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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

27. 5. 2011 - 15:50

"Das ist leichter zu rekonstruieren"

Florian Klenk, Chefredakteur des Falter, im Interview zur Causa Grasser, den Hausdurchsuchungen und der Frage, was Gier bewirken kann.

Florian Klenk, Chefredakteur des Falter und vielleicht bekanntester Aufdeckungsjournalist in Österreich, im Interview mit Boris Jordan.

Wir waren gestern alle relativ überrascht über die Nachricht, dass bei Karl-Heinz Grasser Hausdurchsuchungen durchgeführt worden sind - Frage an Sie als Jurist: Das kommt alles ein bisschen spät, oder? Ich habe doch genug Zeit, zu Hause aufzuräumen, wenn man jahrelang sagt, "demnächst gibt's Hausdurchsuchungen"!?

Naja, die Hausdurchsuchungen betreffen nicht den Fall BUWOG, es betrifft nicht die Frage, ob Grasser von seinem Trauzeugen Meischberger oder anderen Beratern Provisionen bekommen hat, sondern die Hausdurchsuchung betrifft sein Steuerstrafverfahren, und das läuft noch nicht so lange, das ist erst seit einigen Monaten im Gange. Hier geht es grundsätzlich um die Frage, ob ein sehr kompliziertes Geflecht von (Offshore-)Firmen und Beteiligungen an Stiftungen und Stiftungskonstruktionen in Liechtenstein in Wirklichkeit nur ein Scheingeschäft waren, um ungefähr vier Millionen Euro, die Grasser durch Meinl-Geschäfte bekommen hat, der österreichischen Finanz zu entziehen.

Karlheinz Grasser

apa

Karl-Heinz Grasser

Man kann also sagen, jemandem wie dem Ex-Minister Grasser, dem so viele verschiedene Sachen vorgeworfen werden... sobald es um Steuerhinterziehung geht, wird es konkret!?

Naja, es ist leichter zu rekonstruieren, weil der Steuerberater von Grasser wurde kürzlich einvernommen und hat sehr detailliert geschildert, welche Konstruktionen Grasser gewählt hat. Die Finanz geht jetzt von der These aus, dass diese ganzen Konstruktionen nur dazu dienten, Steuern zu sparen, weil letztlich Begünstigter des Geldes Grasser selbst ist und der immer wieder Kredite von seinen eigenen Stiftungen aufgenommen hat, um Häuser zu sanieren oder seine Wohnung einzurichten, und die Finanz sagt, es ist in Wirklichkeit ein Steuerbetrug – möglicherweise. Jetzt ist man auf der Suche nach Verträgen, vielleicht auch geheimen Verträgen, die diese These erhärten. Und deswegen ist man nicht nur bei Grasser vorstellig geworden, sondern auch bei seinem Steuerberater, und das ist etwas sehr Erstaunliches, dass nämlich der Steuerberater hier als möglicher Mittäter beschuldigt wird, und nicht als Berater.

... während Herr Grasser sagt, sein Steuerberater ist nur sehr geschickt, oder!?

Ja, die Frage ist, was heißt „geschickt“? Wenn ich so geschickt bin, dass ich letztlich durch eine Beratertätigkeit das Geld an der österreichischen Finanz vorbeispiele, dann ist die Frage, ist das noch im rechtlichen Rahmen, und mit welcher Motivation tue ich das? Grasser kann natürlich sagen, „ich bin zum Steuerberater gegangen und habe mir dort Rat geholt, und ich muss darauf vertrauen können, dass mein Steuerberater alles rechtlich korrekt macht“. Die Finanz sagt: „Moment mal, er war Finanzminister – das heißt, er müsste es eigentlich besser wissen als der Steuerberater“.

Das heißt, wenn ich dasselbe versuche wie Karl-Heinz Grasser, dann würde mir wegen Unwissenheit Nachsicht zugebilligt werden, während bei ihm als Finanzminister da mit zweierlei Maß gemessen wird!?

Das ist die spannende rechtliche Frage. Es geht ja um zwei Fragen. Einerseits: Muss er Steuern nachzahlen? Ist er für diese vier Millionen Euro in Österreich einkommenssteuerpflichtig und muss daher zwei Millionen zahlen? Die zweite Frage ist, hat er ein Strafdelikt gesetzt? Hatte er einen Vorsatz, Steuern zu hinterziehen? Hier könnten ihm noch einmal vier Millionen Euro Strafzahlung drohen – dann sind wir insgesamt bei fast sechs Millionen; und es droht ihm auch eine Freiheitsstrafe in der Höhe von bis zu zwei Jahren. Diese Frage ist eine strafrechtliche Frage und nicht eine steuerrechtliche Frage. Das heißt, man kann davon ausgehen, Grasser sagt, „ich glaube, ich bin nicht steuerpflichtig“, und die Finanz sagt, „du bist es doch“ – das heißt aber noch nicht, dass er strafrechtlich relevant gehandelt hat. Jetzt wird geklärt, ob er auch mit einem bösen Vorsatz gehandelt hat, und ob auch sein Steuerberater mit dem Vorsatz gehandelt hat, Steuern zu hinterziehen.

