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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

30. 4. 2011 - 20:03

Fußball-Journal '11-35.

Drei aktuelle Belege für die These, dass sich die Strukturen der Lebenspraxis nirgendwo besser lesen lassen als im Fußball.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit drei Fußball-Geschichten, die uns alles übers Leben erzählen.

Jose Mourinho erzählt etwas über die Gefahr angewandten Populismus'.
Der lizenzlose Herr Trenkwalder erzählt uns was über das Selbstverständnis österreichischer Unternehmer.
Und die Akteure bei Rapid Wien belegen tatkräftig, wie gefährlich dumm es ist, Erfolge eines Betriebs ausschließlich an den Personen an der Spitze festzumachen.

Der grausliche Herr Mourinho

Jose Mourinho ist der beste Fußball-Trainer der Welt; eine strategische Maschine, ein Napoleon, ein Instinktkönner, der sich jeden Tag aufs Neue in seiner Arbeit beweisen will.
Jose Mourinho war diese Woche die Nummer 1 der Liste global Verhaltensauffälliger. Nach einer Niederlage seiner aktuellen Mannschaft, Real Madrid, konnte er nicht umhin, seinen Ärger darüber in mehreren perfid-bösartigen Suaden seinen Lauf zu lassen.
Dabei war nichts anderes passiert, als dass seine Taktik nicht aufgegangen war. Mourinho wollte den in jeder Hinsicht überlegenen Gegner durch eine Stahlbeton-Taktik mürbe machen - nachdem er in einer anderen Begegnung in der Woche zuvor (im spanischen Cupfinale) überraschend eine Halbzeit wirklich mitspielen ließ. Das ging aus mehreren Gründen (übergroße Härte seiner Akteure, aber auch die falsche Personalwahl von seiner Seite) schief.

Mourinho hat aber eine Persönlichkeit von sich erschaffen, die derlei nicht einfach so hinnehmen kann. Das hat er clever gemacht, indem er eine klassische Zuschreibung der Öffentlichkeit ausnützt. Und zwar das "In seinem Fach ein Genie, aber menschlich eine Drecksau!"-Axiom.

Es mag einige Menschen geben, bei denen das tatsächlich so läuft. Die meisten öffentlichen Personen, die so vorgehen, machen das aus reinem Kalkül. Bei jenen, die in einem Bereich tätig sind, in dem strategische Vorgangsweise extrem wichtig ist (also Sport, Bildende Kunst, Intendanz-Wesen etc.) sind es praktisch alle.
Natürlich auch Jose Mourinho.
Der weiß ganz genau, dass er Scheiße redet, dass keiner seiner wilden Vorwürfe oder Behauptungen stimmt.
Aber er weiß, dass er mit solchen Attacken bei der großen Gruppe der Anhänger (egal ob seiner Person oder seines Unternehmens, im vorliegenden Fall Real Madrid) punktet, als starker Mann gilt. Und er weiß, dass auch seine und des Clubs Gegner, also Menschen, die über die Inhalte seiner Hassreden entsetzt sind, sein Image als harter Hund festigt; und ihnen indirekt und ganz geheim Respekt abringt. Weil uns Menschen das Drecksau-Sein ja nicht fremd ist (weil diese Sau in uns allen steckt) und weil man öffentlich mit diesen Attacken besser ankommt, als mit weichen Versöhnungs-Gesten oder gar mit dem Versuch differenziert zu argumentieren.

Das hält der vom Globalismus inhaltlich plattgewalzte digitale Mensch in seiner Mehrzahl nicht mehr aus. Mourinho weiß das und poltert deshalb los; wie Berlusconi oder Sarkozy, wie die rechtsdröhnenden Populisten aller Länder, wie Haider oder Strache. Deren Bewusstseinsstand ist - strategisch gesehen - ja exakt genauso entwickelt. Auch die machen das, was sie machen (das verbale Radauschlagen, das Dauer-Schielen auf das, was ein bewusst auf Verknappung & Verblödung setzender Medien-Boulevard als Hausverstand des "kleinen Mannes" vorgibt.

Mourinho kopiert das 1:1, sogar inklusive Gutmenschen-Keule. Der Gegner, der FC Barcelona nämlich, wirbt - anstatt sich wie alle anderen Clubs an einen Sponsor zu verschachern - für die UNICEF. Und das sei der Grund für eine Verschwörung gegen alle anderen, vor allem gegen ihn, sagt Mourinho. Sündenbock gesucht und gefunden - und noch dazu eine Organisation die "Gutes tut", also urverdächtig, denn die Gutes-Tun-Menschen, die haben ja alle etwas zu verbergen und sind gegen uns, die "kleinen Leute".
So verkauft Mourinho das an die niederen Instinkte, lehrbuchmäßig.

Da können selbst Kickl und Vilimsky noch etwas lernen.

Der empörte Herr Trenkwalder

Gestern gab die Bundesliga ihre Lizenzentscheidungen bekannt. Wacker Innsbruck, der LASK, die Admira und FC Lustenau fielen durch. Bei Wacker ist es ernster als man zugibt, an die fehlenden "nur" 200.000 mag ich nicht so recht glauben. Beim LASK ist es deswegen bitterernst, weil der zunehmend verwirrt wirkende Präsident davon spricht, eh gerne freiwillig in den Amateurismus gehen zu wollen und gar keinen Widerspruch einlegt. In Lustenau spricht man von fehlenden Garantien, die man eh schon nachgereicht hat.

