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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

17. 5. 2011 - 21:52

All Die Young

Smith Westerns stellen mit "Dye It Blond" das FM4-Album der Woche.

Beatles? Nein. Suede? No. T-Rex? Auch nicht. Smith Westerns? Yep.

Saverio Truglia

Wir mögen denken, dass alles schon einmal da war, dass sich alles wiederholt, dass man das alles schon einmal gehört hat, dass man selbst das "über das gehört haben" schon zu oft gehört hat, dass alles tot ist. Das wäre schön, dann könnte endlich Ruhe sein. Dabei ist man doch nur selbst müde und möglicherweise etwas zu erfahren.

FM4 Album der Woche

Also lasst euch streicheln Romantik und Pathos: Bitte süßer Vogel Jugend, sing, trällere, pfeif es von den Dächern, lass dich nicht einfangen und in einen Käfig sperren, zartes Vöglein, zerupfter Rabe, stolzer Adler. Und vor allem: krakele wie es dir passt und alles Schlechte wird gut und alles Gute wird besser. Zumindest für den Augenblick. Aber darum geht es ja auch, ist es immer gegangen. "All Die Young", singen Smith Westerns und wissen womöglich gar nicht, was sie da eigentlich tun. Das ist das ewige Privileg der Jungvorderen.

Smith Westerns

Christian Lehner

Max Kakacek, Cullen und Cameron Omori

Jetzt sitzen sie mir gegenüber, die Smith Westerns, in einem abgerockten Club in Washington, DC. Ich könnte nicht nur ihr Vater sein, die drei mustern mich auch skeptisch, als ob ich eine zu verachtende Erziehungsinstanz wäre. Einerseits. Andererseits ist ihnen das alles furchtbar peinlich. Der schäbige Club, der zerkrachte Tourbus, aus dem sie eine Stunde zuvor wie schmucke Zombies gestiegen sind. Alles, was zurückliegt, ist irgendwie "shitty", ein Wort, das Sänger Cullen Omori inflationär gebrauchen sollte, die kommenden zwanzig Minuten Einsilbigkeit.

In einer anderen Zeit wären Smith Westerns womöglich für ewig der Lo-Fi/Rock’n Garage/DIY Act geblieben, als der das Gründertrio in Chicago angefangen hat. Cullen und sein Bruder Cameron wussten noch nicht einmal, wie man eine E-Gitarre einsteckt, als sie mit ihrem High School Buddy Max Kakacek die Band mit dem verstimmt knalligen Namen gründeten. Man war 15, durfte in keine Clubs, wollte cool sein, Musik machen, hing mit älteren Nichtsnutzen und deren Plattensammlung ab. Rock. Alle Dekaden. Mindestens bis 1999.

Smith Westerns

Fat Possum Rec

Aber man ist nun mal nicht in einer anderen Zeit und so wird aus dem Fun-Act schnell eine Nummer zwischen Hypeblase (No. 1 in den Billboard Heatseaker Charts) und prekärer Realität post-Tonträgerindustrie, wie sie sich derzeit für das Gros der Nachwuchsacts darstellt (selbstredend ist bereits Musik an Werbung lizensiert).

Die von der Bloggeröffentlichkeit gut dokumentierten Eskapaden im Rahmen der ersten Auftritte gehören vorerst der Vergangenheit an. Jetzt wird gerackert, Disziplin gezeigt und durchs ganze Land getrosst, wenn es sein muss auch in eineinhalb Tagen von NY nach Washington, zurück und natürlich immer weiter.

Ob das noch Spaß macht? Na klar! Irgendwie. Immerhin hat man sich erst letztes Jahr dazu entschlossen, das Studium abzubrechen und es mit der Musik zu probieren.

Rock And Roll Hotel, Washington DC

Christian Lehner

Die drei an Gitarre, Stimme und Bass (Drummer Hal James wird seltsamerweise nicht als offizielles Bandmitglied geführt) sind klarerweise talentiert, können Songs schreiben und mittlerweile auch ihre Instrumente passabel bedienen. So weit, so pflichtschuldig. In Sachen Biografie ist vielleicht noch erwähnenswert, dass Smith Westerns auf ihrem Weg ins Popwonderland einen Zwischenstopp in good ol Austria eingelegt haben. 2009 veröffentlichte das österreichische Kleinstlabel Bachelor eine Split 7inch, deren Flipside einen Song der Kanadier Dead Ghosts sportet.

"Das ist so lange her, da kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern", sagt Cullen und erneut scheint ihm das peinlich zu sein. Fünf Jahre können tatsächlich wie eine Ewigkeit anmuten, wenn sie ein Viertel des Lebensalters ausmachen. Vom rumpeligen und sehr charmanten Lo-Fi Krachen und Kreischen des namenlosen Debüts ist nicht mehr viel zu hören auf dem Nachfolger "Dye It Blonde". Was früher, als man jede Rille einer Platte zusätzlich mit Konzept und Ideologie anreicherte, eventuell als Sell-Out oder Verrat an der DIY-Sache gesehen hätte, ist heute und in den Augen von Smith Westerns konsequente Weiterentwicklung ohne Brüche.

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Mit der Fähigkeit zu spielen, hat sich auch der Sound geändert. Zwar rühren Smith Westerns ihren Hormoncocktail noch immer mit den Grundzutaten Glam und 60ies Rock an, doch der Wechsel vom Dachboden in ein Tonstudio mit Chris Coady an den Reglern (YYYs, Zola Jesus, TV On The Radio) hat hörbare Spuren hinterlassen. Smith Westerns klingen jetzt huge und stellenweise wie die Neusichtung dieser Genres in den 90ern, also wie Britpop. Und weil man das alles nicht selbst erlebt hat, kann und darf man es ungeniert interpretieren, so dass es erst recht wieder zu einem Kind der Zeit wird.

Rock And Roll Hotel Washington, DC Smith Westerns

Christian Lehner

Thematisch kreisen Songs wie "All Die Young" oder "End Of The Night" um den ewigen Sehnsuchtsort des Pop, die Jugend, das Jungsein, also einem einsturzgefährdetem Haus, weil mittlerweile alle darin wohnen wollen. Aber keine Angst lieber Teenage Fanclub, Smith Westerns seufzen, hauchen und schmachten sich derart ungeniert in die Träume künftiger Ehefrauen, dass man vom Privileg und der Bürde des Jungseins und nicht sich "jung fühlens" sprechen muss. Dieser Unterschied ist wichtig, denn Papa und Opa haben ohnehin ihren T-Rex, Oasis und die Beatles. Die brauchen Smith Westerns sicher nicht und könnten das so auch gar nicht aushalten. Für die ist das aber auch nicht geschrieben. Mit denen will man auch nicht händchenhaltend in den Sonnenuntergang spazieren.

So, und da sitzen sie mir also gegenüber und wollen ihr Jungsein nicht mir mir teilen, wollen es trotzig mit einsilbigen Antworten beschützen, weil es dadurch abfärben, ausbleichen und an Glanz verlieren könnte. Ich will es ihnen auch gar nicht wegnehmen. Aber das wissen sie nicht und sie wollen es nicht einmal ahnen. Sicher ist sicher.