Die Grasser-Geschichte ist ja auch mit Ihrer Person schon länger verbunden und begleitet uns jetzt auch via Falter schon ziemlich lange. Die eine Seite ist eine Empörung , die da hochgeht, weil die Leute sich denken, „die da oben richten sich's schon“; andererseits gibt es doch sowas wie den Berlusconi-Effekt, dass die Leute sich denken, „da ist ein junger, fescher, viel zu intelligenter Mann, der schon weiß, wie man sich's richtet, und das ist cool“. Kann es sein, dass dieser Effekt eintritt?

Karl Heinz Grasser und Walter Meischberger

APA Fotograf : TOPPRESS AUSTRIA/SCHÖNDORFER

Walter Meischberger und Karl-Heinz Grasser

Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass gerade dann, wenn es ums Steuern zahlen geht, die Leute schon wollen, dass hier alle Bürger gleich behandelt werden. Man hat den Eindruck, wenn jemand vier Millionen verdient, noch dazu bei diesen Meinl-Geschäften, wo ja sehr, sehr viele Anleger umgefallen sind um das Geld, man darf das ja nicht vergessen, das ist ja auch eine moralische oder eine politische Frage. Das war ja sozusagen ein Mitglied einer „Saubermann-Partei“, er war ein FPÖ-Politiker, der sich immer für die „kleinen“ und die „anständigen“ Leute eingesetzt hat. Wenn der innerhalb von eineinhalb Jahren vier Millionen Euro verdient – das waren einmal 60 Millionen Schilling – und dann die vier Millionen auch noch so anlegt, dass er in Österreich dafür keinen Groschen Steuern zahlen muss, das versteht die breite Öffentlichkeit ganz schwer, und es versteht auch die Staatsanwaltschaft und die Steuerfahndung immer weniger. Wenn man mit den Ermittlern redet und wenn man mit den Steuerfahndern spricht, hat man den Eindruck, dass die ihm hier jetzt schon wirklich nahe rücken wollen.

Kann man jetzt sagen, dass das Finanzministerium und die Steuerfahndung vorpreschen in einem Fall, wo die Justiz in den letzten Jahren – nicht zur selben Anklage, aber es ist doch der selbe Angeklagte – ausgebremst hat?

Man muss die zwei Fälle unterscheiden. Beim Fall BUWOG muss ich nachweisen, dass Grasser ein Geheimnis verraten hat und dafür Geld bekommen hat...

Eine Art Insider-Geschäft also?

Ja, im weitesten Sinne. Ich muss nachweisen, dass er seinen Freunden eine geheime Information zukommen lässt und sie aufgrund dieser Information Geld bekommen und ihn damit beteiligen. Dieser Beweis ist nicht gelungen. Oder die Staatsanwälte versuchen, das zu beweisen – das ist wahnsinnig schwierig, denn letztlich kann ich es nur nachweisen, indem ich entweder das Geld finde, und da sind die Ermittler ja mittlerweile auf komische Dinge gestoßen wie den Geldkoffer der Schwiegermutter und irgendwelche Treuhandgesellschaften in der Schweiz und irgendwelche Stiftungen und Treuhandkonstruktionen, aber der Beweis ist ihnen nicht gelungen. Oder sie finden jemanden, der auspackt, der sagt, „ich habe dem Minister Geld gegeben“. Auch das ist nicht der Fall. Das ist die eine Kiste. Das ist schwierig, da muss ich einen Beweis bringen. Die andere Frage ist die Steuerfrage – das heißt: Ich weiß, Grasser hat vier Millionen bekommen, und ich weiß aufgrund der Aussage seines Steuerberaters, er hat sie in Liechtenstein so angelegt, dass die österreichische Öffentlichkeit davon nichts erfährt. Und zwar nicht nur die österreichische Öffentlichkeit, sondern auch die österreichischen Behörden. Einen Teil davon hat er dem Finanzamt ja vorher mitgeteilt, und das Finanzamt sagt aber, „du hast uns eben nicht alles mitgeteilt, du hast uns wesentliche Umstände verschwiegen“. Jetzt ist die Frage, warum. Das ist der Punkt, der gerade geklärt wird, und deshalb gibt es diese Hausdurchsuchungen, und zwar nicht nur die Hausdurchsuchungen bei ihm, sondern auch bei seinem Steuerberater.

In allen Immobilien, glaube ich, auch in den Feriendomizilen...

