Erstellt am: 12. 5. 2011 - 14:00 Uhr
Kommunistischer StudentInnenverband - Linke Liste
Von 24. bis 26. Mai können Österreichs Studierende ihre Interessensvertretung für die nächsten zwei Jahre wählen.
Wir stellen euch eine Woche lang die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen der vergangene Wahl in die Bundesvertretung gewählten Fraktionen vor.
Heute: Sissi Luif und Julia Kraus, Öffentlichkeitsarbeiterinnen des KSV-LiLi.
Julia Kraus
Barbara Köppel
- 27 Jahre alt
- kommt aus Wien
- studiert Vergleichende Religionswissenschaften und Politik-wissenschaften an der Uni Wien
Sissi und Julia vom KSV-LiLi, ihr stellt euch dem Wahlkampf zu zweit. Warum eigentlich?
Julia Kraus: Wir arbeiten als "zwei von vielen" für den KSV-LiLi als Öffentlichkeitsarbeiterinnen. Wir sehen uns also auch nicht als Spitzenkandidatinnen. Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir Hierarchien ablehnen und dass neben uns beiden noch viel mehr Menschen in der Organisation mitwirken. Wir möchten Kritik daran üben, dass Menschen als einzelne für viele sprechen.
Warum engagiert ihr euch beim KSV-LiLi?
Sissi Luif: Wichtig finde ich vor allem die systemüberwindende Perspektive des KSV-LiLi. Es geht uns nicht nur um einzelne Verbesserungen, sondern um eine andere Gesellschaftsorganisation. Natürlich machen wir auch reformistische Politik in der ÖH, aber konkret wollen wir die Lebensverhältnisse von Menschen und Studierenden verbessern.
Julia Kraus: Ich engagiere mich beim KSV-LiLi, weil er undogmatisch ist, pluralistisch und antirassistisch arbeitet und feministische Inhalte hat. Und natürlich auch, weil wir versuchen, eine Überwindung der gesellschaftlichen Verhältnisse herbeizuführen. Dazu gibt es auch ein schönes Zitat von Audre Lorde (US-amerikanische Vertreterin des Black Feminism, Anm.): "There is no such thing as a single-issue struggle because we don’t live single-issue lives."
Sissi Luif
Barbara Köppel
- 23 Jahre alt
- kommt aus Wien
- studiert Internationale Entwicklung an der Uni Wien
Was ist denn eurer Meinung nach die Hauptaufgabe der ÖH?
Sissi Luif: Für uns ist die ÖH in erster Linie eine politische Organisation, das heißt es sollte ihr darum gehen, beständig die bestehenden Verhältnisse zu kritisieren. Zweitens hat die ÖH Ressourcen zur Verfügung, mit denen sie emanzipatorische Projekte unterstützen sollte. Ein weiterer Punkt ist natürlich ihre Service- und Beratungstätigkeit. Die müsste aber mehr zu einer Hilfe zur Selbsthilfe werden, damit die Menschen zum Beispiel wissen, welche Rechte sie haben, und sich im Fall von Missbrauch dagegen wehren können.
Julia Kraus: Ich glaube auch, dass die ÖH mehr als nur aktionistische Inszenierungen machen sollte. Sie sollte versuchen, wirklich Politik zu betreiben.
Ihr sagt also beide, die ÖH sollte gesellschaftspolitisch stärker Stellung beziehen. In Form von welchen Aktivitäten macht das denn der KSV-LiLi?
Sissi Luif: Wir haben in der ÖH Uni Wien zum Beispiel einen Workshop zum Asyl- und Fremdenrecht organisiert, um auf das rassistische Fremdenrechtspaket der Regierung zu reagieren. Außerdem helfen wir jedes Jahr mit, die Demo gegen den WKR-Ball der deutschnationalen und rechtsextremen Burschenschaften zu organisieren. Da ist es uns gelungen, öffentlich Kritik daran zu üben, dass Rechtsextreme in der Hofburg tanzen.
Julia Kraus: Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren auch viele bildungspolitische Workshops angeboten, und dazu beigetragen, dass das Café Rosa, das Studi-Beisl, entstanden ist. Damit haben die Studierenden nun einen selbstverwalteten emanzipatorischen Raum. Feminismus ist bei uns auch ein zentrales Thema. Bei den Studienanfängern sind Frauen noch in der Mehrheit, aber es gibt nur 16 Prozent Professorinnen. Das ist ein großes Problem, und deswegen sind wir natürlich für Frauenquoten in den Unigremien. Es ist wichtig, dass Frauen die Chance haben, in Machtpositionen zu kommen, und nicht mehr an die gläserne Decke stoßen.
