Erstellt am: 23. 5. 2011 - 17:03 Uhr
Menschenrechte in Österreich
Der Menschenrechtsrat ist ein Ausschuss der Vereinten Nationen, in dem 47 der 192 UN-Mitgliedsstaaten vertreten sind. Das Gremium wurde vor fünf Jahren gegründet und löste die Menschenrechtskommission ab. Denn von der Kommission hatten sich vielkritisierte Länder wie Kuba, Burma oder Chile ungerecht behandelt gefühlt. Im Menschenrechtsbeirat soll die Untersuchung von Menschenrechtsangelegenheiten gerechter verteilt und einseitige oder überproportionale Kritik vermieden werden. Und: Es gibt im Menschenrechtsrat der UN auch keine Vetomächte wie im Sicherheitsrat, sondern gleiches Stimmrecht für alle.
Welche Rolle Österreich in diesem wichtigen Gremium der UN auch spielen wird: Bei der Universellen Menschenrechtsprüfung durch den Menschenrechtsrat im Jänner hat Österreich noch selbst 161 Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage bekommen. Zum Vergleich: Deutschland bekam 44 solche Empfehlungen, die Schweiz 32. Unter anderem hinkt Österreich in den Bereichen Frauenrechte, Kinderrechte oder Antirassismus nach. Außenminister Spindelegger bedankte sich im Jänner für die Empfehlungen und gab an, viele davon umzusetzen. Die österreichische Regierung hat 97 der Empfehlungen akzeptiert, für 54 Bedenkzeit erbeten und 10 abgelehnt. Die abgelehnten Empfehlungen betrafen zum Beispiel Rechte für homosexuelle Paare oder die Umsetzung der Wanderarbeiterkonvention.
Zahlreiche NGOs hierzulande fordern, dass Österreich selbst die Menschenrechte ernster nimmt. Marianne Schulze von der Initiative Menschenrechte Jetzt, in der 270 NGOs vereint sind, stört sich daran, dass Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger Österreich als Musterland in Sachen Menschenrechte präsentiert. Im Interview mit FM4 legt sie ihren Standpunkt dar.
FM4
Kann Österreich zu Recht stolz sein, ab Juni Mitglied des UN-Menschenrechtsbeirats zu sein?
Schulze: Österreich hat es die längste Zeit geschafft, sich nach außen sehr gut zu verkaufen – mit Neutralität, der Vermittlerposition und der Fortführung des Wiener Kongresses bis in alle Ewigkeit. Man vermittelt ein Bild, wonach die Menschenrechtslage in Österreich passt. Die Kritik, die vor allem von der Zivilgesellschaft nach Genf getragen wurde, aber auch von UNO-Gremien kommt, betrifft einzelne Menschenrechtskonventionen, zum Beispiel die Kinderrechtskonvention, die Frauenrechtskonvention, die Anti-Folter-Konvention. Die Kritik deutet in ihrer Summe darauf hin, dass der Menschenrechtsstandard in Österreich definitiv verbessert werden kann. Aber die Erklärungen, die Außenminister Spindelegger rund um diese Universelle Menschenrechtsprüfung und auch bei der Bewerbung zum Menschenrechtsbeirat abgegeben hat, zeigen, dass es "more of the same" sein wird: Nach außen hin ist alles hui, aber was im Innen menschenrechtlich passiert, ist nicht wirklich der Fokus.
Bei der Initiative Menschenrechte sind mehrerer hundert NGOs vertreten. Diese haben verschiedene Schwerpunkte, verschiedene Ansichten, wie die Menschenrechte in Österreich verletzt werden. Wo ist denn der Handlungsbedarf am dringendsten?
Schulze: Die Tatsache, dass es in Österreich zum Beispiel keine sozialen Menschenrechte – wie das Recht auf Arbeit, das Recht auf Gesundheitsversorgung, das Recht auf Bildung – gibt, widerspricht dem Anspruch, dass Österreich ein Vorzeigeland in Sachen Menschenrechte wäre.
Wie ernst nehmen Österreichs Politiker die Menschenrechte?
Das Grundproblem ist, dass Österreich keine originär gewachsenen Menschenrechte hat. Wenn wir uns Deutschland ansehen, mit dem Grundgesetz, ist das eine völlig andere Geschichte, wie Menschenrechte dort etabliert wurden, und wie sie im gesellschaftlichen Grundkonsens verankert sind. In Österreich haben wir das Staatsgrundgesetz aus 1867, das wir dem seligen Kaiser Franz Joseph in einem kurzen Intervall seines Absolutismus verdanken. Und wir haben die Europarats-Menschenrechtskonvention, die aus juristischen Überlegungen heraus im Verfassungsrang steht. Das sind die menschenrechtlichen Verfassungsgrundlagen. Darüber hinaus haben wir nichts.