der Florisdorfer Kumpel Kavlak ist verletzt und Ümit Korkmaz wurde (ein wenig überraschend) auch nur auf Abruf nominiert.
Aleks Dragovic wurde in den ersten Tagen des Teamtrainingslagers krank. Bleibt einzig David Alaba.

Auf Seiten der anderen Gang (deren Mitglieder nicht offiziell benannt wurden) fehlen Maierhofer und Macho wegen Verletzung, bleibt einzig Emanuel Pogatetz.

Im aktuellen Trainingslager gibt es also keinerlei Troubles.
Mittelfristig kann es allerdings keine Lösung sein die Secondos einfach nicht zu berufen. Und selbst wenn sich der ÖFB dazu durchringen sollte den Anführer, also Arnautovic, rauszuschmeißen: das löst das Problem keineswegs.
Im Gegenteil.

Das Integrations-Vorbild ÖFB in höchsten Nöten

Denn wenn sich Kavlak und Pehlivan, Korkmaz und Dragovic und auch Alaba automatisch zusammenschließen, weil sie nur so ein Gefühl von Akzeptanz, Sicherheit und Gemeinschaft bekommen, dann ist Feuer am Dach. Denn das bedeutet, dass sie dieses Gefühl im Team-Alltag nicht haben. Und das ist fatal.

Es wird nicht genügen, dass sich der heimische Sport, insbesondere der Fußball, darauf verlässt, dass die Kraft des Spielerischen und der große Gleichmacher der Körperlichkeit automatisch für gelungene Integrations-Images sorgt.

Automatisch passiert nämlich gar nix.
Seriöse Integration, auch im Muster-Bereich Sport, kann nur mit gezielter Arbeit und ernsthaft unternommenen Anstrengungen erreicht werden.
Zuschauen, wie sich Lager bilden, die man längst überwunden wähnte, ist hingegen keine sinnhafte Methode, um die Vorbildwirkung, die man anstrebt, auch wirklich zu erreichen.