In den letzten Jahren hat die Regierung viele bildungspolitische Entscheidungen an der ÖH vorbei getroffen. Auch die großen Studierendenproteste haben daran im Wesentlichen nichts ändern können. Es entsteht also der Eindruck, die ÖH hätte nicht viel Einfluss auf das, was wirklich umgesetzt wird. Wie groß ist der Einfluss der ÖH überhaupt?
Julia Kraus: Man muss dabei bedenken, dass der Einfluss der ÖH in den letzten Jahren vor allem vonseiten der Regierung kontinuierlich abgebaut worden ist. Das hat schon unter Schwarz-Blau begonnen und auch das neue HochschülerInnenschaftsgesetz hat ein großes Maß an Mitbestimmung gestrichen. Das macht es uns natürlich schwer, als Gegengewicht zu wirken.
Das klingt jetzt ein bisschen pessimistisch. Worin seht ihr dann überhaupt noch den Sinn, euch in der ÖH zu engagieren?
Julia Kraus: Wir möchten uns ja genau dafür einsetzen, dass das Mitbestimmungsrecht wieder gestärkt wird, und dass die Unis demokratisiert werden. Der neue Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle hat sich zumindest gesprächsbereit erklärt, daran zu arbeiten. Ich glaube also, da gibt es bestimmt noch Chancen.
Der KSV-LiLi bei den ÖH-Wahlen 2009
- In der ÖH-Bundesvertretung erreichte der KSV-LiLi 2009 erstmals ein Mandat.
- In der Universitätsvertretung der Uni Wien erhielt er mit 5,5 Prozent ebenfalls ein Mandat.
Ihr habt bei den ÖH-Wahlen 2009 erstmals ein Mandat in der Bundesvertretung bekommen. Was habt ihr damit erreicht?
Sissi Luif: Im Prinzip sind wir da ja in der Opposition, aber für uns war es wichtig, dass wir zu den Sitzungen gehen konnten, mehr Informationen bekommen haben, bei Anträgen mitstimmen und selbst welche einbringen konnten.
Welche Anträge, die ihr eingebracht habt, sind umgesetzt worden?
Sissi Luif: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr genau, welche das waren. Du hast uns ja auf die Bundesvertretung angesprochen, aber wir sind ja in der Universitätsvertretung der Uni Wien viel aktiver. Dort sind wir in der Koalition mit GRAS und VSStÖ, und da haben wir zum Beispiel Anträge gegen den WKR-Ball eingebracht, oder für ein Grundeinkommen. Das sind auch symbolische Dinge.
Die studentische Grundsicherung in der Höhe von 750 Euro pro Monat ist in diesem Wahlkampf eine zentrale Forderung der GRAS. Unterstützt ihr das?
Sissi Luif: Ja, das finde ich schon gut. Prinzipiell finde ich aber, dass ein Grundeinkommen allen Menschen, die in Österreich leben, zustehen sollte. Egal, was sie tun.
Inwieweit hat sich der KSV-LiLi an der #unibrennt-Bewegung beteiligt?
Julia Kraus: Wir waren als Einzelpersonen sehr aktiv, und es ging ja bei der #unibrennt-Bewegung darum, dass sie nicht von irgendwelchen Gruppierungen und Organisationen vereinnahmt wird. Wir haben also Workshops und Plena mitgestaltet und waren in Arbeitsgruppen aktiv. Außerdem haben wir versucht, konstruktive Kritik einzubringen. Zum Beispiel gab es keine genügende Auseinandersetzung mit dem Sexismus in den Protesten. Wir haben uns also zum Beispiel für den FLIT-Raum, den Frauen-Lesben-Inter-Trans-Raum eingesetzt. Das war eine wichtige Sache.
Was ist abgesehen vom Geldmangel aus eurer Sicht das größte Problem an den Unis?
Sissi Luif: Natürlich braucht es eine ausreichende Finanzierung der Unis. Abgesehen davon aber auch einen freien Hochschulzugang. Wir verstehen Bildung als Menschenrecht, das heißt wir sind gegen jegliche Studiengebühren, Zugangsbeschränkungen oder sonstige Voraussetzungsketten. Das allein ist trotzdem noch nicht genug, weil vielen der Zugang zum Studium auch durch andere gesellschaftliche Verhältnisse erschwert wird. Menschen aus bildungsfernen Schichten, Frauen und Nicht-EWR-BürgerInnen haben es viel schwerer überhaupt erst an die Uni zu kommen, bzw. ihr Studium fertig zu machen.
Die wichtigsten Forderungen des KSV-LiLi:
KSV-LiLi
- Mehr demokratische Mitbestimmung
- Mehr selbstverwaltete Freiräume
- Keine Überwachung von Studierenden
Was sind im diesjährigen ÖH-Wahlkampf die wichtigsten Forderungen des KSV-LiLi?
