Erstellt am: 29. 5. 2011 - 13:57 Uhr
Liebeskummer lohnt sich
Siw Malmkvist
Aber wem das Herz gebrochen wurde, dem nützen diese Binsenweisheiten nicht viel. Liebeskummer ist schrecklich und tut weh. Bislang schien es ein anerkanntes Heilmittel zu sein, sich in dieser schlimmen Situation bei Freundinnen und Freunden auszuheulen, zu warten bis sich das Gefühl der verschmähten Liebe in gerechten Hass und Verachtung verwandelt, neue Pläne zu machen und allmählich die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Aber nun ist eine neue Zeit der Liebeskummerbewältigung gekommen. Immer mehr Menschen, dabei mehr Frauen als Männer, gehen bei einem ganz normalen, ordinären Liebeskummer zum Therapeuten.
"Wer heilt, hat Recht", lautet ja ein altes Sprichwort von Paracelsus oder aus der Alternativmedizin. Aber ist der durchschnittliche Liebeskummer in den letzten Jahren so viel schlimmer geworden, dass jetzt auch relativ stabile Menschen sich nach einer Trennung in ärztliche Fürsorge begeben müssen? Oder ist die Liebeskummer-Therapie zu einem Lifestyle-Produkt geworden, beworben durch "Ally Mc Beal" und andere Serien, deren Titelhelden ständig zum Psychiater rennen? In Berlin gibt es jetzt eine neue Dienstleistung: die "Liebeskümmerer". Eine auf Liebeskummerkranke spezialisierte Agentur organisiert zu recht stolzen Preisen Gruppen-Wellness- und Gourmetreisen in Vier-Sterne-Hotels plus psychologische Beratung, Gruppengespräche und Freizeitangebote.Wenn es denn nützen würde, ok - aber eine Woche gut essen, spazieren gehen und reden, und alles ist geritzt? Das ist zu bezweifeln. Über die "normale" Länge des Liebeskummers streiten sich ja Betroffene und die Fachwelt.
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"Wie lange dauert es noch?", jammert der Patient, "halb so lange, oder genauso lange wie die Beziehung gedauert hat?" Fachleute gehen davon aus, dass man vier lange Jahreszeiten mit ihren jeweiligen Erinnerungen überstehen muss, bis man annähernd über eine Trennung hinweg ist. Und die seelische Veranlagung, Tiefe der Beziehung, Grad der Verletzung und Enttäuschung spielt natürlich auch eine Rolle.
Nachdem es also organisierte Single-Reisen zur Partnervermittlung gibt, das "Romantikhotel" zur Beziehungsfestigung gebucht werden kann, folgen die Liebeskummerreisen für das traurige Ende. Und mit ihnen wird ein weiterer bislang intimer Zustand mit Mitteln der Eventkultur vulgarisiert.
Auch der römische Dichter Ovid riet in seinen "Heilmitteln gegen die Liebe" den von Liebeskummer Gepeinigten zur Geselligkeit und zum Meiden der Einsamkeit. Er gab aber auch den guten Ratschlag: "Gib deinem leeren Geist eine Aufgabe, die ihn packe!"