Erstellt am: 14. 5. 2011 - 16:46 Uhr
Toy Joy
Beim Versuch ihre frohlockenden Erstlingshymnen in Tanzbar- und Eingängigkeit noch zu toppen, pimpen die Wombats den happy-hyperaktiven Postpunk ihres umjubelten Debuts zur überfordernd überschäumender Überschwänglichkeit. Quietschmuntere Toytown Synths trippeln über tight-fröhliche Discobeats, verspielt elektronische Gimmicks zucken in euphorischem Uptempo. Mit weniger führenden Gitarrenhooks, dafür umso mehr Pomp und Trompeten geleiten die drei Liverpudlians auf einen grell blinkenden Popcorn Rummelplatz, auf dessen reißerisch herumwirbelndem Ringelspiel einem leicht schwindelig werden kann.
"This Modern Glitch" dreht sich im Kreis um die altbewährte Wombats-Hitformel, die, während sie bei den plötzlichen Discoschlagern der ersten Platte unbeschwert und wie ein willkommener Überraschungsgast verweilt hat, nun bestimmt zum Bleiben gehalten und bewusst ausgereizt wird. Durchaus durchdacht komponierte Singalongsongs in kunterbuntem Popkostüm bedienen sich der immer gleichen Tricks und firmen Bauklötze aus der schlauen Zauberspielzeugkiste für den perfekten Indiechartseller. Wie am Laufband poppen die Instant-Knaller aus der Wombats Hitfabrik, wo sorgfältig programmmäßige Herstellung Eigenheiten blockiert. "We wanted to beat whatever we did on the first record. (...) We wanted the new album to be so good. Perfect doesn’t exist, obviously, but it’s as close to perfect as possible", nickt die Rhythmussektion der Band, Dan Haggis (Schlagzeug) und Tord Øverland Knudsen (Bass), im Takt und Gespräch.
The Wombats
Makellos funktioniert die in verschiedenen kalifornischen Studios mit mehreren Mixern und gleich vier Großhai-Produzenten entstandene Platte - der "Glitch", der Defekt im lupenreinen System, bleibt unauffindbar. Ein dichter, strahlend blank polierter Sound säumt sauber die harmonischen Woo-hoos und Ah-aahs und sorgt für einen glattrasierten, fein gestriegelten Indiepop speziell gezähmter Glatthaar-Wombats. Reibungslos und mit allzu profillosen Reifen flitzen die regenbogenfarbig lackierten Stücke wie aufgezogen dahin.
The Wombats
Das Cover von "The Wombats proudly present: This Modern Glitch" stammt vom legendären Storm Thorgerson.
Im krassen Kontrast zum leuchtenden Farbenrausch des inszenierten tönenden Tingel-Tangels stehen die trockenen Texte der Wombatwelt. Die schon im vor popkulturellen Referenzen triefenden Debut viel strapazierten zynischen Schlachtrufe ziehen in eine noch düstere Richtung unbeugsamer Ehrlichkeit. Vor schwarzseherischen Traumwelten und tristen Wirklichkeiten schmettert Sänger Matthew Murphy schonungslose Wahrheiten nieder.
So bitter die Worte, so süß die Töne. Gefühlte Ehrlichkeit auf musikalischer Ebene zeigen die Wombats auf ihrem zweiten Album nicht. Um stilistische Experimente, geschweige denn riskant aufregende, Congratulations-ähnliche Abenteuer, macht das laute Trio aus Liverpool einen beabsichtigt weiten Bogen. Im Zuge dessen begibt es sich auf eine sichere, affektierte Jubelreise, die zweifelsohne sehr gut geschriebene Popsongs wie das herausragende, in blendend helle Höhen strebende "Jump into the Fog" streift, in ihrer gesamten, akribischen Durchdachtheit jedoch fast steril wirkt. Die mit drei Monaten vergleichsweise langen Aufnahmearbeiten - beim Debut waren sie auf schmissige zwei Wochen des Live-Einspielens reduziert gewesen - gefolgt von weiteren fünf Monaten allein für das Mixen, haben die gewohnte Impulsivität der Wombats deutlich eingezäunt: "We got too picky, we kind of overthought things. At the end we tried not to overthink, but it wasn’t happening, because we would spent so long (on every song)".
The Wombats
Während sie in der freien Wildbahn ihrer Bühnen immer noch sympathisch lebendig und ungebändigt klingen, zeigen sich die Wombats auf ihrer neuen Platte allzu stubenrein. Das feingeschliffene, in sich letztlich monochrome Gemisch aus geplant hochprozentigem Rave-up und vorbereitet munterem Hüpfburg-Gespringe macht bald müde, wirkt "This Modern Glitch" doch oft wie die ungesunde Überdosis bunter Happy Pills. Die bittere Süße des Verve-trächtigen, schwülstig mit Zucker umhüllten Popbonbons "Anti-D" verlangt weiterhin unbeirrt: "Please allow me to be your anti-depressant".