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Elisabeth Gollackner

Subjektivitäten, Identitäten und andere feine Unterschiede.

5. 5. 2011 - 11:09

Oh! Alles neu

Verfluchte Veränderungen, klebrige Küsse und die Frage, ob ein Schlitz als Maß aller Dinge tatsächlich ausreicht.

Oh! - Irritationen im Alltag

"Des geht net über de Maschin, oder?"
High Noon in der leergeräumten (weil zum Umbau freigegebenen) Postfiliale ums Eck. Zwei Postbeamte, eine Waage, ein Luftpolsterkuvert. Und bevor das nicht weitergeht, geht nichts weiter.

"Freilich geht des über de Maschin."
"Greif des mal an, des geht nie über de Maschin."
Beide graben ihre Finger ins Kuvert, drücken halbherzig drauf herum. Die österreichische Post macht gerade eine turbulente Zeit durch: es wurden neue Regelungen für Gewicht, Format und Briefmarken eingeführt. Trotzig maunzt der eine: "Aber durch den Schlitz gehts durch."

Comicstil; jemand denkt an eine leere Briefmarke

elisabeth gollackner, fm4

Der "Schlitz", das sind postfächerartige Schablonen, die den Beamten die Preis-Einteilung erleichtern sollen und deshalb wunderbar CI-getreu, jedoch zutiefst verachtet auf rückwärtigen Regalen ihr Dasein fristen. Früher wurde ein Brief fachmännisch in der bloßen Hand auf- und abgewogen und die Augenbraue gelupft. Heute ist diesem Business alles Menschliche fremd.

"Durch den Schlitz gehts durch, ja."
"Aber durch de Maschin gehts net."
Und mit einer Handbewegung, die den jahrhundertlangen Frust schwerarbeitender Menschen über sinnlose neue Forderungen ihrer Herren zusammenfasst, schreit der Postbeamte:
"Für was haben wir dann den neuen Schlitz?!"

Eine alte Dame, die wie aus dem Nichts erscheint (was keine große Überraschung darstellt; alte Menschen und Postfilialen, das gehört zusammen wie Katzenvideos und Internet) drängt vehement nach vorne und bestellt Briefmarken.
"Die sind jetzt neu, selbstklebend", wird ihr erklärt. Sie befeuchtet ihre Lippen und fragt: "Aber was muss ich da jetzt genau tun?"
"Einfach abziehen."
Die alte Dame schleckt sich nochmal nervös über die Lippen. Und ich vermute, dass man sich in den kommenden Wochen vor den Bussis klebriger "Generation 60+"-Mäuler ein wenig fürchten wird müssen.