Erstellt am: 13. 5. 2011 - 18:49 Uhr
Die Metropole in der Provinz
Wo war ich denn da hinein geraten? Ende der Achtziger Jahre war Salzburg eine subkulturelle Wüste. Sieht man von zaghaften Versuchen ab, im Windschatten der Festspiele so etwas wie Gegenwartskultur stattfinden zu lassen, tat sich tatsächlich gar nichts. Als „anders“, als „rebellisch“ galt schon schnarchige 70er-Jahre Bluesrock- und Woodstocknostalgie. Das einzige alternative Kulturzentrum, die ARGE, war damals auf dem besten Weg zum Hippiemuseum. Nur auf Wochenendausflügen ins heimatliche München oder bei gelegentlichen Linz-Besuchen konnte ich so etwas wie den Duft der Zeit atmen. Nur? Fast nur. Eine Autostunde von Salzburg, zwischen Bergen, Seen und vereinzelten Industriebetrieben stand, damals schon, ein altes Kino, wo Bands wie Calexico, Jesus Lizard, die Babes in Toyland oder die Beasts of Bourbon auch gern Station machten. Ebensee war mehr am Puls der Zeit als die vorgebliche Kulturmetropole Salzburg.
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Shopping in the Big Store
Ebensee war der Beweis, dass urbane Jugendkultur auch am Land stattfinden konnte. Klar, auch in der Pampa um München hatte es Locations gegeben, wo Konzerte veranstaltet wurden. Fugazi hatten im Jugendzentrum Ottobrunn gespielt, NoFX im Ballroom Esterhofen und Nirvana im Circus Gammelsdorf. Aber das waren alles mehr oder weniger Ausweichquartiere, weil es in der überteuerten Großstadt schlicht keinen bezahlbaren Raum gab, und sie lebten quasi ausschließlich von denen, die in Autokolonnen aus der Großstadt anreisten.
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Ohne die Autokolonnen aus Linz und Salzburg hätte auch das Kino Ebensee auf Dauer nicht überlebt. Ohne Subventionen von Marktgemeinde, Land und Bund sowieso nicht. Aber vor allem sammelte das Kino Ebensee die urbanen Millieus der umliegenden Kleinstädte, von Attnang-Puchheim bis Bad Ischl. Und es wurde dort, im traditionsfixierten Salzkammergut, zu einem Fenster, das zu Zeiten, als es noch lange kein Internet gab, den Blick auf die Welt jenseits von Brauchtumspflege und provinzieller Miefigkeit freigab.
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Wenn Klaus Wallinger von den ersten Tagen des Kino Ebensee erzählt, dann fallen genau solche Worte: es ging der Gründergeneration, einer Gruppe von jungen Musikern und Literaten, die Jahre vorher schon das Holzstrock Festival auf die Beine gestellt hatten, genau um das: Anlaufstelle zu sein und Katalysator für Menschen, denen Weltoffenheit und Vielfalt, Antirassismus und Subkultur, kurz: demokratisches Miteinander ein Bedürfnis waren.
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Natürlich funktioniert Kulturvereinsarbeit auch hier hauptsächlich und bis heute über viele Stunden ehrenamtlichen Engagements. Nur so war und ist es möglich, ein Kulturprogramm nicht nur mit Konzerten, sondern auch mit Kinofilmen abseits vom Multiplex-Mainstream zu bieten.
Prototyp für Subkultur am Land
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Das Kino Ebensee wurde sehr schnell zu einem Prototyp für (Sub)Kulturstätten am Land, und es wurde zu einem Geheimtipp für KünstlerInnen, die zwischen Berlin und Wien, Prag und Ljubljana, Nürnberg und Mailand mal ein kurzes Kontrastprogramm zum Großstadtdschungel erleben wollten, liebevolle Betreuung mit Bergwanderungen und Bootspartien inklusive. Lemonheads-Sänger Evan Dando soll einmal auf den Balkonen seiner Pension herumgeklettert sein, um der Tochter der Pensionswirtin mit Gitarre ein nächtliches Ständchen darzubringen. Hollywoods (damals) most favourite Grunge Guitarist beim Fensterln.
Ironischerweise ist es genau das, was schon zu Kaisers Zeiten die Städter in Gegenden wie das Salzkammergut lockte, die urbane Kultur in idyllischer Landschaft, was den besonderen Charme des Kino Ebensee auch heute noch ausmacht. Der Holzboden knarzt wie eh und je, der rote Samtvorhang vor der Leinwand der 50er-Jahre Charme des Foyers und See und Berge ringsum geben die Kulisse. Hoffentlich noch weitere 25 Jahre, mindestens.
Am Samstag 14. Mai feiert das Kino Ebensee sein 25jähriges: mit Grillfest, Chango und Kreisky.