Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mit Tiefkühlkost gegen die Liebe"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

29. 5. 2011 - 13:16

Mit Tiefkühlkost gegen die Liebe

Bernhard Moshammers "Ein kurzer Roman über die Schrecklichkeit der Liebe" ist eine Klageschrift gegen die romantische Liebe und gleichzeitg ein Plädoyer für die unsterbliche Sehnsucht nach Zweisamkeit.

Benjamin Vogel ist ein ganz normaler Teenager, der in St. Pölten zwischen christlichen Messen und schulischem Alltagstrott aufwächst. Bis er die wichtigste Lektion lernt, die sein Leben grundlegend verändert. Nämlich dass die Liebe ein Spiel ist. Damit nicht genug ist die zweite, weitaus bitterere Erkenntnis: Benjamin ist kein Spieler. Das Resümee liegt damit klar auf der Hand.

Mit meinen fümfzehn Jahren und nach nur einer Verliebtheitserfahrung gelobte ich, der Liebe abzuschwören. Ich erfuhr ihre zerstörerische Kraft am eigenen, jungfreulichen Leib - was also lag näher, als mich vor sie hinzustellen und ihr ins lächelnde Antlitz zu spuken, mich für diese existentzielle Lektion zu bedanken und Nein zu sagen?

Buchcover von "Ein Kurzer Roman über die Schrecklichkeit der Liebe"

Milena Verlag

Doch das ist nur der Anfang. Fortan lebt Benjamin Vogel als der Einzelne, ein stiller Beobachter, der seine Vergangenheit vor sich her schiebt und sich und sein Leben aus der Vogelüperspektive betrachtet. Die durch seine tiefschürfende Lebenserkenntnis gewonnenen, immer wiederkehrenden, trockenen, für seine Freunde unverständlichen Anklagen gegen die Liebe bilden ein Schutzschild gegen die romantische Epidemie, die sich um ihn herum ausbreitet. Mit Vierzig hält dieser Panzer immer noch jeglichen Avancen stand, und ein kleiner Buch- und CD-Shop genügt Benjamin zum Überleben. Es ist ein bunt zusammengewürfelter Laden, der keine großen Ambitionen signalisiert, sondern für den Liebesverweigerer vielmehr ein gutes Mittel ist, um die Welt "da draußen" von seiner eigenen zu trennen.

Auch was den Genussfaktor seines Lebens betrifft, so reduziert er seine gustatorischen Erlebnisse auf Tiefkühlkost, die ihm eine tröstende Kontinuität bietet, auch wenn seine ihm nahestehenden Menschen das nicht so sehen.

Mutter sagt, dass das Tiefgekühlte mich noch umbringen wird. Keine Frau plus Tiefkühlkost - der perfekte Selbstmord, sagt Mutter.

Doch bevor es so weit kommen kann, betritt Maria die Welt des Einzelnen und beginnt auf dem brach liegenden Gefühlsboden zu zündeln. Beim Entfachen des längst erloschen geglaubten Feuers treten aus dem Rauch jedoch auch die Dämonen der Vergangenheit hervor und Benjamin sieht sich in einem finalen Kampf seinem größten Feind gegenüber: Der romantischen Liebe.

Über die Liebe zu schreiben ist zeitlos

Bernhard Moshammer Autor und Musiker Portraitfoto

Pati Kasprzycka

Bernhard Moshammer ist Autor und Musiker, der unter dem Pseudonym Börn u.a mit Mika Vember veröffentlicht hat.

Bernhard Moshammers Augen blitzen und funkeln, wenn er über sein zweites Buch spricht. Schließlich verarbeitet er in "Ein kurzer Roman über die Schrecklichkeit der Liebe" seine persönlichen Jugenderfahrungen, die er sich schon lange von der Seele schreiben wollte. Aber es geht nicht nur um den therapeutischen Prozess dieses autobiographischen Teils. Vielmehr spinnt der in St. Pölten aufgewachsene und schon lange in Wien lebende Autor, Musiker, Produzent und Theaterschreiber den eigenen, inneren Anteil des "Einzelnen" weiter und konstruiert damit seine eigene, mögliche Parallelwelt. Denn Benjamin verfolg seine Abkehr von der Liebe mit einer beinharten, analytischen Konsequenz und seine Anklagen gegen die romantische Beziehung sind derart logisch, stringent und schlüssig formuliert, dass ihm weder seine Freunde, noch seine Familie etwas entgegenhalten kann.

Mit diesem Konzept wirft Bernhard Moshammer existenzielle Fragen auf, indem er an den verschiedenen Lebens- und Liebeskonzepten kratzt, sie hinterfragt und den Leser nicht gleichzeitig mit einer allumfassenden Lösung in das abendsonnendurchflutete Hollywoodfinale lockt. "Ein kurzer Roman über die Schrecklichkeit der Liebe" ist trocken und doch sehr menschlich, überdreht und gleichzeitg lebensnah, überspitzt, aber nicht unrealistisch, herzerwärmend komisch und todernst zugleich. Vor allem der Handlungsstrang der Generationen ist berührend, wenn der Autor durch die Augen Benjamins auf die Liebesbegriffe seiner Eltern blickt, sie mit den gegenwärtigen Wertigkeiten vergleicht und nicht zuletzt dadurch ein winziger Hoffnungsschimmer bleibt, der die Sehnsucht nach einer Beziehung sichtbar macht.

Bernhard Moshammer Albumcover "L"

Bernhard Moshammer

Zusätzlich zu dem Roman ist Bernhard Moshammers Soloalbum "L" erschienen, eine begleitende Sammlung von Liebesliedern, die verschiedene Aspekte des Buchs auf einer anderen Ebene hörbar macht. Der Kampf gegen die romantische Liebe wird hier nicht mit der Abstraktion unserer Sprache ausgefochten, sondern mit krachenden Samples, verzerrten Gitarren und strukturellen Brüchchen. Es wird mit akustischen Gitarren, Beserlschlagzeug, Glockenspiel und Saxophon gegen die Resignation angespielt und in bester Manier des großartigen Mr. E dem tieftraurigen Text eine wundervoll schöne Melodie gegenübergestellt. Bei dem groovig düsteren "Oh lieb Mädl, wie schlecht bist du" bedient sich Bernhard Moshammer eines Texts des Romantikers Clemens Brentano aus dem Jahr 1812. Dieser passt nicht nur perfekt in das Konzept der Platte, sondern spiegelt auch die Stimmung der Hauptfigur Benjamin Vogel mit unglaublicher Präzision wider. Das beweist, dass es Bernhard Moshammer gelungen ist, mit seinem feinen Erzählstil, der mitschwingenden Dringlichkeit seiner Fragen und der nötigen, spürbaren Authentizität an ein zeitloses Thema der Menschheit anzudocken: Der Verhandlung dessen, was Liebe ist.

Der Autor Bernhard Moshammer im FM4 interview:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar