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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 5. 2011 - 23:00

Fußball-Journal '11-43.

Übler Nachgeschmack. Wieviel Gijon steckte heute abend in der Hohen Warte?

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit einer kurzen Betrachtung des Meisterschafts-Finales in der 1. Liga.

Ich bin was Fußball betrifft ein eher Unzufriedener.
Einerseits.
Ein gutes Ergebnis ohne entsprechendes Spiel? Ein Zufallssieg ohne taktische Überlegung? Wertlos.

Andererseits stelle ich mich dem Schlimmsten, dem Leidensdruck, ganz ohne Gejammer. So viele Spiele wie möglich sehen, Spiele aus österreichischen Ligen - das halten viele Fußball-Freunde für eine Leistung. Ich finde aber, es gibt jedem Spiel etwas abzuringen, dramaturgisch sowieso, aber auch aus stragetischen Fehlleistungen lässt sich eine Menge lernen.

Das viele Elend, das man bei solchen Gelegenheiten sieht, hat sich in den letzten Tagen quasi öffentlich verdichtet. Weil die überundüberdutzendste Ultra-Unverschämtheit ihren Auswurf ganz bewußt während eines ORF-Livespiels setzte. Oder weil wegen der daraus resultierenden Abwesenheit einer 2. Halbzeit dann plötzlich eine andere viel zu deutlich zu sehen war, insbesondere das besonders tölpelhaft gesetzte Handspiel des jungen Edin Salkic.

Das sind und waren zwei ganz verheerende Nackenschläge für den heimischen Fußball.
Aber: ich kann die Aktionen nicht den Spielern anlasten.

Was macht dir den Fußball madig?

Nein, die Rapid-Spieler, die halt einmal 0:2 hinten lagen gegen die Austria, das kann passieren, sind nicht "schuldig" am Platzsturm des dicken Griechen und seiner Spießgesellen.
Mit derselben Wegelagerer-Logik kann ich mit einem mitgebrachtem Mob nämlich jeden und alles umbringen; das sind billige Vorwände von sozial Verwahrlosten.

Im übrigen zeigt die Medien-Maschinerie im Fall Salkic ihre mieseste Fratze: wie die Kollegen von Sturm12 hier ausführen, wird der in Bosnien geborene Österreicher, der insgesamt 22 Nachwuchs-Länderspiele für rot-weiß-rot bestritt, nach diesem Vorfall - auch von Schein-Qualitäts-Medien wie dem Standard - als Bosnier bezeichnet. Halt nur ein Yugo, also ein Verbrecher. Echt zum Kotzen.

Und ebensowenig wie dem Vienna-Spieler Beciri sein absurdes zur Niederlage führendes überflüssiges Handspiel vor einigen Wochen angelastet werden durfte, darf jetzt über Salkic der Stab gebrochen werden. Salkic ist zwar Ex-Sturm-Akteur, aber einer, der dort mehr als schlecht behandelt wurde und auch nicht mehr zurückkommen wird - Neustadt hat bereits vor Wochen die Option auf ihn gezogen. Außerdem kommt Salkic aus dem Austria-Nachwuchs.

Absicht kann es in beiden Fällen nur im Fall eines großangelegten Wettbetrugs über asiatische Kanäle sein. Und auch da kann ich mich nicht an einem einzelnen Spieler abputzen.

All das sind zwar grausliche Themen die zum Himmel stinken, trotzdem kann mir sowas den Fußball nicht madig machen; auch nicht den Heimischen.

Das Stillhalte-Abkommen zwischen Admira und Vienna

Das geht anders.
Wie, das haben heute am späten Nachmittag auf der sonnenüberfluteten Hohen Warte in Wien die Mannschaften von Admira/Wacker und Vienna gezeigt.
Mit einem Stillhalte-Abkommen, einem fußballerischen und spielerischen Nichts.
Das von denselben Leuten, die sich über Randalierer empören und Salkic am liebsten sofort einsperren wollen, überzeugt abgenickt wird.
Oder habt ihr irgendwo ein kritisches Wort gehört/gelesen? Eben.