Sissi Luif: Ein wichtiges Thema unseres Wahlkampfs ist Überwachung und Repression, weil ja an den Unis verstärkt Überwachungskameras eingesetzt werden und Securities die Institutsgebäude bewachen. Da kriegt man den Eindruck, die Studierenden sollen nur schnell ihre Vorlesungen besuchen und dann sofort wieder weg. Wir verstehen die Uni aber auch als Lebensraum, der von den Studierenden gestaltet werden soll. Daher fordern wir selbstverwaltete Räume. Es müsste ja zum Beispiel nicht sein, dass alle Gebäude am Unicampus am Gelände vom Alten AKH in Wien an kommerzielle Lokale und Unternehmen vermietet werden.
Julia Kraus: Außerdem treten wir für eine offene ÖH und mehr demokratische Mitbestimmungsrechte ein. Wir wollen nicht, dass sich die FunktionärInnen verstecken und alles allein machen, sondern es soll breite Diskussionen geben, und alle, die wollen, sollen mitmachen können. Da geht es vor allem um eine Stärkung der unteren Ebenen, also der Fakultäts- und Studienrichtungsvertretungen.
Wie steht ihr zum neuen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle?
Julia Kraus: Er ist ja noch nicht sehr lange im Amt. Einerseits hat er teilweise ganz interessante Ansätze, wenn es um die Stärkung der Demokratisierung der Universitäten geht, aber wie seine Vorgängerin Beatrix Karl steht er für Studiengebühren und weitere Zugangsbeschränkungen. Wir finden, dass das in der Bildungspolitik absolut der falsche Weg ist.
Wie sehr identifiziert sich der KSV-LiLi mit seiner Mutterpartei, der KPÖ?
Julia Kraus: Wir haben ein kritisches Naheverhältnis zur KPÖ und wir haben auch einiges an ihr zu kritisieren. Sie müsste zum Beispiel ihre Vergangenheit aufarbeiten, vor allem ihre Position zum Stalinismus. Das ist noch nicht ausreichend passiert.
Wie steht ihr zum KSV, also zum anderen Kommunistischen StudentInnenverband, von dem ihr euch 2006 abgespalten habt?
Sissi Luif: Es gibt grundlegende Unterschiede, auch wenn wir vielleicht ähnliche Forderungen haben. Wir lehnen zum Beispiel hierarchische und autoritäre Strukturen komplett ab, die sich in der Organisation des anderen KSV sehr wohl finden. Ein zweiter Punkt ist, dass wir die theoretischen Weiterentwicklungen seit den 1930er-Jahren, wie die feministische und ökologische Bewegung, wahrnehmen und in unsere Arbeit einbeziehen. Wir halten also nichts davon, sich rein an Marxismus und Leninismus zu orientieren. Wir verstehen uns als undogmatische Organisation.
Was versteht ihr überhaupt unter Kommunismus?
Sissi Luif: Jedenfalls nicht die realsozialistischen Versuche der Vergangenheit oder irgendeine patriarchale Sozialismusfolklore! Für mich ist Kommunismus die Überwindung aller unterdrückerischen Verhältnisse. Um es mit Marx zu sagen: "Kommunismus ist die wirkliche Bewegung, die den jetzigen Zustand auflöst."
Die ÖH-Wahlen 2011 auf FM4
Von 24. bis 26. Mai können Österreichs Studierende ihre Interessensvertretung für die nächsten zwei Jahre wählen.
Wir stellen euch eine Woche lang die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen der Fraktionen der aktuellen Bundesvertretung vor.
Alles rund um die ÖH-Wahlen 2011 findest du auch unter fm4.orf.at/oehwahl
Würdet ihr euch als linksradikal bezeichnen?
Sissi Luif: Ja. Man muss natürlich dazusagen, dass radikal bedeutet, ein Problem an der Wurzel zu fassen. Es geht nicht nur darum, das, was sichtbar ist, zu bekämpfen, sondern sich anzusehen, wo die Probleme herkommen.
Aber der Begriff "linksradikal" ist extrem negativ konnotiert. Trotzdem?
Sissi Luif: Ja, denn es geht auch darum, sich Zuschreibungen anzueignen und selbst zu definieren.
Letzte Frage: Was ist die letzte Prüfung, bei der ihr durchgefallen seid?
Julia Kraus: Bei mir war das ein Seminar auf der Politikwissenschaft über Säkularisierungstheorien, weil ich die Arbeit nicht rechtzeitig abgeben konnte.
Sissi Luif: Bei mir was das auch ein Seminar, das ich abgebrochen habe, und zwar über Globalisierung in Indien. Die Professorin hat mir dann einen Fünfer eingetragen.
Julia Kraus: Das geht ja mittlerweile ganz schnell.