Erstellt am: 20. 5. 2011 - 12:15 Uhr
Ein Sommer im Kino (1)
Teil 1 der Filmvorschau für den Sommer
Da sitzen wir, im Gastgarten unserer Wahl, und plaudern über die zahlreichen Momente in den nächsten Monaten, die wir in der klimatisierten Dunkelheit verbringen werden. Wir, das sind Filmspion Joel Kairo, der sich nach ewiger Abwesenheit wieder hier kurz zurückmeldet und meine Wenigkeit und wir wollen euch auch gar nicht mit langen Einleitungen quälen...
J'ai tué ma mère (I Killed My Mother), Kanada 2009
Christian: Beginnen wir mit einem Statement der jungen Hauptfigur. "Für die meisten Menschen ist es eine Sünde, ihre Mutter zu hassen", sagt Hubert Minel. "Das sind für mich Heuchler. Sie haben ihre Mutter bestimmt auch mal gehasst. Vielleicht eine Sekunde, vielleicht ein Jahr. Vielleicht länger, vielleicht haben sie's vergessen, ist mir egal. Aber sie haben sie gehasst." Ein Film über einen Burschen, der seine Mutter verabscheut, ihre Klamotten, ihren Einrichtungsgeschmack, alles. Ein kontroverses Thema, angeblich sehr lakonisch verpackt, von einem kanadischen Regie-Shootingstar.
Joel: Wenn einer mit 17 ein Drehbuch schreibt, dass er mit 19 mit sich selbst in der Hauptrolle verfilmt, drängt sich natürlich der Begriff "Wunderkind" auf. Wenn Xavier Dolan allerdings auch nur annähernd so nervtötend anstrengend und ironiefrei von seiner eigenen Genialität überzeugt ist wie seine Figur Hubert Minel, möchte ich ihm eher nicht begegnen.
C: Der egozentrische Bub, der ja auch so hübsch aussieht wie von den Machern des Vice-Magazins erfunden, zieht natürlich die strenge Kritik beinahe an. Aber ich habe ein Herz für arrogante Hipsterkinder, die das Schnoferl hochziehen. Und muss mir jetzt endlich mal die Werke von Monsieur Dolan erschließen.
J: Wobei man überall auch von Höllenspaß über den Film gelesen hat.
C: Genau. Und "Heartbeats", sein Nachfolgefilm, klingt noch besser, das ist wirklich die schnöselige Hipster-Alarmstufe-Rot, ein Film, dessen Trailer laut "Pop" schreit, im deutschsprachigen Raum kriegt sowas keiner auf die Reihe, da enden solche Jugendkulturfilme meistens peinlich.
Start: 10.6.
Filmladen
The Tree Of Life (USA 2011)
C: Wenden wir uns den ernsten Dingen zu. Terrence Mallick hat 1973 das Wunderwerk "Badlands" gedreht, einen meinen allerliebsten Filme ever, viel mehr braucht es nicht zur Heiligsprechung. Ich erwarte mir von ihm nun den Sinn des Lebens erklärt zu bekommen, nicht mehr und nicht weniger.
J: Man schreibt, er erzählt uns von der Unmöglichkeit, die menschliche Existenz mit der Harmonie der Natur in Ordnung zu bringen.
C: Obwohl, muss ich ja einwerfen, wenn ich mir die sehr verschwurbelte Naturmystik seiner letzten Werke anschaue und dazu die Verklärung des sogenannten einfachen, simplen Lebens, dann bin ich mir diesbezüglich nicht ganz sicher. Vielleicht erklärt uns dann doch erst Lars von Trier im September das Sein und Bewusstsein, mit seinem pessimistischen Weltuntergangsepos "Melancholia."
J: Wenn Herr Mallick alle heiligen Zeiten aus der Versenkung auftaucht und einen Film dreht, diesen dann fünfmal zurückzieht, um ihn umzuschneiden, ist das ja fast schon Ereignis genug. Der erste Trailer hat mir dann wieder mal verdeutlicht, warum sich der Mensch das an und für sich nutzlose Phänomen "Gänsehaut" aus der Urzeit bewahrt hat. Da nehm ich verschwurbelte Naturmystik gern in Kauf, auch wenn ich hierbei auf Werner Herzogs Seite bin, der in der Natur "Feindseligkeit, Chaos und Mord" sieht.
Start: 17.6.
Filmladen
The Lincoln Lawyer (Der Mandant), USA 2011
C: Matthew McConaughey spielt einen gerissenen, aber verarmten Strafverteidiger in L.A, dessen Kanzlei eine Lincoln-Limousine ist. Obwohl er eigentlich auf Underdogs spezialisiert ist, erklärt er sich aus monetären Gründen bereit, den Sprössling einer reichen Familie zu verteidigen. Und gerät dabei prompt in eine Verschwörung. Der Trailer sieht sehr durchschaubar, berechenbar, gelackt aus. Außerdem frage ich mich: Gibt es einen tollen Matthew McConaughey Film? Mir fällt auf die Schnelle grad keiner ein.
