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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

4. 5. 2011 - 11:29

Der Prinz und die Roma

Prinz Charles war mal Trauzeuge bei einer Romahochzeit in Bulgarien. Von der Hochzeit seines Sohnes wollten die Roma aber nichts wissen.

In der Wiener Lugnercity wurde letzte Woche ein „Public Viewing“ der Hochzeit des britischen Thronnachfolgers organisiert. Die übliche Lugner-City-Klientel, die mehrheitlich aus Roma besteht, zeigte aber wenig Interesse an der, auf einer riesengroßen Leiwand laufenden, "Royal Wedding". Vergeblich versuchten einige Fernsehteams in der Lugnercity einen Royalfan zu finden, den man über „Will und Kate“ befragen könnte. Die Roma zeigten sich wenig begeistert für die köngliche Hochzeit. Schließlich gab es ja keine Roma, die zur Hochzeit eingeladen waren. Ganz anders die Royals. Sie waren mal bei Romahochzeiten in Bulgarien gern gesehene Gäste.

Prinz Charles kam 1998 zum ersten Mal nach Bulgarien. In der zweitgrößten Stadt Plovdiv wollte Charles, neben dem Treffen mit dem damaligen bulgarischen Präsidenten Petar Stoyanov, unbedingt einen Besuch im Roma-Ghetto von Plovdiv machen. Das trieb die Gastgeber in den Wahnsinn, man wollte sich schließlich von der schönsten Seite präsentieren. Der Stadteil Stolipinovo, der mit rund 40 000 Einwohner wahrscheinlich das größte Roma-Ghetto Europas ist, ist sicher nicht ebenjene schönste Seite. Zu den Pflichten eines Prinzen gehört aber, sich mit den Ärmsten und Schwächsten zu treffen. Man fand schnell eine Lösung. Während des Besuch des britischen Thronfolgers sollte ein Romapaar heiraten. Die Hochzeit sollte Stolipinovo vor dem adligen Besucher einen romantischen Touch verleihen.

Romaghetto Stolipinovo in Bulgarien

APA Fotograf : ANDREAS TRÖSCHER

Das Treffen mit dem Präsidenten verlief nicht ganz nach Plan. In dem Raum, wo das Treffen stattfinden sollte, befand sich zufällig ein Klavier.Völlig außerhalb des Protokolls setzte sich der als „Beatles“-Liebhaber bekannte Stoyanov ans Klavier und fing an „All you need is love“ zu spielen und dabei laut zu singen. Der Prinz sang mit. Offensichtlich angeheitert von dem Duett mit dem bulgarischen Präsidenten ging Charles zu der Roma-Hochzeit in Stolipinovo. Gewollt oder ungewollt wurde Prinz Charles zum Trauzeugen von Valtscho und Zhivka Atanassovi. Der britische Thronfolger spielte seine Rolle gut. Augenzeugen bemerkten jedoch, dass er sich nach jedem Handschütteln mit den Bewohnern von Stolipinovo insgeheim die Hände mit einem nassen Taschentuch abwischte.

APA/EPA

Zu Ehren ihres Trauzeugen nannten Valtscho und Zhivka ihre erstgeborene Tochter Diana (damals war Camilla noch nicht aktuell, außerdem heißt Camilla auf bulgarisch Kamel, was auch für Roma-Familien unakzeptabel klingt). Ein paar Jahre nach der Hochzeit wurde die finanzielle Lage der jungen Famillie immer schlechter. Der Kühlschrank war leer und die kleine Diana war ständig krank. Valtscho Atanassov schrieb mehrere Briefe an den Buckingham Palace, in denen er um die finanzielle Hilfe seines königlichen Trauzeugen bat.

Er wollte mit dem Geld „ein Geschäft anfangen“. Dabei schickte er immer ein Foto von der kleinen Diana mit. Valtscho bekam eine Antwort. Vom Sekretariat Prinz Charles' erfuhr er, dass „materielle Unterstützung nicht zur Praxis der königlichen Familie gehört“. Ich frage mich, ob sich die Angestellten im Buckingham Palace nach der Öffnung des Briefes auch die Hände mit einem nassen Taschentuch abgewischt haben. Jedenfalls war die Enttäuschung bei Valtscho so groß, dass er seine Tochter von Diana in Evgenija umbennen ließ.

Ich weiß nicht, ob die Familie aus Plovdiv sich das „Royal Wedding“ letzte Woche im Fersehen angeschaut hat, oder - wie ihre Brüder und Schwestern in der Lugner City - darauf verzichtet hat. Schließlich ist das ein Ereignis, dem man nicht so viel Aufmerksamkeit schenken muss.