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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

6. 5. 2011 - 16:13

Infant Terrible

In "Arthur" darf Russell Brand wieder plakativ in Fettnäpfchen treten. Notizen zum sympathischsten Gockel in Sachen Rock'n'Roll-Comedy.

Es ist auf den ersten Blick eine dieser Biografien aus der Hölle. Ein kleiner Bub wächst in der englischen Provinz auf, allein bei seiner Mutter, die erkankt zweimal an Krebs, mit sieben Jahren wird der übergewichtige Junge von einem Lehrer sexuell missbraucht. In der Pubertät zeigen sich die Folgen der angestauten Trostlosigkeit: Bulimie, Drogensucht, Alkoholismus.

Mitte der Neunziger versucht sich Russell Brand, so heißt der Bursche, als Schauspielaspirant auf Londoner Bühnen. Er scheitert immer wieder am inneren Chaos, zuckt unzählige Male aus, taumelt als Junkie durch die Straßen von Camden.

"When I was drinking a bottle of vodka a day, doing a couple of grams of coke, smoking a few rocks of crack and digging in for a couple of bags of smack, it was not a party."

Viele Jahre später wird Brand einen Bestseller über sein Leben in der Gosse schreiben und wie er es aus der Abwärtsspirale heraus schaffte. Denn es gibt, ganz Hollywood-like, ein Happy End in dieser Geschichte.

Früher wurden die Russell Brands dieser Welt typischerweise Musiker. Wir kennen das zur Genüge, der Rock'n'Roll als Auffangbecken für Abstürzler, Hardcore-Bohemians und Durchgebrannte. Nun sieht Herr Brand zwar aus wie ein wandelndes Rock'n'Roll-Klischee. Aber er macht sich gleichzeitig extrem lustig darüber. Der Mann ist Brachial-Komiker, eine britische Lachkrampf-Institution.

Get Him To The Greek

UIP

Vor dem großen Durchbruch gilt Brand als unberechenbarer Comedy-Anarchist. Als VJ bei MTV holt er einen Drogendealer in seine Sendung, raucht angeblich on air Crack mit ihm. Am Tag nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erscheint er als Osama Bin Laden verkleidet im Studio.

Der Sender feuert Russell Brand, aber die Skandale verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Auf einer Welle der wüsten Publicity dahinsurfend, spezialisiert sich der Brite als Standup-Comedian auf Sex, Drogen und Provokationen. Und wird zu einer Art Nationalheld.

"I hate parties. I hear the word and my heart sinks. Parties are work for me now. I don't drink, I'm married."

Heute ist er demonstrativ clean, aufgeräumt und mit einer gewissen Katy Perry verehelicht. Aber auch in seinem neuen Job als Hollywoods Comedy-Bad-Boy zehrt Brand von der eigenen Vergangenheit. In der famosen Beziehungskomödie "Forgetting Sarah Marshall" taucht erstmals sein Alter Ego, der sexsüchtige Rockstar Aldous Snow auf. Russell Brand zieht alle Register des Verstrahltseins.

Der Film wird zum großen Erfolg, die Welt schreit berechtigerweise nach einem Aldous Snow-Comeback. In "Get Him To The Greek" darf der abgetakelte Rocker einen naiven Plattenfirmenburschen (Jonah Hill) im wahrsten Sinn des Wortes exzessiv quälen. Willkommen zur ultimativen Komödie über das aktuelle abgewrackte Musikbusiness.

Get Him To The Greek

UIP

2011 ist der Ex-Junkie, Ex-Trinker, Ex-Womanizer endgültig im Mainstream gelandet. Als Sprecher für Animationsfilme wie "Despicable Me" oder zuletzt "Hop" scheint Russel Brand besonders gefragt. Und dann ist da sein neuer Film "Arthur", der nun bei uns anläuft. In der Titelrolle drückt Brand wieder einmal alle entsprechenden Knöpfe. Als hochgradig infantiler Millionenerbe, dessen Leben wie ein einziger langer Onenightstand abläuft, wird er von einer Nanny umsorgt, die ihn seit Kindheitstagen betreut.

"Arthur" ist im Grunde eines dieser eher belanglosen Remakes, die gerade am laufenden Band produziert werden, in diesem Fall stammt die eher unbekannte Vorlage mit Dudley Moore aus dem Jahr 1981. Irgendwo zwischen berechenbaren Romantic Comedy-Klischees und dem Prädikat "Jugendfrei" verhaspelt sich der Film, die vulgären Trademark-Witze von Russell Brand verpuffen oft im Nichts.

"Children's parties are fun. Kids don't need alcohol, they'e already on something... even better is staying at home watching DVDs without anyone bugging me about a party."

Es sind die weiblichen Gegenparts, gespielt von der ikonenhaften Helen Mirren und der wunderbaren Greta Gerwig (die in "Greenberg" schon Ben Stiller retten durfte), die "Arthur" letztlich sehenswert machen, weniger die Hauptfigur.

Eingefleischte Russellianer kommen an dem Streifen trotzdem nicht vorbei. Stellt sich aber die Frage, wie konsensfähig Brand noch werden kann, ohne seine Kontroversheit ganz einzubüssen. Wir sind gespannt und warten ab - und zerkugeln uns inzwischen zu alten Auftritten von Mr. Russell Brand.

Alle Zitate aus "Total Film".

Arthur

Warner