Erstellt am: 12. 5. 2011 - 10:58 Uhr
ElefantInnenenrunde mit Genderfehler
Die Österreichische HochschülerInnenschaft hat knapp zwei Wochen vor der ÖH-Wahl zu einer Diskussion aller großen Fraktionen der im Campus der Uni Wien geladen. Moderiert von Armin Wolf sitzen am Podium die SpitzenkandidatInnen der größten Uni-Fraktionen.
Wolf hat sich durch den Fragenkatalog von Wahlkabine.at gekämpft und herausgefunden, dass zwischen KSV und KSV-lili nicht nur eine namentliche Ähnlichkeit besteht, die beiden Fraktionen unterscheiden sich lediglich in einem aus 24 abgefragten Standpunkten. Und selbst da meinen sie eigentlich dasselbe.
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Den Erklärungen des Kommunisten David Lang und der lili-Kommunistin Julia Kraus folgt parteipolitisches Geplänkel, an dem sich der Aufwand für das Medientraining, das die jeweiligen Mutterparteien ihren JungpolitikerInnen zukommen haben lassen, sehr schön ablesen lässt.
Bernhard Krall von der AG und Angelika Gruber vom VSSTÖ sind schon coachgedopte Profis: Sie spielen sich wie abgesprochen punktgenau die Argumente zu und holen sich mit ermüdendem Hickhack schon früh einen unaufholbaren Wortanteilsvorsprung heraus.
GRAS-Spitzenkandidatin Janine Wulz hat die Grundtaktiken intus und versucht mit ausschweifenden Erklärungen diesen Rückstand wettzumachen.
Oskar Polak vom RFS benutzt die Kommunikationsstrategie der Freiheitlichen und hangelt sich so plump von einer konkreten Frage über ein persönliches Beispiel auf die Themen, die ihm ins Redekonzept passen.
Die JULIS-Kandidatin Claudia Gamon hat wohl kaum die Parteiakademie besucht, ihr auf die Hochschulen umgelegter Wirtschaftsliberalismus muss also ehrlich sein. Martin Schott von den Fachschaftslisten hat gar keine Partei hinter sich, argumentiert dafür aber erstaunlich professionell.
FM4 / Alex Wagner
Es folgt die Fragerunde, die Armin Wolf mit einem "Appel an die Fairness der Schlachtenbummler, auch normale Studierende zu Wort kommen zu lassen und das nicht in Fraktionssitzungen ausarten zu lassen" einleitet. Ein frommer Wunsch, doch zunächst löst eine Frage nach der Transparenz der Wahlkampfkassen das beinahe einhellige Versprechen aus, dem bis zum nächsten Tag auch nachzukommen.
Endlich: Ein Skandal
Dann meldet sich eine - vielleicht der AG zugehörige - Zuschauerin und fragt Janine Wulz: "Wie stehen Sie zu Zensur, nachdem Sie manche Leserbriefe nicht veröffentlichen, weil sie nicht Ihrer Ideologie entsprechen."
Und nun wird es spannend. Denn Wulz ist im Wirtschaftsreferat der ÖH an der Universität Wien tätig und das Wirtschaftsreferat überprüft alle Zahlungen der ÖH, bevor sie sie freigibt. Janine Wulz: "Eine der Aufgaben dort ist es eben, nachzuprüfen, ob alle Druckwerke, die über die ÖH Uni Wien abgerechnet werden, gewissen Richtlinien entsprechen, sprich, dass sie keine sexistischen, keine rassistischen, keine diskriminierenden Inhalte haben dürfen." Ist das nicht der Fall verweigert das Referat die Zahlung des Drucks.
FM4 / Alex Wagner
Die Fakultätsvertretung am Juridikum Wien ist traditionell AG-bestimmt, der Zwang zum Gendern in der Fakultätszeitschrift "Juristl" ist dort nicht gut aufgenommen worden.
In der Ausgabe vom Oktober 2010 (PDF) soll ein Leserbrief erscheinen, der sich gegen die geschlechtergerechte Sprache wendet. Der Brief liest sich, als wäre er von Barbara Rosenkranz geschrieben worden. Und er ist vermutlich sowohl als Provokation verfasst als auch in die Zeitung aufgenommen worden. Wulz hat auf die Streichung des Briefes bestanden.
Nun kann man das Binnen-I aus verschiedenen Gründen ablehnen, Falter-Chef Armin Thurnher verweigert es etwa aus ästhetischen Gründen, andere quengeln über Leseflussunterbrechungen - oder sie sehen es als Eckpfeiler einer Ideologie der Geschlechtslosigkeit. Das ist eine zulässige Meinung, wenngleich eine reichlich dumme.
Die ÖH-Führung mag die gendergerechte Sprache in den von ihr finanzierten Zeitschriften bestimmen können, LeserInnenbriefe, die ihr nicht passen oder die nicht gegendert worden sind, wegzuzwingen steht ihr aber wohl nicht zu.
Die Redaktion des "Juristl" hat auf die Zwangsmaßnahme übrigens auf Dissidentenart reagiert: Anstelle des Briefes ist ein Kreuzworträtsel erschienen. Dessen Lösungswort: Zensur.
FM4 / Alex Wagner
Das übliche Scheingefecht
"Meine Meinung vor der Diskussion ist durch die RepresentantInnen sehr relativiert worden." sagt ein Besucher nach dem Ende der Diskussion. Und er ist mit dieser Meinung unter den wenigen StudentInnen, die nicht für eine Fraktion gekommen sind, sondern um sich über die Fraktionen zu informieren, nicht alleine da. Eine Studentin: "Ich bin von meiner Wahl leider wieder abgekommen und jetzt mehr hin- und hergerissen als vorher." Zu viele leere Politikfloskeln sind im Hörsaal gefallen, zu viele Anschuldigungen und Rechtfertigungen, zu viele fast hilflose Versuche, der eigenen Fraktion Alleinstellungsmerkmale zu geben. Letztlich bleibt die große Trennlinie zwischen links und rechts: AG, RFS und JULIS wollen keine Gesellschaftspolitik in der ÖH, VSSTÖ, GRAS und die KSVs sehen darin eine ihrer Hauptaufgaben. Die FLÖ steht hier rechts, wenngleich das in ihrem Selbstverständnis als parteiunabhängige Servicecstelle für Studierende begründet ist. Immerhin eine Zuhörerin konnte dann doch etwas mitnehmen: "Ich weiß jetzt wenigstens, wen ich nicht wählen werde."