Eigentlich war es schon anhand der Aufstellung klar. Kühbauer schickte seine Admira mit drei (in Worten: 3) Sechsern ins Rennen. Bernhard Schachner, Cemernjak und der leicht vorderste, Daniel Toth teilten sich den Raum vor der Abwehr. Offensiv waren nur drei Admira-Akteure: der schaumgebremste Jezek links, der unsichtbare Bichlhuber rechts und der schnaufende und schwitzende Ledezma in der Sturmmitte.

Die Vienna stellte ein 4-4-2 der Vorsicht dagegen, mit einer eher hängenden Spitze (Stanisavljevic). Und, als Trainer Tatar die Nicht-Angriffspakt-Signale endlich verstanden hatte, stellte er in der 68. Minute auf das genau selbe System um, als hätte er ein Spiegelneuronen-Sandwich verspeist.
Lustigerweise war auch sein Vorderster der dann drei Sechser (die anderen: Markovic, Strohmayer) ein Toth, ubnd zwar Marcel, der Bruder von Daniel.

Das doppelte Tothchen

Das Spiel wurde also von beiden Teams mit den Toth-Brüdern in der offensiven Zentrale beendet. Nun, ich finde die Burschen gut, sie sind talentierte defensive zentrale Mittelfeldspieler - aber dort eben nur dazu da Bälle zu sichern und ein abgekartetes Spiel halbwegs nach außen zu verkaufen.

Denn nach ein bissl Admira-Ballyhoo in der Anfangs-Phase stellte sich (zwei Gratkorner Gegentore in Kärnten als Voraussetzung) die Erkenntnis dass beide Teams mit einem remis ihr Ziel erreichen würden, ein.
Admira wird Meister. Und die Vienna rettet sich in die Relegation mit dem Ostliga-Meister.

Und das auf Kosten eines Spiels, das ich eigentlich sehen wollte. Aber scheinbar als Einziger.
Den (achso kritischen) Vienna-Fans wars wurscht - Hauptsache Klassenerhalt. Den (von Trenkwalder irgendwie hergeleasten) Admira-Fans wars wurscht - Hauptsache Meister. Den kritischen Wächtern, den Medienvertretern, wars wurscht - Hauptsache Jubelbilder.

Mir macht das den übelstmöglichen Geschmack im Mund.
Ich nenne ihn Gijon-Gülle.

Die Sache mit der Gijon-Gülle

Und der ist übler als das, was mir bei Platzstürmen oder seltsamen Handspielerein aufstößt. Denn da drehen Einzelne durch - die dafür auch ordentlich zur Rechenschaft gezogen gehören.

Aber der Bullshit, den da die Admira und die Vienna 90 Minuten lang abzogen, diese Verarsche des 'jogo bonito', diese Verhöhnung ihrer eigenen Arbeit, wird von allen Beteiligten in aller Öffentlichkeit zelebriert. Wissentlich, nicht im Affekt, nicht als Einzel-Aktion, sondern im Kollektiv.

Jaja, der Zweck heiligt die Mittel, sagen sie dann - um sich nach diesem Betrug am Spiel besser zu fühlen, kommt dann dieser pseudo-biblische Satz daher. Wenn der Zweck die Mittel heiligen würde, dann wäre das Hooligan-Problem und auch das Wett-Problem ganz leicht lösbar - mit schierer Gegen-Gewalt; auch da würde der Zweck die Mittel doch heiligen, oder? Oder ist das eben nur eine scheinheilige Ausrede?

Das ist das Krebsgeschwür, das viel teuflischer wuchert als Vieles, was momentan durch alle Medien beschlagzeilt wird - die pure Verhöhnung des Spiels an sich.

So ein übler Nachgeschmack lässt sich nur durch Rachengegurgel und gezieltes Ausspucken wieder loswerden. Schade, dass es der schöne Platz auf der Hohen Warte ist, auf dem man heute Nacht quasi meterhoch im Grind waten muss.

PS: mit ein bisserl Pech könnte uns am Bundesliga-Final-Abend am Mittwoch durchaus Vergleichbares drohen.