Erstellt am: 25. 5. 2011 - 14:36 Uhr
"Attaka" auf die Moschee
Die Bulgaren galten in der Geschichte eigentlich als tolerantes Volk. Während des Zweiten Weltkriegs wurde kein bulgarischer Jude in die Vernichtungslager geschickt und das, obwohl mein Heimatland Hitlers Verbündeter war. Im Zentrum von Sofia befindet sich das sogenannte Toleranzdreieck, gebildet von einer orthodoxen Kathedrale, einer Moschee und einer Synagoge. Zur Zeit der Unabhängig-Werdung Bulgariens vom osmanischen Reich befanden sich in Sofia drei Moscheen. Eine wurde zur Kirche umgebaut, eine ist heute ein Museum. Nur eine fungiert als Gotteshaus - die Moschee "Bania Baschi", gebaut vom berühmten osmanischen Architekten Sinan, zu dessen Werken auch die wundervolle Selimiye Moschee in Edirne gehört.
Im Toleranzdreieck in Sofia gibt es aber keine Toleranz mehr. Aktivisten der ultrarechten Partei "Attaka" provozierten letzten Freitag die Muslime beim Tagesgebet vor der Moschee. Rund 100 Nationalisten, die angeblich gegen die Lautsprecher der Moschee protestierten, unterbrachen das Gebet, indem sie die vor dem Gotteshaus Betenden mit Steinen und Eiern bewarfen.

EPA/VASSIL DONEV
Danach zerschnitt ein Aktivist der Ultrarechten demonstrativ einen Fes. Der Konflikt eskalierte, als die Attakisten vor der Moschee Platz für eine Rede ihres Anführers Volen Siderov machen wollten. Es kam zu einer Schlägerei, die die Polizei anfangs nicht unter Kontrolle brachte. Personen beider Seiten wurden verletzt und ein paar Ultrarechte wurden festgenommen. Schließlich verbrannten die Nationalisten auf offener Straße einige muslimische Gebetsteppiche.
In den letzten zwanzig Jahren blieb Bulgarien von ethnischen Konflikten mehr oder weniger verschont. Es leben hier rund 750.000 Türken und mit ca.12% muslimischen Staatsbürgern liegt Bulgarien an der EU-Spitze. Allerdings sind die nicht in den 50er Jahren als Gastarbeiter gekommen, sondern leben dort seit einer Ewigkeit. In den 80er Jahren haben die Kommunisten im so gennanten "Wiedergeburtsprozess" allen Bürgern türkischer Abstammung christliche Namen gegeben. Als Wiedergutmachung dafür entstand in den Anfangsjahren der Demokratie die ethnisch-türkische Partei "BRF" (Bewegung für Rechte und Freiheiten) rund um deren bis heute untauschbaren Vorsitzenden Ahmed Dogan. Dogan und seine engsten Vertrauten in der Parteiführung sind ehemalige kommunistische Staatsicherheitsagenten, die eigentlich beim "Wiedergeburtsprozess" gegen ihre heutigen Wähler agierten. Die BRF wurde zu einem wichtigen politischen Balanceur im bulgarischen Parlament, 2001 kamen sie mit der Partei des damals aus dem Exil zurückgekehrten Königs Simeon Sakskoburggottski in die Regierungskoalition. Die BRF wurde mit schweren Korruptionsvorwürfen belastet, wie alle bulgarische Parteien, wenn sie an die Regierung kommen. Gegen Ahmed Dogan wurde bis vor einigen Monaten ermittelt, da er ein Honorar von einer Million Leva als Berater bei einem Regierungsauftrag bekommen hatte. Er wurde trotz belastender Beweise freigesprochen.
2005 wählten als Gegenreaktion auf diese Korruptionsskandale und aus Frust, dass sich wenig an der wirtschaftlichen Lage besserte, 8% der Bulgaren die Ultrarechten von "Attaka". Gerüchten zufolge wurde die ultrarechte Bewegung mit Geldern der BRF gegründet, die ihre eigene Wählermasse mit einer nationalistischen Bedrohung mobilisieren wollte. Bei den letzten Wahlen 2009 bekam "Attaka" 9% und ist die viertstärkste Partei im bunten Parlament (es ist übrigends sehr schwer, die bulgarische politische Landschaft zu erklären. Nach jedem Wahlgang seit 1990 heißen die Parteien anders, keine einzige Regierung wurde je wiedergewählt). In den letzten zwei Jahren waren die Nationalisten ziemlich ruhig und haben die Regierung des Populisten Boiko Borissov parlamentarisch unterstützt. Da sie so viele ihrer radikalsten Wähler verloren haben, musste sich die Bande um Volen Siderov vor den Präsidentschaftswahlen im Herbst dieses Jahres wieder bemerkbar machen.
Als ich die Szenen vom Angriff auf die "Bania Baschi" Moschee in Sofia auf Euronews sah, empfand ich nichts als Scham. Das Benehmen von Volen Siderov ist indiskutabel für einen Abgeordneten eines EU-Mitglieds. Das Schlimme ist, dass die Regierungspartei GERB auf die Stimmen von "Attaka" im Parlament angewiesen ist und Borissov sich die Arme von Volen Siderov verdrehen lässt. Der bulgarische Premierminister hat aber das Image eines starken Burschen, der nie zulässt, dass ihn jemand politisch erpresst.
Der Angriff auf die Moschee ist der zweite Fall von religöser Intoleranz binnen weniger Wochen. In der Küstenstadt Burgas brachen Mitglieder einer anderen nationalistischen Bewegung in das Zentrum der Zeugen Jehovas ein und verprügelten vor laufender Kamera alle Zeugen, die im Weg standen. Bisher wurden keine rechtliche Schritte gegen die Organisatoren der beiden Angriffe unternommen.

EPA/VASSIL DONEV
Als eine Reaktion auf die Gewalt von "Attaka" wurden auf Facebook einige Gruppen gegründet, die zur Entschuldigung für die Agression aufforderten. Tatsächlich wurden am Samstag und Sonntag Hunderte von Blumen am Zaun der Moschee aufgehängt. Die bulgarischen Ultrarechten haben weitere Aktionen gegen die Moschee in Sofia angekündigt, mal sehen ob sie die Regierung lässt. Die Bulgaren waren mal ein tolerantes Volk, ich hoffe, dass das in Zukunft wieder so sein wird.