Erstellt am: 9. 5. 2011 - 12:45 Uhr
Grüne und alternative StudentInnen - GRAS
Von 24. bis 26. Mai können Österreichs Studierende ihre Interessensvertretung für die nächsten zwei Jahre wählen.
Wir stellen euch eine Woche lang die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen der vergangene Wahl in die Bundesvertretung gewählten Fraktionen vor.
Heute: Janine Wulz und Maria Clar von GRAS, Grüne & Alternative StudentInnen
Janine Wulz
GRAS
- Spitzenkandidatin der GRAS bei den ÖH-Wahlen 2011
- 25 Jahre alt
- kommt aus Klagenfurt
- studiert Politikwissenschaft und Bildungswissenschaft in Wien.
Warum tretet ihr für die GRAS an?
Janine Wulz: Weil die GRAS die einzige Fraktion auf der ÖH ist, die bildungspolitisch extrem starke Positionen und Inhalte vertritt, die sich kompromisslos gegen Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen einsetzt, die aber gleichzeitig auch sieht, dass Gesellschaftspolitik und Bildungspolitik untrennbar miteinander verbunden sind und sich deshalb für beide Sachen sehr vehement einsetzt.
Bei der vergangenen ÖH-Wahl war Sigrid Maurer die GRAS-Spitzenkandidatin, ist dann auch ins Vorsitzteam der Bundesvertretung gekommen, das sind große Fußstapfen, in die ihr tretet, braucht es deshalb zwei Kandidatinnen?
Maria Clar: Nein. Ich glaube, jede von uns ist für sich gut und Sigrid Maurer ist natürlich auch sehr gut, wer von uns dann in die "Fußstapfen" treten wird, oder ob das jemand anderes von der GRAS machen wird, ist jetzt noch nicht klar. Es ist der Gras sehr wichtig gewesen, heuer ein Team zu haben, um auch die Gruppe und vor allem auch die Basisdemokratie wiederzuspiegeln.
Ihr habt schon ein paar Koalitionsmöglichkeiten ausgeschlossen. Mit dem Ring Freiheitlicher Studenten gibt es tatsächlich relativ wenige Schnittpunkte, mit der Aktionsgemeinschaft vielleicht ein bisschen mehr. Warum trotzdem ein klares Nein zu dieser Option?
Maria Clar: Vor allem bildungspolitisch gibt es eigentlich keine wirklichen Schnittpunkte und unserer Meinung nach macht die die Aktionsgemeinschaft als verlängerter Arm der ÖVP eine sehr studierendenfeindliche Politik, die sich nicht mit unseren Grundsätzen und unserem Engagement für einen freien Hochschulzugang vereinbaren lässt.
Maria Clar
GRAS
- Spitzenkandidatin der GRAS bei den ÖH-Wahlen 2011
- 22 Jahre alt
- kommt aus Klagenfurt
- abgeschlossener Bachelor in Soziologie
- studiert Gender Studies in Wien.
Was ist denn eurer Meinung nach die Hauptaufgabe der Österreichischen HochschülerInnenschaft?
Janine Wulz: Die Hauptaufgabe ist ganz klar die Vertretung der Interessen der Studierenden. Das heißt einerseits, sich vehement gegen Zugangsbeschränkungen, Knock-out-Prüfungen und andere studienfeindliche Bedingungen einzusetzen, mit dem Bundesministerium zu verhandeln, um möglichst gute Studienbedingungen in Österreich zu ermöglichen, und sich für gesellschaftspolitische Fragen, die natürlich auch Studierende betreffen, einzusetzen.
Bei der GRAS merkt man das Augenmerk auf gesellschaftspolitische Fragen stark, welchen Anteil an der Arbeit der ÖH sollen gesellschaftspolitische Themen haben?
Maria Clar: Ich glaube, das ist nicht so leicht zu trennen, weil bildungspolitische Themen gesellschaftspolitische Themen sind und sich alle anderen Anliegen miteinander verbinden.
Trotzdem ist zum Beispiel das Asylthema relativ weit weg vom Wissenschaftsthema.
Janine Wulz: Das würde ich so nicht sagen. Gerade Österreich als ein Staat, in dem rassistische Politik leider salonfähig ist, hindert einerseits internationale Studierende daran, überhaupt in Österreich zu studieren - die haben einfach keine Lust darauf, in einem rassistischen Land zu studieren. Andererseits gibt es Barrieren für viele Menschen, die hier studieren möchten. Menschen, die neben uns in Hörsälen sitzen, kommen in Schubhaft, werden abgeschoben. Das sind ganz klar Themen, die im Hörsaal genau so präsent sind wie sonst überall. Und ich glaube einfach auch, dass Studentinnen und Studenten ein großes Interesse daran haben, gesellschaftspolitisch etwas zu verändern.