J: Bis vielleicht auf "Frailty" gibt es vermutlich auch keinen. Aber nach Flops wie "Fool’s Gold" und "Surfer Dude", die selbst auf der McConaughey-Skala im Minusbereich angesiedelt waren, soll es sich beim "Lincoln Lawyer" zumindest um solide Genreware handeln, bei der McConaughey überraschend gut sein soll. Bin trotzdem skeptisch und erwarte mir nur more of the same.
Start: 24. 6.
Bad Teacher, USA 2011
C: Filme, deren Charaktere ein plakatives "Bad" im Titel haben, sind oft ziemlich gut. Ich verweise jetzt nur auf "Bad Santa" oder gar die beiden suberben "Bad Lieutenant"-Streifen. Wenn der Kurzinhalt dieser kleinen Cameron-Diaz-Komödie "Lehrerin hasst ihre Schüler und macht viel lieber Party" lauten könnte, dann ist das prinzipiell auch sympathisch. Allerdings könnte die deutsche Synchro wieder vieles kaputt machen. Ich bin strikter Originalfassungs-Diktator, vor allem bei US-Comedys.
J: Ja, bei Komödien ist der Unterschied zur Synchronfassung am eklatantesten. Besonders wenn bad language zu übersetzen ist, wirkt es aufgrund der unterschiedlichen Fluchkultur in der deutschen Fassung immer eine Spur vulgärer. Mein eigentliches Problem ist es allerdings, dass ich der Diaz den "Bad"-Teil ihrer Rolle nicht abnehme. Das wirkt mir zu aufgesetzt. Pluspunkte gibt es natürlich wie immer für den grandiosen Jason Segel.
C: Jason Segel gehört bedingungslos verehrt, keine Frage. Hab ihn aber auch schon lange in keinem guten Film gesehen.
J: Einfach zwischendurch ein paar Folgen "How I met your mother" schauen.
Start: 24.6.
Sony
Mr. Popper's Penguins, USA 2011
C: Jim Carrey als biederer Geschäftsmann, der auf sechs computeranimierte Pinguine trifft, die sein Leben auf den Kopf stellen, das würde ich mir freiwillig nicht anschauen.
J: Ach, verregneter Sonntagnachmittag mit den Kindern auf dem Sofa, dann geht sowas schon und man kann es sich trotz aller Vorhersehbarkeiten, Moralindoktrinierungen mit dem Holzhammer und der Grimassen von Mr. Carrey ansehen. Man wird jedoch nichts versäumen, wenn man es nicht tut.
C: Mit Kindern auf der Couch kann ich jetzt nicht dienen, aber vielleicht setze ich mich bei auch mal dazu, allerdings dann bitte zu beiden unterschätzten "Schweinchen Babe"-Filmen im Doublefeature.
J: Be my guest. In dem Fall ist aber sogar die österreichische Synchrofassung erlaubt.
C. Na ich weiß nicht, Otto Schenk. Übrigens, es gibt es zumindest einen sensationellen Jim Carrey Film, ich rede natürlich von "Eternal Sunshine Of The Spotless Mind". Fällt dir noch einer ein?
J: Die Andi Kaufman Geschichte "Man on the moon" war schon auch sehr fein.
C: Hatte ich vergessen, stimmt, mit Courtney Love, die ich auch wieder gerne in einem Film sehen würde, aber lassen wir das.
Start: 24. 6.
Centfox
Honey 2, USA 2011
C: Im ersten Teil der Tanz-Tragikomödie "Honey" durften die Zuseher Jessica Alba dabei zusehen, wie sie mittels ausgefeilter Choreografie einen Ausweg aus einer tragischen Existenz findet. Jetzt wiederholt sich die Geschichte mit der jungen Katerina Graham, die im Tanzen einen neuen Halt im Leben findet. Nur ein Wort dazu: Angst.
J: Wenn du es niemanden verrätst, gebe ich zu, dass ich von den akrobatischen Einlagen dieser Art von Streetdancern schon teilweise beeindruckt bin. Aber da kann man getrost "zufällig" beim Zappen bei "America’s best dance crews" hängen bleiben, und muss sich nicht die aus Dailysoap-Schreibprogramm herüberkopierte Rahmenhandlung antun.
Start: 30.06.
Larry Crowne, USA 2011
C: Du liebe Güte, das (Alb-)Traumpaar Tom Hanks und Julia Roberts trifft erstmals auf der Leinwand kuschelnd aufeinander. Nein, spielen wir das Spiel jetzt nicht weiter, mir fällt gerade auch kein Tom-Hanks-Knaller ein, aber einige sehr solide Roberts-Filme. Der Trailer hier verheißt jedenfalls Verheerungen im Genre der romantischen Komödie, das zu Unrecht als Gesamtes einen miserablen Ruf hat.
J: Jössas, und wenn das Drehbuch zudem vom nächsten Albtraumpaar Tom Hanks und Nia Vardalos stammt, kann man wenigstens zu 100% sicher sein, dass es keine einzige Überraschung im Film gibt und er sich keinen Millimeter von längst ausgetretenen Pfaden bewegt.