... in seinen Firmen, in Tochterfirmen, und vor allem in der Steuerberatungskanzlei – das ist etwas ganz Erstaunliches, weil ein Steuerberater ja eigentlich, so wie ein Anwalt auch, eine Schweigepflicht hat – darum sind diese Kisten jetzt auch versiegelt worden, und es muss ein Richter entscheiden, ob sie überhaupt geöffnet werden dürfen.

Das heißt, normalerweise bekommen die Steuerberater nicht die Justiz „aufs Dach“!?

Normalerweise nicht. Und das ist doch erstaunlich und es zeigt, dass hier ein „anderer Gang eingelegt“ wurde – insoferne sind diese Hausdurchsuchungen auch wirklich eine Zäsur in diesem ganzen Fall.

Die Ex-Justizministerin Bandion-Ortner wurde oft kritisiert, weil sie in diesen vielen, vielen (mutmaßlichen) Korruptions- und Bestechungsfällen in Österreich nicht einen Gang hochgeschaltet hat – kann man da erwarten, dass sich die neue Justizministerin da ein bisschen profiliert?

Da gibt's zwei Dinge zu sagen: Das eine ist eine institutionelle Frage – habe ich Behörden, die genug Manpower, genug fachliche Expertise haben, so einen Fall anzufassen? Nein, die Staatsanwaltschaft hat das nicht. Es sind viel zu wenige, viel zu schlecht ausgebildete Ermittler. Die zweite Frage ist: Wird von oben Druck ausgeübt, diese Sache nicht so hart anzufassen? Das glaube ich momentan nicht mehr. Ich glaube, dass das anfangs schon noch ein „Hinsichtl-Rücksichtl“ war, und zwar nach dem Motto, „naja, bevor wir den Finanzminister befragen, oder bei ihm mit der Türe ins Haus fallen, müssen wir schon sehr genau recherchieren“, und man kann Dinge auch zu Tode recherchieren, das wissen wir als Journalisten. Aber ich glaube, dass sich hier auch das Image geändert hat und die Staatsanwälte auch zeigen wollen, dass sie besonders aktiv sind. Das führt dann dazu, dass sie so Dinge machen wie gestern, dass sie während einer laufenden Hausdurchsuchung eine Presseaussendung machen und die Medien davon informieren und die Medien dann vor der Türe des Grasser stehen und live über die Hausdurchsuchung berichten – das gefällt mir persönlich auch wieder nicht. Das kann dann den Eindruck einer Show-Justiz erwecken, wo wir „live dabei sind, wie jemandem die Bude ausgeräumt wird“ – das halte ich für rechtsstaatlich nicht unproblematisch. Ich glaube, es hätte gereicht, wenn sie nach der Hausdurchsuchung eine Mitteilung darüber gemacht hätten.

Wenn Sie sagen, dass die Justiz oder die Politik ein Interesse hat, dass da was weitergeht: Glauben Sie, dass in den anderen Vorwürfen gegen Grasser und Meischberger etwas weitergeht?

Man hört, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass eine Anklage gegen Meischberger noch im Sommer erhoben wird – wegen der Steuerdelikte und wegen des Vorwurfs der Untreue, weil er Provisionen von Baufirmen bekommen hat, ohne dafür eine Leistung zu bekommen – wir kennen ja alle den legendären Satz, „wo woa mei Leistung?“. Das wird ein sehr spannender Prozess, weil letztlich die Frage auch darin besteht, ob der damalige Chef der Porr, Horst Pöchhacker, der heutige Aufsichtsratspräsident der ÖBB, von diesen Zahlungen wusste und sie abgesegnet hat – und vieles spricht dafür, dass er es wusste. Damit wäre auch ein oberster Berater des Bundeskanzlers mit dabei – zumindest im Zeugenstand. Die zweite Frage ist, ob Grasser selbst in dieser Causa angeklagt wird. Ich glaube nach dem jetzigen Wissensstand, dass das nicht der Fall sein wird, weil man eben die „smoking gun“ nicht gefunden hat. Aber wie bei vielen anderen Figuren, die man gerne vor Gericht stellen würde, ist es auch in diesem Fall die Steuer, die ihn in die Bredouille bringt.

Al Capone hat man am Ende auch wegen Steuerhinterziehung drangekriegt ...

Das haben Sie jetzt gesagt – ich würde Grasser nie mit Al Capone vergleichen... aber das Interessante ist schon, und das ist ja insgesamt das Interessante, auch Meischberger ist ja über die Steuer gestolpert, dass die Leute sehr, sehr viel Geld verdient haben, Millionen, Meischberger (gemeinsam mit Hochegger) zehn Millionen, Grasser vier Millionen, und sie dann auch noch die Steuer sparen wollten. Da sieht man, dass die Gier die Menschen dann irgendwo doch so weit treibt, dass sie in die Bredouille kommen, denn man könnte sich ja auch mit zwei Millionen zufrieden geben, die man in einem Jahr verdient.