Erstellt am: 20. 5. 2011 - 21:43 Uhr
Journal 2011. Eintrag 102.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit einem Eintrag, den eine Twitter-Nachricht eines Volksvertreters angestoßen hat.
In der Wiener Zeitung wurde letzten Samstag eine große Studie des Linzer Meinungsforschungsinstitut IMAS zum Thema "Werte - Standpunkte - Einstellungen" präsentiert, die nicht unbedingt Resultate zeigte, die unglaublich überraschend sind - allerdings sind sie in ihrer Drastik dann doch wieder verblüffend.
Auch für quasi Angesprochene.
Dazu gehört der Wiener Landtags-Abgeordnete Christoph Chorherr, der einzige österreichische Politiker, der bis dato die neuen Medien in ihrer Praxis kapiert hat, und somit auch der einzige wirkliche Blogger/Mandatar.
Der hat die Wiener Zeitungs-Geschichte quasi embedded und fragt sich erschrocken "Was ist das für ein Land?" Weiter unten findet sich übrigens die Grafik, die das ausgelöst hat.
Das hat nicht so sehr damit zu tun, dass die Gemeinsamkeiten zwischen Anhängern von Grünen und FPÖ viel größer als gedacht waren, (Zitat: "Die Anhänger beider Oppositionsparteien sind im Durchschnitt deutlich jünger, zukunftsorientierter und öfters ledig; sie interessieren sich nur beiläufig für Politik, sind dafür allem Neuen und Modernen gegenüber aufgeschlossen, wollen beruflich weiterkommen und haben Spaß daran, andere von ihrer eigenen Meinung zu überzeugen."), sondern eher mit dem massiven Konservativismus des Durchschnitts-Österreichers und der durch die Überalterung bedingte Nicht-Zukunfts-Orientierung.
Christoph Chorherr steht vor Entsetzen der Mund offen
Denn letztlich liegt es nicht im Interesse der von einem überalteten Klientel strukturierten Regierungs-Parteien da irgendwie aktiv zu werden; vielleicht finden die älteren Wähler den politischen Stillstand ja eh besser als riskante Reformen in heiklen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Finanzwesen. Womöglich ist diese Khol-Blecha-Seitenregierung ja sehr zufrieden mit dem Status Quo.
Ich denke, dass Chorherrs spürbare Sprachlosigkeit auch damit zu tun hat, dass die SPÖ-Klientel als verheerend wertekonservativ, ja reaktionär gezeichnet wird.
Es ist also so, dass Rot-Grün sich im Gegensatz zu Deutschland nicht nur rechnerisch eh nicht ausgeht - man ist auch großteils inkompatibel.
Absurd eigentlich, wenn man etwa Baden-Württemberg mitbedenkt. Andererseits, wenn man sich (des grünen Regierungs-Partners in OÖ) Rudi Anschobers Antwort auf die Frage "Was machen die deutschen Grünen denn besser als die österreichischen?" ansieht (er hat tatsächlich "Nichts." gesagt) dann auch wieder logisch. Wer sich selber derart fehleinschätzt kann auch niemand anderen gewinnen.
Was einigt FPÖ und Grüne?
In den Grundfragen "Stabilität versus Veränderung" ist der logische Partner der Grünen die FPÖ.
Und das ist dann auch wieder ein Grund für akute Sprachlosigkeit. Und dann eigentlich sofort ein Grund neu nachzudenken.
Ich hab Christoph Chorherr auf seine dringende Twitter-Nachricht sich doch bitte mit diesem vogelwilden Resultat zu beschäftigen, etwas zurückgeschickt, was auf den ersten Blick gar nichts damit zu tun hat: das Windhaager Modell, das eine Gruppe von acht oder zehn stinknormalen, politisch unterschiedlich orientierten jungen Menschen entwickelt hat. Hat es irgendwie doch. Denn die dort fast schon zärtlich angedachte Überbrückung der Phase vom Ende der politischen Parteien und dem Übergang zu etwas anderem, was aktuell noch niemand am Radar hat, ist durchaus den einen oder anderen Gedanken wert.
Und so verblödet das jetzt klingen mag: eine Zusammenarbeit zwischen jenen, die sich prinzipiell für Veränderung engagieren, bringt - selbst wenn die aktuellen Vertreter dieser Interessen ideologisch nicht stärker divergieren könnten - immer noch mehr als eine mit den Nichtstuern und Bewahrern.
wiener zeitung