Wenn man bedenkt, dass die Regierung selten, in letzter Zeit eigentlich nie auf die Vorschläge und Positionen der ÖH hört, und wenn sich auch der studentische Protest abseits der ÖH bildet, könnte man meinen, der Einfluss wäre sehr gering geworden.
Maria Clar: Aber er ist da. Und es ist auch eine gewisse Aufgabe der ÖH, es der Regierung nicht allzu leicht zu machen, ihre studierendenfeindliche, wissenschaftsfeindliche Politik durchzusetzen. Es hat durchaus Möglichkeiten gegeben, wo die ÖH sehr laut war, sehr stark war und auch gehört worden ist. Die ÖH ist zum Beispiel in Verbindung mit der uniko (Österreichische Universitätenkonferenz, Anm.) mit der Forderung nach den 300 Millionen Euro, die die Universitäten brauchen, herausgegangen. Es ist also möglich, dass die ÖH etwas macht. Es ist wichtig, dass die ÖH im Gegensatz zur Regierung eine gewisse unangenehme Rolle einnimmt und dadurch Verschlimmerungen abfedert.
Was war denn der größte Erfolg der letzten "Legislaturperiode", in der ja auch die GRAS im Vorsitz war?
Die drei größten Forderungen der GRAS (abgesehen von mehr Geld für die Unis):
- Ende der Diskriminierung von Studierenden aus Nicht-EWR-Staaten
- Verstärkte Frauenförderung
- Ende der Verschulung der Studienpläne
Janine Wulz: Ich glaube, der größte Erfolg der ÖH in den letzten zwei Jahren war, die ÖH wieder zu einer bildungspolitischen Playerin zu machen, laut und kritisch aufzutreten, auch gehört zu werden. Überhaupt Bildung wieder zu einem Thema in Österreich zu machen. Leider ist es nicht bis zur ÖVP und zur SPÖ durchgedrungen, welche wichtige Rolle Bildung in einer Gesellschaft spielt. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die ÖH da sehr viel geschafft hat: Dass viele Menschen in Österreich wissen, dass Bildung etwas ist, für das man sich einsetzen muss und wo in Österreich sehr viel sehr falsch läuft.
Maria Clar: Ein weiteres Beispiel: Anfang Dezember hat es den Entwurf für Zugangsbeschränkungen gegeben, der dann nicht beschlossen worden ist, nachdem die SPÖ-Parteizentrale besetzt worden ist. Daran war ja auch die ÖH maßgeblich beteiligt und auch wenn die Entscheidung der SPÖ nicht offen ausgesprochen etwas damit zu tun hatte, kann es da schon einen Zusammenhang geben.
Michael Fiedler, Radio FM4
Das größte Problem der Unis ist der notorische Geldmangel, aber abgesehen davon: Was sind eurer Meinung nach die drei größten Baustellen?
Maria Clar: Einerseits die Diskriminierung von Studierenden aus Nicht-EWR-Staaten. Da fällt ganz viel hinein, wie das fehlende passive Wahlrecht für die ÖH, die Studiengebühren, und so weiter. Die zweite große Baustelle ist die Frauenförderung und wie vor allem in höheren wissenschaftlichen Sphären mit den Chancen von Frauen umgegangen wird, wie schaut Wissenschaft aus, wie wird Wissenschaft geprägt. Und dann als drittes die Studienpläne, die Curricula. Wie sind die gestaltet? Da findet eine Verschulung des Systems statt. Es gibt immer weniger freie Wahlfächer, es gibt immer weniger Möglichkeiten für Studierende zu schauen, wie kann ich studieren, was mich interessiert, wie frei kann ich mein Studium gestalten. Da kann man auch ohne Geld etwas verändern.
Einer der großen Punkte in eurem Wahlprogramm ist der Feminismus. Es sind im vergangenen Jahr vier Rektorinnen an österreichischen Unis dazu gekommen. Von null auf vier, das ist doch schon ein großer Erfolg, oder?
