Erstellt am: 29. 5. 2011 - 13:26 Uhr
Natürlich essen
Wenn wir uns die Buchneuerscheinungen ansehen, wenn wir Zeitung lesen oder Fernsehen, kommen wir um ein Thema nicht herum: ums Essen und darum, dass Essen nicht einfach Nahrungsaufnahme bedeutet, sondern Gesundheit, Identität, politisches Bewusstsein, Empathie. Wir wollen uns, soweit wir es uns leisten können, vernünftig ernähren. Die Produktion der Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, soll nach Möglichkeit nachhaltig erfolgen.
Bio ist die kurze und vieldeutige Formel, die der moderne Konsument auf der Ware aufgeprägt sehen möchte, die im Einkaufskorb und letztlich im Magen landet. Und was lange Zeit nur die Kleinhändler im Angebot hatten, liefert auch schon jede Supermarktkette: Bio in unterschiedlichen Preisklassen und für jeden Geschmack.
Aber wovon sprechen wir, wenn wir von Essen sprechen? Was essen wir tatsächlich, wenn wir biologisch essen? Was bedeutet bewusste Ernährung? Was steckt hinter der schönen neuen Welt des Essens? Warum sollen wir anständig essen? Wie entkommen wir der Ernährungsdiktatur? Und warum soll Essen tatsächlich mehr sein als Nahrungsaufnahme - also etwa auch Haltung, Ideologie, Konsumkritik und gar Genuss?
Quadriga ist eine öffentliche Buchpräsentationsreihe der Nationalratspräsidentin, bei der Bücher aus den Bereichen Politik und Zeitgeschichte, Recht und Wirtschaft sowie Kunst, Kultur und Literatur dem Publikum vorgestellt werden. Über die Werke diskutieren wechselnde Gäste am Podium mit Peter Zimmermann (Ö1) und Zita Bereuter.
Darüber diskutieren in der Verantaltungsreihe "Quadriga":
- Hans-Ulrich Grimm, Journalist und Autor und Geschäftsführer von Dr. Watson Der Food Detektiv, die auch den Internetdienst www.food-detektiv.de betreiben,
- Werner Lampert, Biopionier in Österreich - er war bereits 1994 maßgeblich beteiligt bei der Einführung der Marke "Ja, natürlich" für den Billa-Konzern und vor wenigen Jahren hat er für die Hofer-Kette die Marke "Zurück zum Ursprung" konzipiert - und Autor,
- Petra Lehner, Ernährungswissenschaftlerin, Konsumentenschützerin und Vorsitzende der Nationalen Ernährungskommission sowie
- Wolfram Siebeck, kulinarischer Kolumnist in der Zeit und Autor
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Und hier die Bücher, die besprochen werden:
Karen Duve: Anständig essen. Ein Selbstversuch. Galliani Berlin 2011
Karen Duve versucht sich zu einem besseren Menschen zu essen. Mehr in der Rezension Gewissensbisse machen nicht satt.
Hans-Ulrich Grimm: Der Bio-Bluff. Der schöne Traum vom natürlichen Essen. Hirzel 2011
Das Label BIO hat sich in den letzten Jahren von den kleinen Bioläden emanzipiert und ist überall in den Supermärkten präsent: Milch, Butter, Eier, Fleisch, aber auch unterschiedliche Käsesorten, bis hin zu Süßigkeiten. Doch die Welt der Bio-Nahrung hat sich grundlegend verändert, schreibt Hans-Ulrich Grimm. Ist Bio aus dem Supermarkt wirklich Bio? Oder geht es unter anderem darum, eine Klientel, die bereit ist, für Bio mehr zu zahlen, abzukassieren? Hans-Ulrich Grimm hat in der Landwirtschaft und der Industrie recherchiert und dabei auch die Schattenseite des Bio-Booms entdeckt: den Betrug am Kunden. So führte die Suche nach glücklichen Hühnern mal zu dubiosen Briefkastenfirmen, ein anderes Mal in Tierfabriken. Und Bio-Eier können mitunter schlichtweg gefälschte Eier aus Massentierhaltung sein.
Tanja Busse: Die Ernährungsdiktatur: Warum wir nicht länger essen dürfen, was uns die Industrie auftischt. Blessing 2010
Tanja Busse hat bereits vor fünf Jahren mit dem Buch "Die Einkaufsrevolution"die Macht des Konsums beschrieben. Sie geht davon aus, dass Konsumenten mit ihrem kritischen Konsumverhalten den Markt ändern können. So auch in ihrem aktuellem Buch: "Die Ernährungsdiktatur. Warum wir nicht länger essen dürfen, was uns die Industrie auftischt." Rote Grütze etwa, in der nicht die geringste Frucht ist, Käseimitate oder luftige Brötchen – letztlich kritisiert sie ein Überangebot, das dem Konsumenten eine Auswahl vorgaukelt, die gar nicht gegeben ist. Tanja Busse schreibt gegen diese Betrügereien und Lügereien an und bringt auch etliche globale Beispiele – etwa Genmais aus Argentinien oder die Hühnerreste, die von Deutschland nach Kamerun gebracht werden, mit subventionierten Dumpingpreisen, die die Kleinbauern in Kamerun in den Bankrott führen.
Wolfram Siebeck: Siebeck isst unterwegs. Residenz Verlag 2011
Kulinarische Reiseberichte von Frankreich über Wien (seine alte Liebe) nach Prag. Von Monte Carlo über Istanbul nach Tokio (wo er zu einer Zeit Sushi isst, in der in Europa Stäbchen maximal zum Stricken oder Mikadospielen verwenden werden). Quer durch die Welt, auf hoher See und in der Luft - allerdings entsprechen die Reiseziele oft nicht unbedingt dem Budget von Studierenden ...
Ausschnitte aus dieser Diskussion in der Homebase Spezial am Montag, 30. Mai 2011.