Erstellt am: 17. 5. 2011 - 23:33 Uhr
Fußball-Journal '11-39.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einem neuerlichen Beitrag zur anstehenden U20-Weltmeisterschaft in Kolumbien, dem wohl deutlich wichtigsten Ereignis, an dem ein ÖFB-Team in den nächsten Jahren beteiligt sein wird. Diesmal aus Anlass einer Kader-Bekanntgabe.
Es gibt einiges, was schmerzhaft ist für U20-Teamchef Andreas Heraf dieser Tage. Zum Beispiel die Tatsache, dass er einige Akteure, die er gern dabeigehabt hätte bei der WM in Kolumbien, nicht bekommen wird und sie schon nicht einmal für den heute bekanntgegebenen Groß-Kader nominieren konnte. Georg Teigl fehlt, zuletzt Shooting Star bei Moniz neuen Salzburgern, ebenso wie Offenbacher und Meilinger. Oder Florian Kainz, der zuletzt wieder ungeheure Talentproben bei Sturm Graz zeigte.
Ich hab mir zwar denken können, warum das so ist, aber dann doch beim ÖFB nachgefragt; und dann plötzlich Heraf am Rohr gehabt.
Ich habe zwar das Gefühl, dass er die Gründe gar nicht so sehr hochkochen/spielen will, weil er vom Goodwill der Vereine abhängig ist - aber seine Schmerzen sind spürbar.
Von Salzburg etwa hätte er gern vier Akteure gehabt: den schon U21-fitten Martin Hinteregger und dazu die schon in der U19-Truppe, die sich ja für die WM qualifiziert hatte, aktiven Teigl/Meilinger/Offenbacher. Und Salzburg, dieses Bollwerk der Lippenbekenntnisse, diese künftig so jugendlich ausgerichtete Ausbildungsstätte, dieser Verein, der sein Tun offiziell so sehr zum Wohl des österreichischen Fußballs ausrichtet, mit Heinz Hochhauer auch ein bewusstes Aushängeschild in dieser Richtung hat, dieses Red Bull Salzburg hat sich auf den Minimal-Status zurückgezogen; und gibt genau einen Spieler frei.
Das ist erbärmlich.
Schmerzhafte Behinderungen durch die Vereine
Das sind die 24 Burschen, die ins Trainingslager in Salzburg und dann Malaga (vom 29.5. - 8.6.) einrücken werden:
Tor: Samuel Radlinger (Ried/St. Florian), Philipp Petermann (Pasching), Christian Petrovcic (DSV Leoben), Christoph Riegler (St. Pölten).
Verteidigung: Michael Schimpelsberger (Rapid), Martin Hinteregger (Salzburg), Emir Dilaver, Lukas Rotpuller (Austria), Richard Windbichler (Admira), Bernhard Janeczek (Gladbach), Lukas Rath (Mattersburg).
Mittelfeld: Tobias Kainz (Heerenveen), Patrick Farkas (Mattersburg), Christian Klem (Sturm), Robert Gucher (Kapfenberg), Raphael Holzhauser, Kevin Stöger (Stuttgart), Marcel Ritzmaier (PSV Eindhoven), Daniel Schütz (Altach), Marcel Ziegl (Ried).
Angriff: Marco Djuricin (Hertha), Radovan Mitrovic (Emmen), Andreas Weimann (Aston Villa), Robert Zulj (Ried).
Verletzt, aber noch im Kader-Rennen sind: Gernot Trauner (LASK), Christoph Knasmüllner (Inter) und Alexander Aschauer (Stuttgart). Keine Freigabe haben aktuell Aleksandar Dragovic (Basel) und David Alaba (Hoffenheim/Bayern) bekommen, sie sollen aber jedenfalls dabei sein.
Auf Abruf sind Günther Arnberger (Austria); Mahmud Imamoglu (Vienna), Matthias Maak (Neustadt), Marco Meilinger (Salzburg), Philipp Huspek (Ried), David Jelenko (Altach), David Oberortner, Andreas Tiffner (Austria), Maximilian Sax (Admira).
Out sind Georgh Blatnik (Rapid), Florian Kainz (Sturm), Georg Teigl, Daniel Offenbacher (Salzburg), Christian Pauli (Osnabrück) und Manuel Sutter (St. Gallen).
