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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

18. 5. 2011 - 13:56

Eurovision Shoppingcity

Ell und Nikki werden in den folgenden Wochen Rihanna, Shakira und Jay Z im Lugnercity-Radio Gesellschaft leisten. Ob sie das zu Weltstars macht, bezweifele ich.

Der Eurovision Song Contest ist entschieden. Die Playlist des Lugnercity-Radiosenders wird um einen neuen Song erweitert. Der spielt eine Scheibe mit zwanzig Hits den ganzen Tag rauf und runter. Vielleicht ist es ganz nett, beim Schieben des Einkaufswagens zur neuen Nummer von Shakira abzushaken. Beim Anprobieren einer Hose ist es sicher cool, Evergreens wie "Wonderwall" oder "Gangsters Paradise" leise mitzusingen. Wenn man aber den ganzen Tag im Einkaufscenter verbringt, wird man langsam wahnsinnig.

Manchmal kommt mir die Lugnercity-Musik wie nordkoreanische Propagandalieder vor. Ich glaube, die armen Nordkoreaner fühlen sich ähnlich, wenn sie sich den ganzen Tag Hymnen über den ewigen Führer anhören müssen. Im Soundtrack der Shoppingmalls wird aber statt Kim Il-Sung eine Gottheit aus Neon und Silikon angebetet. Ab dieser Woche gehören auch Ell und Nikki aus Aserbaidschan zum Lugnercity Musikrepertoire.

Eldar Kasimov und Nigyar Djamal (Ell/Nikki)

EPA

Ell/Nikki

Den Eurovison Song Contest haben sicherlich andere vor mir besser analysiert. Trotzdem wage ich zu sagen, dass der Gewinnersong einige Wochen, vielleicht sogar ein paar Monate in den Medien präsent sein wird und danach werden sich wenige an Ell & Nikki erinnern. Bis zum nächsten Song Contest in Baku, auf den ich unglaublich gespannt bin. Wegen der "Balkanmafia" war Österreich ein paar Jahre nicht im Wettbewerb. Heuer meldeten sich die Österreicher mit einem Whitney-Houston-Double zurück. Damit ihr Auftritt von der Balkanmafia nicht gestört wird, sind sie selbst der Balkanmafia beigetretten. Der Jugosuperstar Dino Merlin bekam aus Österreich 12 Punkte.

Bulgarien ist schon wieder nicht über das Halbfinale hinaus gekommen. In meinem Heimatland ist der Vorentscheid für den Eurovision Song Contest so diskreditiert, dass ernsthafte Künstler gar nicht mehr mitmachen. Erst seit 2005 ist Bulgarien dabei. Anstatt selber aufzutreten erzählte einer der Kandidaten beim ersten bulgarischen ESC-Vorentscheid, der bekannteste bulgarische Showmaster Slavi Trifonov, dass sich die Gewinnerband den Sieg mit einem Handywertkartenbetrug erkauft hat. Beim zweiten lokalen Finale in Bulgarien kam es schon wieder zu einem Korruptionsskandal. Um neue Ausschreitungen zu vermeiden kam es sogar letztes Jahr dazu, dass eine Jury über den bulgarischen Song Contest Teilnehmer entscheiden musste. Die Zuschauer durften sich nur eine von fünf Kompositonen des Sängers Miro aussuchen, über dessen Talent man streiten kann.

Poli Genova

EPA

Poli Genova

Der Song der diesjährigen bulgarischen Vertreterin Poli Genova war nicht besser und auch nicht schlechter als die meisten anderen. Nur die toupierten Dänen fand ich mit ihrer "Save the world" Popballade zum Kotzen. Es ist unehrlich, auf Greenpeace zu machen und gleichzeitig mit Unmengen von Haarfestiger das Ozonloch zu vergrößern. Überhaupt hatten U2 bei dem diesjährigen Song Contest einige Nachfolger aus Skandinavien, während die Osteuropäer bei der guten alten Liebe blieben. Das Bühnenbild, die Effekte, sowie die Vorstellungsfilmchen der Länder waren großartig. Die Azeren müssen nächstes Jahr jede Menge Ölgeld ausgeben, um die High-Tech-Show aus Düsseldorf zu übertreffen.

Ell & Nikki werden in den folgenden Wochen Rihanna, Shakira und Jay Z in der Lugnercity Gesellschaft leisten. Ob sie das zu Weltstars macht, bezweifele ich. Ihr Song ist weder besser, noch schlechter als die neuen Hits der oben aufgelisteten US-Popidole. Ich habe bisher alles ausgehalten ohne Amok zu gehen, ich schlucke auch den neuen ESC-Gewinner-Song.