Erstellt am: 9. 5. 2011 - 23:38 Uhr
Fußball-Journal '11-36.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einem lange erwünschten, aber nicht erwartetem Eintrag: Es gibt Leben in der durch Red Bulls ungestümen und unpassenden Einsatz zu einer sportlichen Ruine verwandelten Fußball-Standort Salzburg.
Es ist wahrlich nicht das erstemal seit der ökonomisch erfolgreichen, sportlich mediokren und in der Außenwirkung komplett tölpelhaft gelaufenen Übernahme von Red Bull in Fußball-Salzburg, dass neues Personal und Marschrouten präsentiert oder neue Richtlinien ausgegeben werden. Das wurde zur Gewohnheit, weil die angestrebten internationalen Ziele bislang ja deutlich unterschritten, und selbst die Zahl der leichter zu erkaufenden heimischen Titel dürftig ist.
Drei Meistertitel in sechs Jahren grotesker wirtschaftlicher Überlegenheit, kein Cup-Erfolg, keine Champions League - da musste immer wieder umgegraben werden.
Und jede Neuaufstellung und jede Neuankündigung hielt den Grund für das neuerliche Scheitern schon bereit. Selbst die hoffnungsfrohe Installierung des Trainers Adriaanse oder des General Managers Beiersdorfer war von unmöglichen Anforderungen begleitet.
Heute war das erstmals anders.
Nicht weil - wie erwartet - Ricardo Moniz und sein fast gleichberechtigter Assistent Niko Kovac bestätigt wurden.
Nicht weil, auch nicht ganz überraschend, wieder einmal der zwischenzeitliche Nachwuchsleiter Heinz Hochhauser den Sportdirektor macht.
Nicht einmal, weil die Management-Leitung endlich zwischen rein wirtschaftlichen und sportlichen Belangen trennt und der Salzburger Geschäftsführer jetzt Wolfgang Gramann heißt (der Head of Global Soccer, der Deutsche Detlef Kornett, kümmert sich nur noch um die ökonomischen Belange - Vorgänger Dietmar Beiersdorfer war noch mit allen Agenden betraut).
Sondern weil, endlich, der dumme Rucksack runter ist.
Dieses Dauer-Gefasel von der absoluten Vorherrschaft, dem Zwang zur Champions League samt dem allhalbjährlichen Reinholen von immer neuen teuren Halbsuperstars ist endgültig überwunden. Diese ganze seltsam halbweltig müffelnde Playboy-Fantasie vom spät erkaufbaren Bubentraum.
Das ist ein Befreiungsschlag, der sich gewaschen hat.
Hochhauser hatte den Auftrag, die heutige Moniz-bleibt-Bekanntgabe zur Ausgabe der neuen Stoßrichtung zu nützen. Und er spricht davon, dass man "in Zukunft Spieler entwickeln" wolle, also vom neureichen Verein, der sich reinkaufen muss und so eine leichte Beute der internationalen Schlitzohren, Vermittler, Konsulenten, Bluffer, Abcasher, Churtls und Loddars wurde, hin zum Ausbildungsverein.
Man könne auch "mit einer jungen Mannschaft Meister werden und damit auch international spielen".
Ausbildungsverein FC RB Salzburg
Noch einmal, zum Mitschreiben: der FC Red Bull Salzburg wird ein Ausbildungsverein. Die World Domination Enterprises haben das Stück: Champions League oder Tod! nach sechs Jahren abgesetzt. Auch weil man da ja sechs Jahre lang tot war.
Natürlich ist da nicht alles stimmig: so wie die Fuschler Konzern-Zentrale aktuell mit den Amateuren, der Akademie und den dort ausgebildeten Spielern umgeht, wird das nicht funktionieren. Diese Vergangenheit war fahrlässig.
Talente (Mattes, Karner, Tiffner, Zulechner, Ilsanker, Riegler, Pichler, Schartner uvam, von internationalen Talenten Mahop oder Vonlanthen gar nicht erst zu reden) wurden verschleudert, im besten Fall (Aschauer, Christoph Kröpfl, Holzmann, Schwab) verliehen.
Und die vier Namen, die der von Interims-Coach zum echten Cheftrainer beförderte Moniz, durchaus zurecht herausstreicht, zeigen auch einen Teil des Problems: Nur Offenbacher und Hinteregger stammen aus dem eigenen Stall, Teigl ist in der Akademie St. Pölten, Hierländer in Kärnten ausgebildet worden, ehe sie von Salzburg aufgekauft wurden.
