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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

8. 5. 2011 - 13:48

Song Zum Sonntag: Wild Beasts

Schmerz und Funk: Bed of Nails

Mit dir will ich überall liegen, jedes Nagelbett wäre mir recht, das mir eine Wunde reißt, in die ich ein Herz tätowieren lasse, das von einem Anker durchbohrt wird. Umhülle mich wie ein warmes Bad, fasse mich zusammen wie eine Grabinschrift, sei streng wie ein Beamter, ich will, dass unsere Lippen Blasen bekommen, wenn wir uns küssen.

Frailty, Thy Name is Band. Die Zartheit und Euphorie, die der Gesang von Hayden ausstrahlt, wird von einem spätromantischen Text unterstützt, wie man ihn auch von Engländern nur noch selten hört. Seine Geliebte ist Hamlets Ophelia, die - obwohl von ihrem scheinbar wahnsinnig gewordenen Geliebten verstoßen und verspottet - stets da ist. Das ist alles, was sie sein muss: da. Bevor er einschläft, muss er sich nur vergewissern, dass sie da ist und er liegt ruhig die ganze Nacht, ein Haufen dürrer Glieder. Dann tut er alles für sie und fürchtet den Schmerz nicht und nicht das karge Nagelbett, nicht die Wunden und die Blasen auf den Lippen.

Über die Wild Beasts macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

Auch die vielleicht berühmteste Nacht der englischen Literaturgeschichte taucht auf: Die Shelleys am Genfer See, wie sie am Kaminfeuer den Schauerroman erfinden, wie sie (oder besser sie, Mary) den Galvanismus als Metapher für die Lebensenergie erfindet, der der traurigsten Kreatur der Welt, dem kultivierten und sensiblen Monster von Frankenstein, den Funken des Lebens verschafft.

Der Sound, der diese Elegie trägt, ist alles andere als zart oder elegisch: Polyrhythmisches Schlagzeug, flirrende Keyboardlinien, durch Echokammern vervielfältigte, schräge Gitarrenlicks. Hinter dem Selbstbild des Artisten als junger Mann lauert noch der alte britische Traum vom weißen Funk, gepaart mit der Vision von experimenteller Popmusik, dieVision der Erblinie von A Certain Ratio, Talk Talk und Radiohead, über der hier, wie bei vielen so verschiedenen Bands wie Yeasayer oder den Mystery Jets, ganz viel Robert Fripp wacht, mit seinen späten, von Hippietum befreiten King Crimson, der am technokratischsten klingenden Band, die ich kenne.