Janine Wulz: Das ist natürlich ein großer Fortschritt, weil es alleine von der Vorbildfunktion her viel bedeutet, wie Frauen die gläserne Decke, die es ja immer noch gibt, mit sehr viel Arbeit durchbrechen können. Trotzdem braucht es auf allen Ebenen der österreichischen Universitäten ganz dringend Frauenförderung. Wir wissen, mehr als 50 Prozent der StudienanfängerInnen sind Frauen, bei den Abschlüssen sinkt der Anteil schon ein wenig. Wenn es dann um die Assistenzstellen geht, wird der Prozentsatz immer geringer, bei den Professorinnen sind wir dann nur mehr bei 17 Prozent. Bei den Rektorinnen sind es dann vier von 21. Das heißt, da ist noch sehr, sehr viel zu tun.
Die ÖH-Wahlen 2011 auf FM4
Von 24. bis 26. Mai können Österreichs Studierende ihre Interessensvertretung für die nächsten zwei Jahre wählen.
Wir stellen euch eine Woche lang die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen der Fraktionen der aktuellen Bundesvertretung vor.
- Alles rund um die ÖH-Wahlen 2011 findest du auch unter fm4.orf.at/oehwahl
Ein weiteres eurer Themen ist die Grundsicherung für Studierende. Wie soll die ausschauen?
Maria Clar: Das sollen 753 Euro für alle sein, unabhängig vom Alter und dem Einkommen der Eltern. Es soll die Möglichkeit geben, dass Studierende nicht mehr arbeiten müssen. Im Moment müssen 60 Prozent der Studierenden durchschnittlich 20 Stunden pro Woche arbeiten. Die Grundsicherung soll es ihnen ermöglichen, mehr Zeit für ihr Studium finden. Diese Grundsicherung soll das jetzige Stipendiensystem ersetzen.
Janine Wulz: Vielleicht im Detail: Eines der zentralen Elemente der Grundsicherung, wie wir sie uns vorstellen, ist, dass Studierende nicht mehr von ihren Eltern abhängig sind. Im Moment ist das Stipendiensystem so aufgebaut, dass davon ausgegangen wird, die Studentinnen und Studenten leben sowieso bei ihren Eltern, werden von ihnen unterstützt und kriegen dann eben noch Familienbeihilfe. Es bekommen nur 18 Prozent von allen Studierenden überhaupt ein Stipendium und das beträgt durchschnittlich 280 Euro im Monat, das ist kein Geld, von dem man sich ein Leben leisten kann. Das hat zur Folge, dass der Großteil der Studierenden neben dem Studium arbeiten muss und das ist der häufigste Grund für Studienabbrüche. Wenn wir also möchten, dass Menschen studieren können, dann müssen wir für ihre soziale und finanzielle Absicherung sorgen.
Maria Clar: Außerdem ist es absurd, dass alle erwachsenen Menschen Anspruch auf eine Mindestsicherung haben, nur Studierende nicht.
Ihr fordert auch ein Nachhaltigkeitskonzept für die Unis. Ist das so dringend notwendig? Ist das eine der vier größten Baustellen, wenn wir die Frage nach den drei größten erweitern?
Janine Wulz: Es gibt mehrere große Baustellen, das Nachhaltigkeitskonzept ist für mich persönlich keine der Top-Drei-Prioritäten, aber durchaus eine, die sehr dringend umgesetzt werden muss. Die Energiepolitik ist am Ende, wir haben Peak-Oil erreicht, wir haben gerade eine Atomkraftwerkskatastrophe, es ist klar, dass umweltpolitisch ein Umdenkprozess einsetzen muss. An den Universitäten, an denen die GRAS in der Exekutive sitzt, ist das in den vergangenen Jahren schon sehr erfolgreich angelaufen. Die ÖH an der Uni Salzburg hat zum Beispiel mit der Universität gemeinsam an einem Nachhaltigkeitskonzept gearbeitet und das ist jetzt in der Umsetzungsphase. Es ist möglich, da ganz viel zu tun, auch ohne großen Aufwand.
Die GRAS bei den ÖH-Wahlen 2009
GRAS
In der aktuellen Bundesvertretung stellt die GRAS 15 von 85 Mandaten.
Das beste Ergebnis hatte die GRAS bei der Wahl 2009 an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien mit 42,0 %.
Kommen wir zum großen Thema Geld: Ihr fordert die im Regierungsprogramm enthaltene Anhebung des Hochschulbudgets auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, dazu die schon angesprochene Grundsicherung, ihr seid andererseits gegen Studiengebühren und auch kritisch gegenüber Drittmittelfinanzierungen eingestellt. Woher soll das ganze Geld kommen?
Maria Clar: Beispielsweise durch die Reformierung des Steuersystems. In vielen europäischen Ländern gibt es vermögensbezogene Steuern, die kann es durchaus auch in Österreich geben, wodurch dann eine gewisse Form der Umverteilung passieren würde. Und das Geld kann für Bildung verwendet werden.