Installation von Pacult in Salzburg unwahrscheinlich!
Da gibt es also noch massiven Nachhol-Bedarf - bis so eine Ankündigung auch mit Leben erfüllt ist, dauert es; und es müssen alle an einem Strang ziehen.
Da Red Bull aber eine Ein-Mann-Diktatur ist, kann sowas jederzeit auch wieder mit einem Schlag beendet werden. Bestes Beispiel: Leipzig. Dorthin wird jetzt nämlich der Druck verlagert, der bislang in Salzburg als steinerner Gast die ganze Tischgesellschaft gelähmt hat.
Apropos "Ahnungslose Super-Mäzene machen den Fußball kaputt": In einem aktuellen Kurier-Interview erzählt Paul Scharner davon, dass sein aktueller Coach Roy Hodgson, internationaler Meistermacher, Spezialist dafür Mittelmaß hochzupimpen, der Begründer des kleinen Schweizer Fußball-Wunders, Fulham ins EL-Finale-Bringer und jetzige Westbrom-Retter, für 2002 mit dem ÖFB schon im Wort war.
Der fertige Vertrag wurde dann nicht ratifiziert, weil der Liga-Präsident, der damals als Gottseibeiuns hofierte Frank Stronach auf Hans Krankl bestanden hatte. Man soll ja nicht spekulieren, aber...
Dass Mateschitz sich dafür Peter Pacult eingebildet hat, zeugt von stupender Unkenntnis von praktisch allem: der bekennende Nicht-Stratege, Anti-Taktiker, Nicht-Kommunikator und bekennende Medien-Ungustl, der sich seit Anbeginn seiner Coaching-Karriere darauf verlässt, dass die Mannschaft sich schon selber organisiert, ist für die Rasenballer in Leipzig, die jetzt dringend in drei Saisonen in die Bundesliga durchmarschieren müssen, der falschestmögliche Mann überhaupt (wiewohl Hans Krankl eventuell... lassen wir das...).
Witzigerweise ist genau das, was bislang in Leipzig funktionierte (eine nicht abgehobene, noch lokal verankerte Politik) und jetzt durch die hysterische Pacult-Installierung ins Gegenteil verkehrt wurde, jetzt in Salzburg eingekehrt. Bis auf Pacult, dessen tolle Installation wir jetzt leider nicht sehen können, danke Bild-Zeitung für diesen kunstsinnigen Hinweis!
Moniz und Kovac und, ja, eine echte Philosophie
Im neuen vom Dauerdruck der unausgegorenen Mateschitz-Vorstellungen befreiten Ausbildungs-Zentrum in Salzburg schlägt das neue Duo Moniz/Kovac sofort hochinteressante Töne an. Hier in einem ausführlichen Interview mit sportnet präsentieren sich die beiden in großen Zügen als tatsächlich beseelte und ums Spiel, seine Philosophie besorgte Fußball-Lehrer, die nach einem präzisen und auch praktischem Konzept (einem holländischen, nach Art von Wiel Coerver) arbeiten.
Zwar hat sich bei Niko Kovac schon die Paranoia festgebissen, dass alle, die das bisherige sportliche Konzept kritisieren, nur neidisch auf den reichen Mäzen dahinter sind - aber der ist als Trainer ja noch ein echter Newbie.
Realisiere deinen Traum, oder so...
Und Ricardo Moniz die allzu naive Beschönigung der aus rein wirtschaftlichen Kriterien entstandenen und als Anker für neue Absatzmärkte installierten Akademien in Ghana oder Brasilien vorzuwerfen, hieße, einen Experten für die eine Sache als Experten für alles andere fehleinzuschätzen.
Womöglich glaubt Moniz ja wirklich daran, dass das Engagement auf fernen Kontinenten dazu da ist, um "Kindern die Chance, ihren Traum zu realisieren".
Vielleicht ist er aber auch nur zu höflich um zu sagen, dass diese Fortsetzung des Kolonialismus mit neuen Mitteln in allererster Linie dazu dient, gute Geschäfte zu machen. Immerhin: "Red Bull ist ein globales Projekt", das weiß auch Moniz.
Als Ausbildner im Fußball-Schwellenland Österreich, endlich mit der carte blanche für nachhaltigen Aufbau ausgestattet, werden ihn derlei Überlegungen aber ohnehin nicht anfechten lassen.
Und deshalb kann Salzburg jetzt, erstmals seit dem Red Bull Engagement, tatsächlich die Kurve kriegen. Zeit wär's.