Erstellt am: 16. 5. 2011 - 15:34 Uhr
Skizzen der Einsamkeit
Keine großen Gesten, keine dramatischen Entwicklungen in der Bandgeschichte. Einfach nur die Musik, zuerst als Download für den Fanclub, jetzt als CD. The Fall ist kein großes Gorillaz Album, bei dem mit fetter Gästeriege aufgefahren wird. Es ist ein Tour-Tagebuch. 15 Skizzen der Einsamkeit, aufgenommen in den 32 Tagen der Nord Amerika Tour der Gorillaz letzten Herbst, entstanden im Tourbus auf dem Gadget oder vielleicht auch der Revolution zur Zeit, dem I Pad.
Technologische Entwicklungen bestimmen musikalische Innovationen. Wie wir unser Fühlen, den Zustand unserer Welt ausdrücken, wie das „Jetzt“ klingt hat vielleicht oft mehr mit Soft- und Hardware zu tun als uns bewusst und lieb ist. Damon Albarn weiß das. Immer auf der Höhe der Zeit hat seine Musik und der Rahmen, in dem er sie veröffentlicht, ein gutes Gefühl für die Umwälzungen und das leise und manchmal auch laute Unbehagen, das in der Luft liegen. Ich denke an Albumtitel wie Blurs Modern Live is Rubbish.
gorillaz
Als unsere soziale Interaktion und unser Begehren, unser Spiel und Spaß begann sich zu virtualisieren, betraten die Gorillaz die Entertainment Twilight Zone. Ihr letztes reguläres Album produzierten sie laut Saga auf einer Müllinsel irgendwo im Atlantik, ihr apokalyptisch-romantischer Zufluchtsort.
Easy Rider meets Tron, so versucht der Rolling Stone "The Fall" in einem Satz zu beschreiben, was vielleicht in Bildern stimmen mag, die Virtualität und die Weite Nordamerikas zusammenbringt, aber kaum auf die Stimmung von "The Fall "zutrifft. Man hört nicht nur die Schlafkoje im Bus, Damon Albarn´s Headspace, sondern auch Soundschnippsel die Zwischen Detroit und Dallas aufgesammelt wurden.
"The Fall" ist ein Chill Out Album, langsame Hip Hop Beats mit oder ohne Gesang. Es gibt psychedelisch verspielte Tracks wie The parish of space dust oder Future Bass Beat Konstrukte wie Snake in Dallas
Ein emotionales Pendel zwischen Sehnsucht und Heimweh, Abenteuerlust und Müdigkeit, Einsamkeit und Neugier, ein melancholisches Roadmovie. Die Texte sind streckenweise kaum verständlich, poetische Wortfetzen dringen aus Damons melancholischem Raunen heraus. Botschaften sind nicht so wichtig wie Stimmungen und Gefühle. Ich habe mich auf dem Highway verloren, frage mich ja nicht wo ich gewesen bin, singt er auf Amarillo.
Man begleitet die Gorillaz auf ihrer Tour zu Plastic Beach sozusagen von innen, man hört was sie fühlen während Städte, Gesichter und Landschaften vorbeiziehen. Jeder Track bezieht sich auf den Ort, an dem er entstanden ist, durch den Titel, die Credits oder die Field Recordings, die eingebaut sind.
Immer auf dem Weg zu etwas Neuem, das dann doch gleich aussieht, kann man die amerikanischen Highways fast schon an sich vorbeiziehen sehen: verwischt, unscharf, irgendwie nicht richtig zu fassen. "The Fall" erzählt von einem Jet Lag State of Mind.
Es sind zeitgemäße Postkarten, aus Wartesälen, Flughäfen, Tankstellen und Hotels, die überall gleich aussehen.
Es ist mehr ein Projekt als ein großer, konzeptueller Release. Bis auf Bobby Womack, der auf dem Schluss Song Bobby in Phoenix singt, fehlen die Gorillaz unterstützenden Gäste völlig.
Und während ich auch wieder irgendwohin unterwegs bin und die Nordamerika Tour der Gorillaz in meinem Kopfhörer abläuft, taucht angesichts von Damons I Pad Album die Vermutung in meinem Kopf auf, dass wir nicht mehr weit von dem Punkt entfernt sind, an dem wir die Benutzeroberfläche des Laptops oder I Pads zu Hause nennen und nicht mehr die vier Wände in denen wir unser Zeug gebunkert haben? Und wird es gut für unsere Seelen sein?