Erstellt am: 10. 5. 2011 - 17:25 Uhr
Die Kunst der Unabhängigkeit
Das Ergebnis der ÖH-Wahlen von 2009 scheint auf den ersten Blick normal. Die großen Fraktionen wie VSSTÖ, AG oder GRAS sind auf fast allen Universitäten vorne mit dabei. Nur auf den Kunstunis nicht. Sei es die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz oder die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Hier herrschen die kunstunieigenen Listen. 2009 hießen sie zum Beispiel „Delphin und Drache“, „Clemetine“, „Kunst und Politik“ oder „Mach´s angewandt“.
Die ÖH-Wahlen 2011 auf FM4
Von 24. bis 26. Mai können Österreichs Studierende ihre Interessensvertretung für die nächsten zwei Jahre wählen.
Wir stellen euch eine Woche lang die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen der Fraktionen der aktuellen Bundesvertretung vor.
- Alles rund um die ÖH-Wahlen 2011 findest du auch unter fm4.orf.at/oehwahl
Fraktionsfreie Zone
Auf den österreichischen Kunstuniversitäten existieren die klassischen Fraktionen praktisch nicht. Die großen Fraktionen hätten auch kein Interesse an den Kunstunis zu kandidieren, da sich der Aufwand für eine kleine Universität nicht lohne, meint Olivia. Sie ist Studierendenvertreterin auf der Universität für angewandte Kunst Wien, Mitglied der Liste „Mach´s angewandt“ und saß die letzten zwei Jahre im Entscheidungsgremium der ÖH, der Bundesvertretung.
Andere Strukturen und Wissensvermittlung
Die Großfraktionen würden auch die Probleme und Strukturen der Kunstuni und deren StudentInnen nicht ganz verstehen, da es laut Olivia schwierig ist „über Zugangsbeschränkungen zu sprechen, wenn man eine Eignungsprüfung am Anfang des Studiums hat. Es ist auch so, dass die Studierenden auf der Angewandten im Altersdurchschnitt 24+ sind“, ein Alter, indem andere ihr Studium bereits abgeschlossen haben. Außerdem haben die Kunstuniversitäten andere Gesetze, Budgets und Strukturen, die mit denen anderer Unis nicht vergleichbar sind und eine Analyse erfordern würden. Die ist notwendig, wenn man eine Wahl gewinnen möchte. Deshalb kandidiert man lieber selbst. Das bringt auch den Vorteil der Kontinuität. Durch die kunstunieigene Liste könne man sich sicher sein, dass Mandate an die richtigen Personen gingen und nicht an jung-PolitikerInnen, die sich nach der Wahl nicht mehr blicken ließen.
Selbstschulung und Unabhängige Kooperation
Keiner Fraktion zuzugehören hat aber auch Nachteile. Es gibt keine großen Strukturen auf die man zurückgreifen kann und somit muss man sich um fundamentale Dinge, wie Schulungen im HochschülerInnenschaftsgesetz und Universitätsgesetz, selbst kümmern. Als Unabhängige einer Kunstunis hat man auch mit Vorurteilen zu kämpfen. Olivia spricht von Antiintellektualismus und Neid oder auch Angst, die die Aufnahmeprüfungen der Kunstunis auslösen. Deshalb sei es klug, sich in der Bundesvertretung Verbündete zu suchen, die man von guten Projekten überzeugen kann. Die Überlegung sich gleich einer Fraktion anzuschließen lehnt Olivia ab: „Ich hab es als sehr positiv empfunden das BV-Mandat ungebunden zu haben und mich eben bei Abstimmungen so oder so zu entscheiden.“
Partei? Noli me tangere!
Bei all den Überlegungen schwingt auch immer die Ablehnung von Parteistrukturen jeglicher Art mit. Man steht den klassischen Fraktionen mit Misstrauen gegenüber, da man hinter ihnen den verlängerten Arm der Großparteien vermutet. Und mit denen will man aus mehreren Gründen nichts zu tun haben. Zum Beispiel, weil man sich der unibrennt-Bewegung verbunden fühlt und keine hierarchischen Strukturen will, wie sie das Eingebundensein in eine große Fraktion mit sich bringen würden. „Wir wollen, dass alle ihre eigene Verantwortung haben und Entscheidungen für sich selbst treffen. Wir wollen einfach keine Leute an der Spitze. Wir brauchen keinen erklärten Vorsitzenden“ meint Tobias, Studierendenvertreter der Akademie der Bildenden Künste Wien. Das ÖH-Gesetz ist da weniger kreativ: es verlangt einen Vorsitz. Und auch in der öffentlichen Wahrnehmung stößt man oft auf Widerstand, wenn RektorInnen oder Medien nur mit dem bzw. der Vorsitzenden reden wollen. Um diesen Problemen entgegenzutreten und weitere basisdemokratische Elemente in ihre Organisation aufzunehmen, wurden eigene Satzungen entwickelt. Dabei steht der Problemlösungswille an erster Stelle. Denn Probleme ließen sich auch ganz ohne Partei und deren Ideologie im Hintergrund lösen, findet Erik von der Bildenden: „Es schwingt so eine Art Corporate Identity mit jeder Partei mit, die man dann sozusagen auch an sich und nach außen trägt. Aber wenn man einer konkreten Frage nachgehen will oder Problemen im universitären Bereich, dann kann man da auch ohne irgendeine Zuschreibung dran arbeiten“.