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Ballesterer FM

Artikel aus dem Magazin zur offensiven Erweiterung des Fußballhorizonts.

20. 5. 2011 - 08:45

Eine kleine Geschichte des Frauenfußballs

Seit Frauen vor fast 120 Jahren begannen, organisiert dem Ball nachzujagen, stoßen sie auf Widerstände. Ein Überblick.

Text: Nicole Selmer & Reinhard Krennhuber

Die Geschichte des Frauenfußballs ist gekennzeichnet vom selbstbewussten Kampf um Anerkennung und männlicher Diskriminierung. Ein Überblick über die wichtigsten Meilen- und Mühlsteine.

#1 Vorkämpferinnen: Wohltätige Ladies, Wiener Dianen

Dieser Artikel ist im Fußballmagazin ballesterer.fm erschienen.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des ballesterer.fm

Ab Beginn des 20. Jahrhunderts erfreute sich Frauenfußball in Europa steigender Beliebtheit. Während des Ersten Weltkriegs gründeten sich in England die legendären "Dick Kerr’s Ladies", Wohltätigkeitsspiele fanden vor teilweise 50.000 Zuschauern statt. In der Zwischenkriegszeit nahmen Österreichs Kickerinnen eine Vorreiterrolle ein, 1924 wurde mit Diana Wien der erste Klub ins Leben gerufen. Auch hier gingen Spiele vor mehreren tausend Zuschauern in Szene. In Deutschland gründete Lotte Specht 1930 mit dem 1. DFC Frankfurt den ersten Frauenfußballverein.

die pionirinnen dick kerr

Matthias Marschik:

Dick Kerr's Ladies

#2 Verbote: Platzsperren bis in die 1970er

Auch beim Aufstellen von Hürden für Fußballerinnen kam den Engländern eine Vorreiterrolle zu. 1921 untersagte die FA ihren Vereinen, den Frauen Plätze zur Verfügung zu stellen. 1935 zog der Weltverband nach. In Österreich erfuhr die erste Frauenmeisterschaft im Jahr darauf ein jähes Ende, ehe der Sport von den Nazis gänzlich unterdrückt wurde. In Deutschland, wo ein ähnlicher Boom in der Zwischenkriegszeit ausgeblieben war, schob der DFB dem organisierten Frauenfußball 1955 einen Riegel vor. Aufgehoben wurden die Verbote erst ab Anfang der 1970er Jahre, nachdem die Frauen mit der Gründung eigener Verbände gedroht hatten.

#3 Kalter Kaffee: Kein Geld für den EM-Titel

Die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Deutschland 2011, so der offizielle Titel, findet vom 26. Juni bis 17. Juli in Deutschland statt.

Der Triumph bei der Heim-EM 1989 war für die DFB-Frauen eine wichtige Etappe im Ringen um Akzeptanz und Aufmerksamkeit, auf die Siegesprämie schlug sich das aber nicht nieder. Jede Europameisterin erhielt ein 40-teiliges Kaffeeservice von Verbandssponsor Villeroy & Boch – in 1b-Qualität wohl gemerkt. Offizielle Entschuldigung: Das Auszahlen von Geld sei aus steuerrechtlichen Gründen nicht möglich. Wie sich die Zeiten geändert haben, zeigte sich nach dem WM-Titel der Deutschen 2007, als sich Birgit Prinz und Co. über jeweils 50.000 Euro freuen durften.

ein kaffeservice

Villeroy& Boch

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#4 WM-Premiere: US-Triumph im Reich der Mitte

Erste inoffizielle Turniere hatte die Welt schon vor 40 Jahren gesehen: 1970 luden der europäische Frauenverband FIEFF und Sponsor Martini nach Italien, im Folgejahr war Mexiko Schauplatz eines ähnlichen Events, in dessen Finale zwischen Dänemark und den Gastgeberinnen (3:0) mit 110.000 Fans der bis heute gültige Zuschauerrekord aufgestellt wurde. Schauplatz der ersten FIFA-Frauen-WM war 1991 China. Zwölf Endrundenteilnehmerinnen matchten sich in drei Vierergruppen und anschließenden K.o.-Runden über jeweils 80 Minuten. Den Sieg trugen die US-Frauen davon, die im Finale dank zweier Tore von Michelle Akers mit 2:1 gegen Norwegen die Oberhand behielten.

#5 Blatter & die FIFA: Uneingelöstes Versprechen

Der heutige FIFA-Präsident Joseph S. Blatter sah die weibliche Zukunft des Fußballs schon 1995 bei der WM in Schweden voraus, einige Jahre später legte er noch eine Vision nach: 2010 werde der Frauenfußball ebenso wichtig sein wie jener der Männer. Die präsidiale Kristallkugel hat wohl einen kleinen Sprung, denn was mediale Aufmerksamkeit und ökonomische Bedeutung angeht, spielen Frauen weiterhin in der zweiten Liga. Eine weitere Zukunftsaufgabe für Blatter und den Weltverband: das unausgeschöpfte Potenzial an Trainerinnen, Managerinnen und Funktionärinnen.

#6 Barbie: Auf staksigen Beinen ins Kinderzimmer

Der ultimative Beweis, dass Fußball und Frausein vereinbar sind: Barbie, die Ikone weißer Weiblichkeit, als Fußballerin. Für zwei Unikate dienten vor der WM in Deutschland Birgit Prinz und Silvia Neid als Vorbild, die Verkaufs-Barbie trägt dagegen die klassisch blonde Wallemähne. Ob die Plastikpuppe mit den staksigen Beinchen wirklich die Richtige für junge Kickerinnen ist, bleibt abzuwarten. Zur WM 1999 stand Mia Hamm bereits Modell für eine Fußball-Barbie. Ihr "All American Girl"-Style passte um einiges besser zum Image des Mattel-Klassikers als die latente Grimmigkeit von Birgit Prinz, ein Verkaufsschlager wurde allerdings auch die Soccer-Barbie nicht.

eine blonde, langharige fußball-barbie-puppe

Matell

#7 Lira: Flüchtlingskind im Nationaldress

Die Geschichte von Fatmire "Lira" Bajramaj ist wie gemalt: Mit ihrer Familie kam sie als Kind aus dem Kosovo nach Deutschland, spielte zunächst heimlich Fußball und schaffte später den Sprung ins Nationalteam. Auf dem Platz ist ihre Technik das große Kapital der Mittelfeldspielerin, für die Medien ist es ihre Vorliebe für Kosmetik und Mode. Dass Nike sich Bajramaj für eine Kampagne ausgewählt hat, erscheint nur konsequent. In "Lira’s Manifest" spricht sie vor den Kulissen von Vorortghettos über Mädchen an der Macht, den Platz als Laufsteg und das Vorbild der "Chefin in Berlin". "Make yourself" lautet das Motto – Lira hat’s geschafft.