Aus disziplinären Gründen verzichtet Heraf auf Christian Hierländer (Salzburg), Marcel Büchel (Juventus), Kevin Krisch (Werder). Draußen auch Richard Strebinger (Hertha), Lorenz Höbarth, Florian Maier (LASK), Christian Bubalovic (Cottbus), Dominik Burusic (Bayern), Rafinha (Toledo). Philipp Prosenik (Chelsea) ist verletzt, Moritz Leitner (bald Dortmund) ist leider Deutscher geworden.
Muhammed Ildiz ist zwar aktuell verletzt, war aber - zu meinem großen Erstaunen - nie ein seriöses Thema für die U19/U20.
Das U20-Team ist (logischerweise) das U19-Team, das sich im Vorjahr bei der EM für die WM qualifiziert hat, es entspricht eigentlich dem Jahrgang 1991, es sind aber einige 92er dabei (denn das ist der beste Jahrgang seit vielen Jahren, sind sich die Experten einig) und sogar einige mit Geburtsjahr 93.
Der ÖFB hatte in durchaus umfassenden Vorgesprächen mit der Präsidentenkonferenz der Liga-Vereinen die Abstellungs-Probleme für diese einmalige U20-WM-Teilnahme abgesprochen. Die SV Ried, die mehr als drei Akteure stellt, hat jegliche Hilfe versprochen; der SV Mattersburg, der mit Rath und Farkas zwei wichtige Säulen abstellen müsste, hat sich - im Gegensatz zur jüngeren Vergangenheit, wo man sich diesbezüglich eher provinziell anstellte - ebenso in den Dienst der Sache gestellt. Salzburg hingegen zieht sich auf das Nötigste zurück.
Heraf hatte die Wahl und die fiel auf Hinteregger - nachvollziehbar, weil in der Abwehr die Personaldecke am Dünnsten ist.
Ähnlich ist das bei Sturm Graz: auch dort stellt man gern einen Jungen (Christian Klem) und ungern einen zweiten (Florian Kainz). Wobei hier offenbar auch der Nachdruck von Heraf gefehlt hat. Ich kanns nicht nachvollziehen, Kainz war in all seinen Bundesliga-Einsätzen dieser Saison ein Ereignis. Die Spiele, die Heraf gesehen hat, waren nicht so toll, sagt er. Das werden dann wohl nicht die Bundesliga-Spiele gewesen sein, die ich gesehen habe. Aus Herafs diesbezüglich ausweichender Antwort werde ich nicht so recht schlau.
In jedem Fall hat er, allen Schmerzen zum Trotz, heute den Kader für das Trainingslager nominiert (nebenstehend ist der in allen Details zu lesen), das zuerst in Salzburg und dann in Malaga stattfinden wird.
Ohne Alaba und Dragovic, mit denen er aber fürs Turnier durchaus rechnet.
Für heimische Verhältnisse wird ein hübscher Aufwand betrieben, die Vorbereitungen sehen durchaus überlegt aus. Dass Heraf trotzdem davon spricht, dass er sich vorstellen kann über die kürzeste Vorbereitung aller (zumindest europäischer) Teilnehmer zu verfügen, zeigt mir, dass auch er nicht zufrieden ist; wenn wir schon von Schmerzen reden.
Schmerzhafte Kritik in den wenigen Netz-Medien
Und dann erfahre ich auch, warum der U20-Teamchef eine eher banale Frage an die Pressestelle nach dem Warum von Teigls/Kainzens Abwesenheit zum Anlass für einen Rückruf genommen hat: weil ihn die Kritik, die ihm hier seit einiger Zeit entgegenweht, schmerzt - was er dann, kontrolliert und subtil, auch anspricht.
Zuerst wundere ich mich kurz drüber, dass ein ÖFB-Verantwortlicher sich mit etwas Neumodischem wie einem Blog überhaupt auseinandersetzt - dann wird mir aber schnell klar, warum das so ist. In Österreichs Mainstream-Medien existieren die Jugendnationalmannschaften abseits der aus der APA gecopypasteteten Kürzest-Berichte gar nicht. Vielleicht grade einmal die U21, wenn dort Herzog, Arnautovic oder Eto'o's Bentley mitspielen. Oder, wenn ein Agent über einen befreundeten Journalisten ein als Artikel getarntes Inserat aufgibt. Oder, wenn ein Länderblatt den Weg eines Local Hero begleitet. Also allesamt substanzloses Zeug, Spektakel-Unfug anstelle ernsthafter Beschäftigung.
