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Nina Hofer

Krach. Bumm. Zack. Mittendrin und doch so fern.

31. 5. 2011 - 11:20

We're nothing but heart

Ohne Kompromisse in Medias Res: Low im Lido Berlin.

Warum das so ist, wissen sie selbst nicht so genau. Liegt es am Promoter, an den angebotenen Spielplätzen, oder der Tourplanung? Stirnrunzeln in den Gesichtern von Mimi Parker und Alan Sparhawk bei der Frage, warum sie so selten nach Österreich kommen. Wenn also Mormon nicht zum Berg kommt, dann steht Auslüften an der Spree ins Haus.

Die Wahrheit ist natürlich, dass das mein Ticket schon einen Tag nach Konzertankündigung im Februar vor Ort gekauft wurde. That´s what I call professionelles stalking, zu Recht denke ich, wenn ein neues Album einer alten Liebe ins Haus steht.

DIe Band Low

Low

Cry me a river, so I can float over to you

Berlin gab gestern alles: 30° mit strahlendem Sonnenschein über der Spree, Vögelgezwitscher im Garten und die leckersten Falafel in Kreuzberg. Als ob das für die Annalen nicht reicht, klatschte Fortuna noch eines drauf und ließ die Vorband irgendwo am Flughafen stecken. Natürlich hätten mich Dark, Dark, Dark interessiert, aber die Ernte war nun fetter als geträumt: Low spielten über 2,5 Stunden im Lido, einer der schönsten Venues der Stadt, ein ehemaliges Kino mit kleinem Innenhof. Dazwischen gab es zehn Minütchen Pause zum "breathing, talking to your friends or what else it is you do, but please, come back we have a lot more for you."

Lido in Berlin

Nina Hofer

Das Tiefstapeln hätte man sich sparen können, das Haus war angenehm voll mit Fans aller Altersstufen und wir hatten alle nicht vor zu gehen. Auch nicht nach zwei Sets. Die Musik am Ende musste brutalst hochgefahren werden, sonst stünden wir noch immer dort, klatschenderweise.

Our stairway to heaven

Das neue Album "C´mon" stand klarerweise im Zentrum der beiden Sets. Überrascht hat, dass es live umgesetzt verändert klingt, weniger accessible und die fast durchgängige Sweetness schleppender, lowiger von der Bühne kommt. Unterstützt wird das Ehepaar von je einem Keyboarder und Bassisten. Letzterer, Steve Garrington, sieht auf der Bühne übrigens aus wie der eineiige Zwillingsbruder der Kreisky´schen Bassbedienung, Gregor Tischberger.

Ich bin kurz erschrocken, weil den Nebenjob hätte er ja auch verraten können. Ausgerechnet mit der längsten, epischsten und größten Nummer von "C´mon" beginnt der Abend. Auf die knappe Hälfte herunter gekürzt, und das sind immerhin noch fünf Minuten, scheppert langsam "Nothing but heart", wie Alan Sparhawk im Interview davor meint, ihr momentaner "Stairway to heaven", vor sich hin und läutet den Abend musikalisch ein. Man stelle sich vor, Bauhaus spielt als showopener Bela Lugosi. Keine Vorspeise, heavy petting is´g´strichn, in medias res ohne Kompromisse, aber genau das lieben wir ja eh so sehr, dass es weh tut im Herzerl.

Setlist von Low

Nina Hofer

Wer die von mir erbettelte Setlist entziffern kann, sieht, "Monkey" war der erste Track aus vergangenen Tagen. Auch dort zu finden ist "California" und die Nummer gehört für mich persönlich tatsächlich zu den ungeliebten, weil Popkindern. Die Liveumsetzung war überraschend befreit von der durchproduzierten Glätte der Studioversion, ganz unprätentiös und passend in den Reigen der Darbietung und in die Gefühle der Stille des Abends. Sehnsucht, Verlangen und Ergriffenheit. Nicht mit allen kann/will das geteilt werden, mein gestriger Ausflug war ein Alleingang, da Barbara Matthews ausgewandert ist. Low ist unser einziger aber intensivster musikalischer Konsens. Transmission.

Das Berliner Publikum war durchgehend andächtig und der Höhepunkt, da gab es zwar einige, aber der Höhepunkt sah ein "Amazing Grace" in seiner ganzen Schwere, mit gestocktem Atem. Stecknadeln wollten erst gar nicht fallen.
Is there anything we can do for you, before we go? Ja. Geh bitte, spielt doch noch ein Set. Oder murdersilencemeocean, so ungefähr muss sich der Schwall aus Wünschen auf der Bühne angehört haben. Die Band nahm es gelassen und verging sich ähnlich brutal kompromisslos an uns wie am Beginn, mit der einzigen Zugabe: ""his song is about wishing that there´s something you could do in this world. Murderer." Man kann über das Album "Drums and Guns" sagen, was man will und auch Low halten es für sehr distanziert, aber es bietet Göttliches, das die innere und äußere Welt erträglicher macht.

Ich habe im übrigen versucht, nicht nur Wien, sondern auch die Wachau schmackhaft zu machen. Weil dort gibt es ja säkularisierte Kirchen, in denen es sich wunderbar spielen lässt. Ob Santa mir nun den Wunsch erfüllt, steht noch in den Sternen. Über das neue Album und vom Interview vor dem gestrigen Auftritt gibt es an dieser Stelle mehr kommende Woche.