Janine Wulz: Österreich ist das viertreichste Land Europas. Österreich ist sehr wohl - wie wir bei diversen Bankenrettungsprojekten, wie wir bei diversen Tunnelbauten mitbekommen - in der Lage, Milliardenbeträge für Projekte aufzustellen, die im Interesse der schwarz-roten Bundesregierung liegen. Ganz offensichtlich ist Bildung kein Anliegen dieser Bundesregierung. Sonst wäre es wohl als ersten Schritt möglich, die 300 Millionen Euro zu finanzieren, die den Universitäten fehlen, um überhaupt den Betrieb aufrechterhalten zu können.
Die Diskussion um den Bologna-Prozess, also die Umstellung auf das Bachelor-Master-System, reißt nicht ab. Momentan geht es darum, dass in einigen Studienrichtungen kein Master angeboten wird bzw. es zu wenige Plätze gibt und es dadurch Studierende gibt, die nach dem Bachelor in der Luft hängen und in ihrem Studium nicht weiterstudieren können. Was ist eure Meinung zum Status Quo?
Maria Clar: Die Implementierung des Bachelor-Master-Systems in die Hochschulen ist schlecht und viel zu schnell gemacht worden, das muss auf alle Fälle reformiert und noch einmal überdacht werden.
Janine Wulz: Das Problem ist, dass - meist aus Budgetmangel - versucht wird, Studierende aus dem Studium rauszuboxen, zum Beispiel mit den neuen Studieneingangsphase und Knock-Out-Prüfungen. Wir haben es da auf den Instituten mit einem Konkurrenzkampf zu tun, den die Studierenden untereinander austragen müssen. Es gibt Leute, die sich weiterbilden wollen und die dann systematisch rausgekickt werden. Und das geht überhaupt nicht.
Knock-Out-Prüfungen waren lange Zeit fixer Bestandteil mancher Studien, das hat einfach dazugehört, in der aktuellen Diskussion wird gerne der Leistungsbegriff eingebracht. Die GRAS fordert: "Weniger Leistungsdruck und mehr Zeit zum Studieren". Was muss ein Student, was muss eine Studentin eurer Meinung nach leisten?
Janine Wulz: Studenten und Studentinnen müssen vor allem ein Interesse daran haben, sich weiterzubilden, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen, für sich Wissen zu generieren, Dinge kritisch zu hinterfragen und sich die großen Fragen stellen: Was läuft in einer Gesellschaft gut, was falsch und wohin kann und soll sich das entwickeln? Was für technische Innovationen braucht es dafür, welche Forschung auf verschiedenen Gebieten braucht es dafür? Deshalb, glaube ich, brauchen wir ja auch Bildung. Damit sich die Gesellschaft weiterentwickeln kann. Die jetzige Bildungspolitik geht davon aus, dass man möglichst schnell studieren soll, Studentinnen und Studenten stopfen nur noch Wissen in sich hinein, das möglichst schnell reproduzierbar sein soll. Für Arbeit mit dem Wissen, für Hinterfragen, für Kritisieren, dafür ist da gar kein Raum mehr.
Maria Clar: Ich finde auch, dass es nicht heißen soll, was soll der /die StudentIn leisten, sondern das soll heißen, was soll Bildung können und was soll mit Bildung gemacht werden können.
Was haltet ihr denn vom neuen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle?
Maria Clar: Wir glauben, dass es nicht viel schlimmer kommen kann nach Gerer, Hahn und Karl. Wir hoffen, dass es gerade bei Sachen wie Demokratisierung der Universitäten, Demokratisierung der Hochschulen es möglich ist, mit ihm zusammenzuarbeiten. Und wir sind stark dagegen, wenn er weiterhin diese ÖVP-Linie für Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen fahren würde. Und wenn wir in die ÖH kommen, wird er mit Widerstand zu rechnen haben, wenn er weiterhin auf diesem ÖVP-Weg bleibt.
Zum Abschluss: Was war denn die letzte Prüfung, bei der ihr durchgefallen seid?
Maria Clar: Oje. In meinem Bachelor Soziologie habe ich das Erweiterungscurriculum Anglistik schlussendlich aufgegeben, aufgrund dessen, dass ich bei den Prüfungen nicht ganz so gut abgeschnitten habe, wie erhofft.
Janine Wulz: Ich bin erst bei einer Prüfung durchgefallen, das war die Prüfung zu "Einführung in die Europäische Politik", wo ich wirklich einfach zu schlecht vorbereitet war.