Wären da nicht ein paar Netz-Portale (führend ist hier laola1.at zu erwähnen) und ein paar Fernseh-Übertragungen, die ÖFB-Nachwuchs-Teams würden öffentlich nicht existieren; die sind den hiesigen Sportmedien einfach so wurscht wie nur was. Wenn sich dann jemand wie ich laufend damit beschäftigt, dann kann man das scheinbar gar nicht übersehen. Da die Berichterstattung im Netz tendenziell kritischer ist, als der Fußball-Bereich das gewohnt ist, weil hier das Haberer-Umfeld des Sich-Nicht-Wehtuns im Old-Media-Bereich fehlt, ist der Herafsche Schmerz durchaus nachvollziehbar. Würde sich nämlich eine halbwegs seriöse Medienlandschaft um ihren Job kümmern, wäre auch die Bandbreite der Rezeption breiter; das würde die Kritik neutralisieren.
Wenn es allerdings, so wie bei uns, rein gar nichts gibt, tja...
Der Schmerz über uneinschätzbare Panamesen
Ich bin durch Herafs Einsatz jetzt ein wenig in der Zwickmühle.
Denn er hat das gesamte Gespräch über nichts gesagt, was ich zum Anlass für eine kritische Anmerkung nehmen könnte. Und das wäre eine durchaus leichte Sache. Dietmar Kühbauer etwa, der jüngst in einem Interview seinen jungen Spielern, die mit Wollhauben oder übergroßen Kopfhörern ausgestattet sind, den Rausschmiss androht, dem gebührt eine Kopfwäsche. Und dem Wiederholungstäter Peter Stöger, der sich mitten im Titelkampf des GAK eilfertig in öffentliche Verhandlungs-Posen mit Höherligen drängt, desgleichen.
Heraf hingegen macht aktuell den Eindruck als würde er seinen ÖFB-Job wirklich ernstnehmen.
Gut, seine Erklärung für die seltsamen Disziplinar-Fälle Hierländer und Büchel setzt letztlich erst dort an, wo die Eskalations-Spirale einfach schon zu weit fortgeschritten war.
Aber sonst...
Der Mann ist sich über die Problematik der inexistenten Außenverteidiger-Kultur im Lande klar, sieht die kreuz und quer gewirbelte Jahrgang-Politik zumindest kritisch.
Er lässt Vorwürfe sich z uwenig um junge Spieler, auch die weiter entfernten, zu kümmern, nicht auf sich sitzen, spricht von 17-Stunden-Autofahrten in die Schweiz, erzählt von der Entdeckung von davor kaum bekannten Legionären, und besteht auf seiner taktischen Expertise. Und auf der Tatsache, dass er seit Oktober mit jeder Faser am Projekt WM 2011 arbeitet, sich aus Südamerika und Afrika (und auch Asien) DVDs von den dortigen Quali-Spielen gecheckt hat um mögliche Gegner anzusehen. Und ich merke, dass es ihn fuchst, dass er just zum ersten Gegner, den recht uneinschätzbaren Panamesen nicht so viel hat. Und dieser leise Ärger darüber ist schon ein guter Parameter für den Einsatz, denke ich.
Der Schmerz der Fehleinschätzung
Ja und selbst wenn mir Andreas Heraf das erzählt, was ich hören will: es klingt vernünftiger als das allermeiste, was man sonst zu hören bekommt.
Gut, denke ich, dass ich schon beim letzten Journal zum Thema quasi öffentlich eine Veränderung wahrgenommen habe. Und ja, der öffentlich auftretende Heraf nervt mich weiterhin ganz schön. Vor allem, weil ich jetzt weiß, dass er durchaus mehr erzählen könnte als in den bewusst platten Fernseh-Expertisen für ein womöglich unterschätztes Publikum, dass der reale Heraf den gespielten Sunnyboy bei weitem aussticht.
Immerhin, nach diesem Telefonat führt Heraf der Weg nicht ins Sky-Studio um rund um die 1. Liga PR-Blasen zu schlagen, sondern führt den 95er-Jahrgang, den er nach dem tragischen Tod von Ernst Weber kurzfristig übernommen hat, in ein Testspiel, irgendwo in der Provinz.
Das bringt keine Öffentlichkeits-Punkte, aber die Begegnung mit Supertalenten wie David Domej von Rapid oder Florian Heinrich von der Austria. Und wer weiß, vielleicht gibt es in dieser Generation ja schon richtige Außenverteidiger.