C: Wer ist nochmal Nia Vardalos? Was hat die oder der verbrochen?
J: Unter anderem "My Big Fat Greek Wedding", der im Vergleich zu ihren Folgefilmen allerdings fast schon wie ein Meisterwerk wirkt.
C: The horror, the horror. Ich glaube, Hanks und Roberts mag ich zusammen nicht mal in einem selbstzerfleischenden Dogma-Beziehungsdrama sehen, obwohl das noch ein Ansatz wäre. Mir fehlt Meg Ryan hier, würde eine gute Menage á trois abgeben.
Start:30. 6.
Kinowelt
Transformers 3: The Dark side of the Moon, USA 2011
C: Feldherr Michael Bay zieht ein drittes Mal in die Spielzeugschlacht, ausgiebig unterstützt von der US-Army. Gerade weil ich an kluges, aufwühlendes und gigantomanisches Blockbusterkino glaube und Cameron, Raimi oder Nolan verehre, atmet die Transformers-Reihe für mich den Hauch des Bösen.
J: Sehe ich ganz genauso. Blockbuster-Kino, das nicht vollkommen verblödet ist, ist möglich, was die von dir zitierten Herren beweisen. Und dem scheinbaren Totschlagargument "Man wird sich doch mal unterhalten und dabei das Hirn ausschalten dürfen", das lustigerweise immer nur von denen gebracht wird, die es eh auch sonst nie anschalten, würde ich gerne den Wind aus den Segeln nehmen.
C: Ich bin ja alles andere als ein moralsicherer Mensch, ich strauchle ständig und bin der dunklen Seite der Macht nicht abgeneigt. Aber die Konfrontation mit Michael Bay treibt auch mich an meine Grenzen. Ich frage mich, wie geht man denn als Erziehungsberechtigter damit um, wenn die lieben Kleinen süchtig nach "Transformers" werden?
J: Sofort eine DNA Probe veranlassen! Aber angeblich hat man sich beim dritten Teil um mehr Substanz bemüht. Trotz großer Skepsis bin ich gewillt, mich überraschen zu lassen. Tricktechnisch verspricht der neueste Trailer zumindest state of the art zu sein.
C: Da hast du schon recht. Also rein ins Getöse, mein Hirn bleibt aber an.
Start: 1.7.
Paramount
Hævnen (In einer besseren Welt), Dänemark/Schweden 2010
C: Wir sprechen hier bis jetzt nur über Hollywood-Gülle, fällt dir das auf? Ist das der sommerliche Kulturimperialismus-Overkill der Verleiher oder sind wir beide durch unsere Sozialisation einfach hoffnungslos angloamerikanisiert?
J: Sowohl als auch. Die europäischen und asiatischen Perlen kommen bei mir meist per Blue Ray und DVD, also leicht verspätet zum Zug.
C: Jedenfalls setze ich jetzt einen dänischen Film entgegen, der aber auch gleich einen Auslands-Oscar bekommen hat. Susanne Bier hat schon einige nicht unspannende Streifen gedreht, diesmal geht es um einen Arzt, der in zwei verschiedenen Welten lebt. Jedes Jahr arbeitet er für einige Monate in einem Flüchtlingscamp in Afrika, die restliche Zeit verbringt er zuhause in der dänischen Provinz. Die Schrecken der Globalisierung, die Armut und das Elend prallen mit der ländlichen Idyllle aufeinander.
J: Das klingt nach typischen Susanne Bier Themen und daher mehr als spannend. "Brødre" fand ich damals extrem gelungen. Aber auch den habe ich erst auf DVD gesehen.
Start: 1.7.
Les petits mouchoirs (Kleine wahre Lügen), Frankreich 2010
J: Schnell noch ein französischer Film drauf, bevor wir uns im zweiten Teil dieser Plauderei noch viel mehr Hollywood-Unfug widmen. Es geht um einen Haufen Freunde, die gemeinsam in den Urlaub fahren, inklusive diverser gruppendynamischer Spiele. Trotz des flockigen Trailers ist wohl eher nicht mit Klamauk zu rechnen, vielmehr kippt der Film schnell ins Drama und beschäftigt sich in über 150 Minuten mit Beziehungen und deren Kompliziertheit.
C: Möchte ich unbedingt sehen, nicht nur wegen Regisseur Guillaume Canet, der ja selber als Schauspieler ein Sympathieträger ist. Sondern vor allem wegen der wunderbaren Marion Cotillard, die hier als kiffende Schönheit im Zentrum des Geschehens steht. Das könnte inhaltlich auch die bissigere Antwort auf schnarchnasigen amerikanischen Freunde-fahren-in-den-Urlaub-Klamauk wie "Couples Retreat" oder "Grown Ups" sein.
J: In diesem Sinn urlauben wir jetzt auch ein bis zwei Tage, bis das Sequel zu dieser Sommerkinovorschau ansteht.
Start: 8.7.
Tobis Film
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