Erstellt am: 5. 5. 2011 - 14:54 Uhr
Spielemacher in Berlin
"Die Deutschen können eben nicht richtig feiern", fasst Wolf Lang vom Hamburger Games-Studio Threaks das Problem etwas überspitzt zusammen. Tatsächlich fehlt den Deutschen Gamestagen jegliche glamoröse Stimmung. Kühne Visionäre, freche Dissidenten und unkonventionelle Indies trifft man hier selten. Stattdessen konzentriert man sich ganz aufs geradlinige Geschäft und versucht, mit Anzug, Krawatte und kühlem Kopf Deutschland endlich als international wichtigen Mitspieler in der Videospielentwicklung zu etablieren.
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Diese Angepasstheit löst natürlich den ewigen Knoten der deutschsprachigen Games-Entwicklung nicht. Es ist weiterhin ein Hinterherhecheln zu jenen Standards, die vornehmlich in den USA geschmiedet werden - derzeit weiterhin das Thema Social Games und das Spielen mit und in der Cloud. Einziger Rausreißer mit internationaler Relevanz ist der Browser-Games-Markt. Branchenriese Bigpoint aus Hamburg, Hauptsponsor der Deutschen Gamestage, scheint von Jahr zu Jahr mehr das Gesamtbild von deutschsprachigen Games-Konferenzen zu prägen. In kultureller Hinsicht ist das ein Rückschritt, denn statt Narration und innovativem Gameplay ist in der Welt der Browsergames alles darauf angelegt, Werbekunden zufrieden zu stellen und dafür zu sorgen, dass möglichst viel virtuelle Gegenstände und Dienstleistungen gekauft werden. Das Ergebnis: Inhaltliche Klischees, hässliches Artwork, tumbe Spielmechaniken.
Das Adventure zum Angreifen
Dem gemeinen Browsergame entgegen stemmt sich eine oft schon totgeglaubte Spielegattung: Die interaktive Geschichte bzw. das Adventure. Einer ihrer Pioniere ist Charles Cecil mit seiner Firma Revolution Software, die seit 20 Jahren mit Titeln wie "Beneath a Steel Sky" oder der "Baphomet's Fluch"-Reihe erfolgreich ist. Seit einiger Zeit werden diese Games Zug um Zug für iPhone und iPad wiederveröffentlicht. Der große Vorteil: Man spart sich als Hersteller die hohen Kosten für Vertrieb und Handel und nimmt dafür in Kauf, Apple dreißig Prozent der Umsätze zu überlassen.
Robert Glashüttner
Charles Cecil sieht darüber hinaus die Spielsteuerung am Touchscreen als eine große Bereicherung an. Es sei sogar eine Verbesserung gegenüber dem alten "Point and Click"-System. Man würde jetzt noch mehr ins Spiel und die Geschichte hineingezogen werden. Der Erfolg gibt dem Mann recht: Pro Wiederveröffentlichung - Kostenfaktor circa 5 Euro pro Spiel - würden rund 200.000 Lizenzen verkauft werden. Wenn das Geschäft mit den Adventures wieder gut läuft, sagt er, würden zwei ganz neue Revolution-Spiele veröffentlicht werden.
Einen Stock tiefer sitzen Cecils Nachfolger: Studentinnen und Studenten und frischgebackene Jungunternehmer, die ihre ersten Games präsentieren. Auch hier profitiert man von der Möglichkeit, sein Spiel ohne Zwischenstationen direkt an den Konsumenten verkaufen zu können.
Robert Glashüttner
Mareike, Alexander und Sebastian zeigen ihr Spiel "The Inner World", ebenfalls ein Adventure für Apple-Geräte und mit einem entzückenden Artwork ausgestattet. Wie viele Games-Projekte von jungen Teams, hat auch die Arbeit zu "The Inner World" noch während des Studiums begonnen. Jetzt hat man den Schritt hin zur eigenen Firma gewagt. Das Feedback auf den Deutschen Gamestagen fällt für "The Inner World" gut aus. Abenteuerspiele für iPhone und iPad haben die nötige Breitenwirkung und sind dennoch mit einem überschaubaren Budget gut umsetzbar.
Robert Glashüttner
Robert Glashüttner
Indie Connect
Die Student/innen sind leider etwas versteckt im Untergeschoss untergebracht und müssen nach dem zweiten von den insgesamt drei Konferenztagen auch schon wieder abreisen. Einige von ihnen sind aber trotzdem auch für den letzten Tag geblieben, denn da haben die vermeintlichen Underdogs den großen Saal zugewiesen bekommen: Der Games-trifft-Kunst-Verein A MAZE. aus Berlin hat zu einem zweistündigen Indie-Games-Panel ("Indie Connect") geladen. Hier soll das Fundament gelegt werden für eine deutschsprachige Szene der kleinen, unabhängigen Videospielentwickler.
Robert Glashüttner
Kurator Thorsten Wiedemann hat Proponenten von Wien bis Hamburg auf der Bühne versammelt, die sich in kurzen Vorträgen alle einzeln präsentieren und dann gemeinsam überlegen, wie man sich zukünftig auch längerfristig vernetzen könnte. Die Unterschiede in Ideologie und Selbstverortung kristallisieren sich jedoch schnell als erste Bremse heraus. Es scheitert schon an der Frage, wer, wann und warum überhaupt Indie ist oder nicht. Die einen machen ein aufwändiges Kinderspiel im 15-köpfigen Team, andere zu dritt ein Derivat einer bekannten Idee, eine weitere Gruppe schwört auf spielerische Innovation. Lokalpatriotismus macht sich latent breit, beim nächsten Mal könnte man sowas doch auch mal in München oder Dortmund abhalten.
Robert Glashüttner
Doch noch gut gefeiert
Radiotipp: Die Deutschen Gamestage sind heute auch in FM4 Connected zu hören. Dabei wird Patrick Rau vom Spieleentwickler Kunst-stoff zu Wort kommen, der mit seinem Team das Spiel Pudding Panic entwickelt hat.
Entgegen des einleitenden Zitates, dass in der deutschsprachigen Games-Branche nicht gut genug gefeiert würde, hat A MAZE. neben dem Indie Connect auch noch eine aufwändige Abschlussparty mit viel guter Musik, Livekonzerten, Kunstausstellungen und experimentellen Spielprojekten auf die Beine gestellt. Auch hier ist es noch eine etwas räudige Mischung, der es an klarer Ausrichtung fehlt. Doch mit der bereits vorhandenen Zuversicht wird in den kommenden Jahren auch die Berliner Spieleentwicklerkonferenz an Identität und Relevanz gewinnen.
Robert Glashüttner