Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Vulkansurfen auf dem Cerro Negro"

Klaus Brunner Mittelamerika

Palmen, Pathos, Politik

26. 5. 2011 - 11:17

Vulkansurfen auf dem Cerro Negro

Nicaragua ist das Land der tausend Vulkane. Auf einem davon kann man per Sandboard oder Rodel runterflitzen.

Der Vulkan cerro negro

Klaus Brunner

Der Vulkan Cerro Negro in León.

Es ist eine ausgedörrte Landschaft rund um die Kolonialstadt León, dem Hitzepol Nicaraguas. Die Bäume mussten einst Baumwollplantagen weichen, heute ist die Gegend von trockenem Gebüsch durchzogen. Umso mehr sticht der Cerro Negro mit seiner leuchtenden Schwärze hervor. Vor zwölf Jahren hat er zum letzten Mal Feuer gespuckt und die ganze Region mit dunkler Asche bedeckt.

Auf den ersten Blick scheint es ziemlich abwegig, hier Sandboarding zu betreiben. Das ist nur deshalb möglich, weil sich die Eruptionen des Cerro Negro gut voraussagen lassen. Anry Rodriguez - der Initiator des Vulkansurfens in Nicaragua- erzählt von den Anfängen, während wir per Pickup auf einer holprigen Piste zum "schwarzen Hügel" unterwegs sind.

anry rodriguez - der begruender des vulkansurfens in Nicaragua

Klaus Brunner

Anry Rodriguez - der Begründer des Vulkansurfens in Nicaragua

Loco, loco, loco...

Man vermutet, Sandboarding sei von brasilianischen Surfern erfunden wurden, als es mal keine guten Wellen gab. Aber nichts genaues weiß man nicht.

Um das Jahr 2000 herum hört er erstmals vom Sandboarding. Anry lässt sich ein Snowboard aus Miami schicken und stapft damit auf den Cerro Negro: "Nach hundert Metern war das Ding total kaputt, ich war völlig frustiert!" Der nächste Versuch startet mit Sandboards aus dem Internet, auch die lösen sich in ihre Bestandteile auf. Drei Jahre später findet der Tourismus-Student endlich das richtige Holz, aus dem er robustere Boards für den rauhen Vulkanschotter zimmert.

Mensch beim Vulkansurfen

Klaus Brunner

So sieht das dann aus

Mit den ersten geführten Touren erntet der Pionier nur Kopfschütteln in seiner Stadt. Die Touristen jedoch sind begeistert, irgendwann springen auch die Medien auf und feiern Anry als den Begründer des Sandboardings in Nicaragua. Tatsächlich ist der Cerro Negro weltweit der einzige aktive Vulkan, auf dem man diesen Sport betreiben kann. Sein Status nützt Anry Rodriguez bald nicht mehr viel.

Ausländische Touranbieter springen auf den Zug auf und starten einen Konkurrenzkampf, bei dem er nicht mithalten kann: "Ich hatte anfangs überhaupt kein Problem damit. Aber sie haben so viel mehr Geld und können sich teure Werbung leisten. Die Wahrheit ist leider, dass die Realität für Australier, Europäer und Amerikaner eine andere ist, als für uns." Nicaragua ist das zweitärmste Land Lateinamerikas, ein Kellner verdient im Schnitt 115 US-Dollar, eine Ärztin rund 500 Dollar im Monat. Anry jedenfalls lässt sich von seinen betuchten Nebenbuhlern nicht unterkriegen und setzt auf Nachhaltigkeit. Ein Teil seines Gewinnes geht an Familien, die in den kleinen, staubigen Dörfern rund um den Vulkan leben.

700 heiße Höhenmeter

Das allgegenwärtige Schwarz ist beeindruckend, als Anry den Geländewagen am Fuße des Vulkans zum Stehen bringt. Der 50-Minuten-Marsch auf den Gipfel ist schweißtreibend, 35 Grad und kein schattenspendender Baum weit und breit. Immer wieder dampft es aus dem Berg und an manchen Stellen hängt der schwefelige Geruch fauler Eier in der Luft. Oben angekommen, wird die Mühe mit einem Blick auf den rauchenden Krater und die dämmrige Mondlandschaft belohnt. "Incréibile! - Unglaublich!", staunen wir.

gruppe vulkansurfer mit ihrem boards

Klaus Brunner

Nach ein paar Instruktionen heißt es Sandboard anschnallen, ein Fleckerlteppich-Overall dient als Schutzbekleidung. Als begeisterter Snowboarder unterschätze ich die Tücken des Vulkansurfens völlig, und manövriere ich mich umgehend per Köpfler in den heißen, schwarzen Schotter.

Stehend auf der Rodel den Vulkan hinunter

Klaus Brunner

Stehend auf der Rodel den Vulkan hinunter

Kurz beneide ich die anderen Tourteilnehmer und Teilnehmerinnen, die sich für die rodelnde Variante entschieden haben. Auch sie haben anfangs ihre Probleme, düsen aber schon bald jauchzend den Vulkan hinunter.

"Warum tue ich mir diese FM4-Selbsttests immer wieder an?" denke ich mir nach hundert Metern lavageschärzt und ziemlich außer Atem. Der Vulkansand erweist sich als widerspenstig. "Immer schön zurücklehnen!" schreit mir mein Guide von oben zu. Irgendwann lässt sich das selbstgeschnitzte Board ein wenig steuern und die Sache beginnt Spaß zu machen. Stellenweise kommt sogar Tiefschnee-Feeling auf, doch leider ist die 400-Meter-Abfahrt dann auch schon wieder vorbei.

klaus am ende

Klaus Brunner

Klaus am Ende

Nochmal raufstapfen ist nur mäßig attraktiv, außerdem geht die Sonne gerade mit einer satten Portion Kitsch hinter einem anderen Vulkan unter. Dann vielleicht ein nächstes Mal! Für knapp 30 Euro ist ein Halbtagestripp auf den Cerro Negro zu haben. Dabei an die einheimischen Touranbieter zu denken, ist sicher kein Fehler.