Erstellt am: 25. 5. 2011 - 17:00 Uhr
Aufsichtsräte in Österreich
Die Aufregung war groß, als Andreas Treichl, der Chef der Erste Bank, ankündigte, die Gagen seiner Aufsichtsräte zu verdoppeln.
Immerhin hat seine Bank erst vor ein paar Jahren ebenfalls Milliarden vom Steuerzahler bekommen um finanzielle Engpässe zu vermeiden.
Insofern regt es die arbeitende Bevölkerung natürlich auf, wenn Banker Millionen-Gagen beziehen und sich auf ihre Leistung berufen, obwohl besagte Leistung in den letzten Jahren offenbar nicht allzu berauschend war.
Doch welche Rolle spielt der Aufsichtsrat in dieser Causa?
Was tun die, was verantworten sie und wie viel Geld bekommen sie für welchen Aufwand?
Ist die Empörung über die Gagen-Verdopplung gerechtfertigt?
Oder ist sie eine "stumpfsinnige Hetze" zum Schaden der Allgemeinheit, wie das der Standard Kolumnist Eric Frey unlängst formulierte?
Ich habe bei Susanne Kalss, Professorin für Privat- und Unternehmesrecht, an der Wiener Wirtschaftsuniversität nachgefragt.
Frau Professor, inwieweit bewegen sich die Aufwandsentschädigungen für Aufsichtsräte in Österreich im internationalen Standard?
Wir sind hier überhaupt nicht im Standard. Wir haben in den letzten Jahren eine sehr breit geführte Diskussion über die Professionalisierung der Aufsichtsräte gehabt, das heißt, dass die Qualifikation der AR steigen muss, was auch der Fall ist. Wir haben auch gesehen, dass die zeitliche Beanspruchung der AR deutlich gestiegen ist. Im Vergleich dazu ist die Vergütung der AR nicht gestiegen. Hier wurde jetzt eben einmal ein markanter Beispielsfall gesetzt, dass parallel zu Professionalisierung und Mehraufwand auch ein adequates Vergütungsregime eingeführt wird.
Laut Marktwirtschaft bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis, also auch das Gehalt. Ist es so schwierig qualifizierte AR zu finden, oder anders gefragt: Wie qualifiziert sind die AR unserer ATX-notierten Konzerne und Banken?
Um die Qualifikation der AR der börsenotierten Gesellschaften mache ich mir keine Sorgen. Wenn man sich die Zusammensetzung dieser Gremien anschaut, dann erfüllen die heute die normativ angegebenen Anforderungen. Sie müssen in der Lage sein, die Aufsichts- und Beratungskompetenzen auf Augenhöhe mit dem Vorstand zu erbringen, den Vorstand zu kontrollieren und ihn zu prüfen. Das verlangt hohes unternehmerisches Einfühlungsvermögen, hohe analytische Kompetenz und auch Kentnisse in betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragen.
Wenn man den AR einer so großen Bank wie etwa der Ersten anschaut: Wie oft tagt denn dieses Gremium im Schnitt?
Da die Erste Bank eine börsenotierte Bank ist, haben Sie da sicher 6-8 jährliche Sitzungen im Plenum. Ganz maßgeblich ist aber, dass auch Ausschüsse eingesetzt werden, wie etwa der so wichtige Risikoausschuss, der bei einer Bank über Kreditvergaben berät. Dann haben die den Prüfungsausschuss, also für die Vorbereitung des Jahresabschluss - die tagen also praktisch alle 14 Tage. Das heißt sie kommen hier auf 20-25 Sitzungen im Jahr, müssen diese Sitzungen aber natürlich auch vor- und nachbereiten, haben also tatsächlich einen hohen zeitlichen Aufwand.
Es gab oft die Kritik, dass manche AR die Unterlagen erst am Tag der Sitzung bekommen, also etwa zwei Stunden vorher. Hat sich da etwas verbessert?
Der AR-Vorsitzende ist per Gesetz dazu verpflichtet, für eine zeitgerechte Vorbereitung und Information zu sorgen. Hier ist ein Verbesserungsschub in der Vorbereitung zu sehen. Heute werden die Unterlagen 7-14 Tage vor einer Sitzung verschickt, umgekehrt wird aber auch erwartet, dass die Mitglieder des AR umfassend informiert sind. Wenn das in der Vergangheit war, so stimmt das, es hat sich jedoch in den letzten 10-15 Jahren doch deutlich verbessert.
Lawrence MacDonald, der Autor des Buches "Dead Bank Walking" meinte, ein AR, der einem Kredit oder dem Kauf eines komplizierten Finanzprodukts, das er nicht versteht, zustimmt, handelt zumindest grob fahrlässig. Wie sehen Sie das?
Ich sehe das nicht so, weil diese Produkte völlig anders gestaltet waren. Es mag stimmen, dass sie nicht völlig erkennbar waren und der Vorstand dazu angehalten hätte sein müssen, diese Produkte nicht in Erwägung zu ziehen. Sie müssen aber bedenken, dass es einen Marktstandard gab, dass diese Produkte zur Zinsoptmierung eingesetzt werden sollen und dass ihr Risikopotential damals nicht erkennbar war. Der gesamte Markt, ob Banken oder Industrie, hat das falsch eingeschätzt. Heute einzelne herauszugreifen und zu sagen, ihr habt das nicht erkannt und nicht verstanden, also seid ihr grob fahrlässig, obwohl eine mehrfache Empfehlung für diese Produkte vorlag, ist zu vereinfachend. Dass es in Einzelfällen richtige Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht gegeben hat ist unbestritten. Aber deshalb jeden einzelnen AR pauschal zu verdammen, dagegen verwehre ich mich.
Wie sieht es denn in Sachen Unvereinbarkeit aus, also etwa bei AR, die in mehreren Gremien sitzen oder auch politische Funktionen haben?
Dieses Problem ist besser geworden, aber es gibt nach wie vor Handlungsbedarf. Wir haben relativ klare Regelung, sowohl im Gesetz als auch im Corporate Governance Codex, als begleitende normative Ebene. Aber hier bedarf es noch einer Schärfung unserer Kultur. Es kann und darf nicht sein, dass politische Mandatare hier Versorgungsposten bekommen. Das ist im Kommunal- und Landesbereich noch deutlich schlechter als im Bundesbereich. Umgekehrt ist es natürlich nicht verkehrt, dass ehemalige Politiker, die sehr hohe Kompetenzen und Erfahrung im Kennen von Ländern und Märkten haben, auch in so ein Gremium kommen. Schlimm wird es, wenn das politische Amt missbraucht wird, um im schlimmsten Fall parteipolitische Interessen durchzusetzen.
Abschließend noch die Frage nach der Haftung: Inwieweit haften AR etwa für ungünstige Kreditgeschäft oder für den Kauf giftiger Wertpapiere?
Wenn ich dem einzelnen AR-Mitglied vorwerfen kann, dass er nicht sorgfaltsgemäß gehandelt hat, dass er sich über das Produkt nicht informiert hat und ohne Risikoabschätzung zugestimmt hat, dann haftet er mit seinem gesamten privaten Vermögen, und zwar unbeschränkt. Die Haftungsgefahr ist also eine extrem hohe, sofern die zivilrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.