Erstellt am: 23. 5. 2011 - 23:31 Uhr
Fußball-Journal '11-42.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einer gruseligen Entscheidung für eine Liga-Reform.
Am Samstag fiel die Entscheidung: Die dahindümpelnde 2. Liga wird einem massiven Professionalisierungs-Schub unterzogen. Außerdem wird eine neue überregionale 3. Liga mit 16 Vereinen eingezogen. Ein bedeutender Schritt in eine ökonomisch gefestigte Zukunft, jubeln die einen, der Anfang für eine Inzucht-Viererliga, sind die anderen empört.
Keine Angst, ihr habt nichts verpasst.
Das ist nicht in Österreich passiert.
Aber im weltweit einzigen Fußball-Land, das Österreich strukturell ähnelt: der Schweiz.
Dort reduziert man in einem Jahr die Challenge League (also die Entsprechung der 1. Liga) von 16 auf 10 Vereine. Und dort gibt es dann auch das, was einige sich auch für Österreich wünschen: eine 3. Liga, die "1. Liga Promotion" heißen wird. Darunter werden dann die drei Regionalligen (die "1. Liga Classic") weitergeführt werden.
Die Diskussionen im Vorfeld waren heftig. Hier auf der Sportseite des Schweizer Fernsehens DRS ist auch ein ausführlicher Bericht über die Widerstände gegen diese Reform zu sehen ("Der verzweifelte Kampf von Delémont gegen die Reduktion"/Sportlounge).
Andererseits war der Präsident des FC Schaffhausen, der wahrscheinlich schon heuer absteigen und so nächstes Jahr gar nicht mehr zurückkehren kann, einer der Mitgestalter dieser Reform. Die große Mehrheit der "kleineren" Vereine war aber deutlich dagegen.
Schweizer Versuche in Markt-Verknappung
Hintergrund: Nachdem sich die Schweizer Super League in den letzten Jahren sowohl sportlich als auch wirtschaftlich ganz gut entwickelt hatte, und sich jetzt auch gesteigertes Medien-Interesse einstellt, will man auch die 2. Leistungsstufe sanieren.
Dort, in der Challenge-League klafft eine Lücke zwischen Traditionsclubs, bei denen es Vollprofi-Betriebe gibt wie Lausanne, Servette und halbprofessionelle Zwerge wie Delémont, Kriens, Wohlen, Locarno oder Chiasso.
Dass auch größere Clubs wie Aarau, Lugano, Winterthur und sogar der Super League-Club Bellinzona gegen die neue Zehnerliga sind, überrascht dann einigermaßen, zeigt aber nur, dass die Schweizer Vereinsverantwortlichen nicht nur ans eigene Hemd, sondern auch den darübergeworfenen Liga-Mantel denken.
Andererseits scheiterte der Aufstand der Zwerge stimmenklarer als erwartet - vielleicht wurde im Vorfeld ja auch doppelzüngig taktiert.
Die Swiss Football League jedenfalls verspricht sich durch die Reduzierung eine Stärkung der Kräfte, eine Straffung - die kleinen in den diversen Randzonen (so wie Delemont für den Kanton Jura) fürchten abgehängt und in einer unklar zwischen Profi- und Amateurtum schwebenden 3. Liga verräumt zu werden.
Zurück ins Herzland der hirnlosen Stadionstürmerei:
So eine 3. Liga denken ja auch einige Kräfte in Österreich an. Die Vereinigung der Fußballer, quasi die Gewerkschaft, hat ein ausführliches Konzept vorgelegt, in ÖFB und Bundesliga gibt es durchaus Unterstützer.
Aktuell läuft in Graz ein Theaterstück mit dem Titel Dritte Liga von Martin G. Wanko: ein Fußballer-Monolog, und nicht die erste Arbeit von GAK-Fan Wanko.
Jetzt könnte man meinen, dass der straffe Schweizer Weg in die wirtschaftliche Gesundschrumpfung der oberen Spielklassen ein nennenswerter Beispielfall für Österreich wäre.
Allerdings gibt es da einen entscheidenden Unterschied.
Das nämlich, was im Schweizer Fußball als Zwerg gilt, hätte hierzulande schon Riesenformat.
Das kleine schmucke Stadion das der Zwerg Delemont etwa sein eigen nennt, ist einzelnem, was sich in der österreichischen Bundesliga "Stadion" nennt, durchaus überlegen; von der "1. Liga" gar nicht erst zu reden.
Vereine wie Hartberg, Gratkorn oder Grödig verfügen über eine Infrastruktur, die in der Schweiz nicht einmal für die neue dritte Liga reichen.
Das, was Schweizer Mittelklasse-Vereine wie der FC Thun derzeit an Anstrengungen (z. B. betreffend Stadionbau) unternommen wird, schafft außerhalb der Top 4 in Österreich keiner.
Der strukturelle Provinzialismus im österreichischen Fußball erlaubt ja schon keine wirklich funktionierende zweite Profi-Spielklasse, wie sie in der Schweiz am Samstag hingestellt wurde - eine dritte Semiprofi-Liga geht sich schon gar nicht aus.
Die Liga der Bahnwärterhäuschen
Ganz abgesehen davon, dass (auch hier: im Gegensatz zur besser aufgestellten Schweiz) die aktuell wieder halbwegs gut funktionierenden Regionalligen komplett zerstört würden.
Dazu sollen in dieser 3. Liga die Amateur-Teams der großen Klubs geparkt werden, also Teams ohne Zuschauer und Fan-Basis. Das noch dazu überregional, mit Reisespesen, die die Budgets der schwächeren Klubs ohnehin sprengen würden.
Die Schweiz bringt aktuell wahrscheinlich 36 Vereine zusammen, die in finanziell zumindest semiprofessionellen Verhältnissen und einer brauchbaren Infrastruktur ihren Sport ausüben können. Und dabei ist eine Aufteilung in drei Leistungsstufen womöglich sogar opportun.
In Österreich muss man dort, wo die Tribünen Bahnwärterhäuschen ähneln, zu zählen aufhören, da wird man seriöserweise nicht mehr als eine einzelne 16er-Liga mit Vereinen, die wirkliche Profi-Bedingungen vorweisen können, füllen, mit drei so-lala-Regionalligen drunter.
Alles andere, gar eine dritte Profi-Liga, ist fahrlässiger Größenwahn und bitterer Selbstbetrug.
Komischerweise ist es gerade dieser letzte Satz, der mich vermuten lässt, dass Liga, ÖFB und Gewerkschafter sich, auch mit dem völlig falsch interpretiertem Schweizer Beispiel als Rückenwind, demnächst zu diesem fatalen Schritt hinreißen lassen werden.