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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

22. 5. 2011 - 22:42

"Darkspore"

Die seltsame Welt des Grinding.

Videospiele folgen einem scheinbar simplen Prinzip: Die Beschäftigung damit soll Spaß machen. Weitaus weniger simpel ist die Frage, wie Spaß in einem interaktiven Medium definiert wird. Mit technischem Schnickschnack (tolle Grafik!) und narrativem Aufwand (tolle Geschichte!) kann man einiges wettmachen, aber irgendwann landet man bei jedem Spiel immer bei der schwierigen Balance zwischen den beiden Polen Langeweile und Überforderung. Wer spielt, möchte via Herausforderungen etwas erreichen. Wer etwas erreicht, will dafür belohnt werden. Die übliche Belohnung für Erfolge im Spiel ist das weitere Voranschreiten, in den nächsten Level, die höhere Stufe, die bessere Liga.

Eine Kampfszene aus dem Computerspiel "Darkspore".

EA

Als großer Fan des Speedrun, also des viel schnelleren "Durchspielens" eines Spieles als von den Entwicklern vorgesehen, habe ich große Probleme, sein Gegenteil zu begreifen: das verpflichtende Zeitschinden, in der Videospielfachsprache als "Grinding" bezeichnet. Grinding ist das Grundprinzip von dutzenden Computerrollenspielen, streng genommen den meisten unter ihnen. Es basiert auf dem Konzept der Charakterverbesserung, bei dem die gesamte virtuelle Welt in Zahlen heruntergebrochen wird. Man beginnt mit niedrigen Werten (Angriff, Stärke, Geschwindigkeit, usw.) und verbessert sie durch das Besiegen von Gegnern. Man bekommt Erfahrungspunkte und Gegenstände, die einen für die schwierigeren Spielstufen rüsten. Es ist ein ewiges Gleichziehen zwischen den Fähigkeiten der eigenen Figur(en) und den Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen.

"Rolle rückwärts": Felix Knoke hat sich vor kurzem ausführlich über das Spielprinzip von Computerrollenspielen Gedanken gemacht.

Es spricht eigentlich alles dagegen, dass so ein stupides Spielprinzip Spaß macht. Dennoch ist es innerhalb der letzten 15 Jahre immer populärer geworden. Haben in den Tagen der digitalen Höllendurchwanderung in "Diablo" (1996) Spieler/innen noch alleine die Computer-gesteuerten Monsterhorden in stundenlanger Geduldsarbeit weggeklickt, hat "World of WarCraft" (2004) das Grinden in der Gruppe zur professionalisierten Freizeitbeschäftigung erhoben. Man trifft sich abends online pünktlich zu einer fix vereinbarten Zeit zum gemeinsamen Kampf gegen riesige Gegner, die man nur im Team besiegen kann. Der Lohn nach dem Sieg: Noch mehr Gegenstände und damit noch höhere Zahlen und Werte für die eigenen Spielfiguren.

Ein Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "Darkspore", beim Ändern der Charakterwerte einer Spielfigur.

EA

Der nicht abreißende Erfolg von "World of WarCraft" hat viele Nachmacher auf den Plan gerufen, die da und dort kleine Änderungen an diesem Spielprinzip vornehmen, im Prinzip aber das Gewohnte in neuen Games fortsetzen. Das beharrliche Klicken auf das kleine und große Getier (und auch gegnerische Spieler) ist zu einem Standard geworden, der von der zugehörigen Gaming-Gemeinschaft mittlerweile vorausgesetzt wird. Das schnelle Jonglieren mit Zahlen und Werten ist eine Kernkompetenz, eine Routine für jeden eingefleischten Online-Rollenspieler.

Das nackte Grinden

Nun kommt es immer öfter vor, dass in diesen Spielen rundherum alles nur noch generisch gestaltet und zufallsgeneriert ist und die ganze Design-Arbeit ausschließlich in die Mathematik der Erfahrungspunkte und Werte der Gegenstände fließt. Ich komme mir dann meist vor wie damals im Rechnungswesenunterricht - jedenfalls, was Abwechslung und Spaß betrifft. Die Game Designer machen längst keinen Hehl mehr daraus, dass manche ihrer Spiele nicht viel mehr sind als komplexe Schere-Stein-Papier-Variationen ohne Persönlichkeit. Selbst die Namen der Gegenstände werden anscheinend seit Jahren mit denselben lustigen Wortzusammenwürfelprogrammen generiert. Wer kommt sonst auf bizarre Bezeichnungen wie "Galaktischer Vernichter von Hydrus" und "Thermo-Unheilsauge des Sturms"?

Eine Kampfszene aus dem Computerspiel "Darkspore".

EA

Darkspore

"Darkspore", das neue Game der "Sim City"-Macher Maxis, fällt leider zur Gänze in diese Nacktgrinding-Kategorie. Es ist das Nachfolgespiel zum Kreaturbaukasten "Spore" (2008), der unter der Ägide des Game-Design-Stars Will Wright entstanden ist. Weil "Spore" aus Sicht der Entwicklerfirma vermutlich als zu kindlich und verspielt rezipiert wurde, wollte man mit dem ach so dunklen zweiten Teil der "Spore"-Serie nun die Hartgesottenen ansprechen, sprich die hartnäckigen Dauerklicker und Statistikjonglierer.

Das Cover zum Computerspiel "Darkspore": ein dunkles Monster mit leuchtenden Augen und einer Klaue in Form einer Scherenhand.

EA

"Darkspore" von Maxis ist im Vertrieb von EA für PC Windows erschienen.

Zum Spielen ist ein Online-Benutzerkonto auf ea.com sowie eine permanente Internetverbindung notwendig.

Will Wright war im Entwicklerteam von "Darkspore" nicht dabei, dementsprechend einfallslos fällt der Titel in kreativer Hinsicht aus. Hintergrundgeschichte, Charaktere, Grafik und Level Design sind belanglos und austauschbar. Was zählt, ist die Komposition der eigenen Monster, die übrigens aussehen als wären sie von "Pokémon" zur Konkurrenz übergelaufen. Die Figuren kann man im Gegensatz zu "Spore" dieses Mal kaum noch selbst designen, dafür mit den lustig bezeichneten Gegenständen, Zaubersprüchen und ähnlichem Kram ausstatten. Im Spiel selbst wird dann stundenlang - gemeinsam oder alleine - über im Weltraum schwebende Plateaus gelatscht und gekämpft. Einigermaßen geschickt einsetzen können sollte man seine Wesen und deren Fähigkeiten zwar schon, doch was wirklich eingefordert wird, ist Geduld und Zeit. Wer sich dem drögen Gegrinde nicht lange genug hingeben möchte, verdient auch keine raren, wertvollen Gegenstände - so die Philosophie von "Darkspore".

Wäre die Tradition dieses seltsamen Prinzips nicht schon so stark in den Köpfen vieler Spielender verankert, könnte man "Darkspore" als eine uninspirierte Ausnahme der Rollenspielregel abtun. In Wahrheit ist der Titel aber auch die aktuelle Darstellung eines quicklebendigen Computerspielegenres. Immerhin, Games wie "Darkspore" zeigen deutlich die fortschreitende Auffächerung von Videospielkultur. Was für die eine spielende Gruppe eine kaum nachvollziehbare Fadesse darstellt, birgt für andere offensichtlich eine ungebrochene Faszination.