Im Fall des Traditionsklubs Admira Wacker, der sich auf Gedeih und Verderb einem Generalsponsor, nämlich Trenkwalder, ausgeliefert hat, geht es auch nur um Details. Sagt die Admira hier auf ihrer Website. Und da wird es interessant.

Im Bericht des unabhängigen Wirtschaftsprüfers waren Begriffe aufgetaucht, die der für die Lizenz zuständige Senat 5 (in dem Juristen und andere Fachleute sitzen) nicht hinnehmen wollte: da war einmal etwas "auskunftsgemäß" und andermal wurde etwas "laut Angaben der Vereinsleitung" festgehalten.

Nun ist wahrscheinlich auch einem Baumschulkind klar, dass ein unabhängig durchgeführter Prüfungs-Bericht sich nicht ganz offiziell auf Auskünfte und Angaben des zu Prüfenden verlassen kann, sondern selber prüfen, also nachforschen und recherchieren muss. Sonst ist die Prüfung ja keine Prüfung, sondern eine Gefälligkeit.

Nun passiert aber in der heimischen Wirtschaft diese Art der Prüfung (egal in welcher Kategorie) eben immer genau so: als Gefälligkeit. Man arrangiert sich mit staatlichen, föderalen und anderen Stellen, dealt über zu schaffende Arbeitsplätze, freiwillige Zugeständnisse und Maßnahmen einen Spielraum aus, der sich dann mit sehr sehr gefälligen Prüfungen bezahlt macht. So funktioniert die Weltwirtschaft, vor allem aber Österreich.

Nun sind viele System-Teilnehmer diese Vorgangsweise schon so sehr gewohnt, dass sie gar nicht mehr anders können. Und nachdem der Fußball über lange Jahre keine Ausnahme gemacht hatte, die Lizenzen über lange Jahre auch völlig maroden Vereinen nachgeworfen wurden, kann man ihnen historisch gar keinen echten Vorwurf machen.

Da FIFA und UEFA aber seit einigen Jahren auf den Verbänden und Ligen draufknien und sie mit jährlich verschärften Prüfungs-Kriterien dazu zwingen, auf die wirtschaftliche Gesundheit ihrer Vereine zu achten, kann die Bundesliga gar nicht anders, als sich an internationale Usancen zu halten.
Das hat Trenkwalders Admira übersehen.
Die Reaktion darauf ist keine knappe Entschuldigung und eine einfache Nachbesserung, sondern eine hysterische, überzogene Attacke, dass man den Verein untergriffig behandle und nicht haben wolle.
Auch diese Reaktion kommt aus der ökonomischen Praxis: jammern, drohen, am besten mit gefährdeten Arbeitsplätzen winken und wenn alles nix nützt darauf hinweisen, dass man nicht nur nix dafür kann, sondern nur wegen der eigenen Schönheit (und der des Eheweibes) so angefeindet und weggemobbt werden würde.

Das ist exakt dasselbe Prinzip derer, die bei etwas ertappt wurden, was nominell nicht legal ist, aber nicht korrekt war - und es wird in derselben Manier behandelt.

Der unbekannte Robert Haas

Kürzlich war in einem Porträt zu lesen, dass André Villas-Boas, der Trainer des FC Porto, den sie schon den neuen Mourinho nennen, als 17jähriger Burschi dem damaligen Coach bei Porto, dem großen Bobby Robson, ein paar taktische Studien übergeben hat. Es wurde der Beginn seiner Karriere.

Ich habe mir versucht vorzustellen, wie sowas in Österreich funktionieren würde. Das einzige, was 17, 37 oder 57jährige hierzulande dem Trainer mitgeben wollen, sind Watschn (wenn man gerade verloren hat), Küsse (wenn man gerade gewonnen hat) oder gefühlige Personal-Tipps. Zu Villas-Boas Akt fehlt jegliche entsprechende Kultur. Taktik, das ließen die Constantinis und Pacults jeden wissen, sei ja was für Maturanten und deshalb fußballuntauglich.

Seit dem Abgang von Peter Pacult bei Rapid Wien hat sich dort ja einiges ganz massiv gedreht. Der neue Coach, Zoran Barisic, der nicht wie ein Maturant wirkt, legt fast schon aufällig viel Wert darauf, sich vor allem über seine konträre Konzentration auf Taktik, Strategie und Vorbereitung zu definieren und so vom Vorgänger abzuheben.

Wichtig dabei ist aber folgendes: Barisic redet da nicht nur groß um in den Medien interessant dazustehen, er handelt auch. Sein Co-Trainer ist Robert Haas, 39, davor Co-Trainer bei den Amateuren. Haas war dort, genau, für die Taktik zuständig. Es war der Altinternationale Andreas Reisinger, Trainer der Amateure, der für deren Erfolge immer die Schulterklopfer erhielt, nicht Haas, der die jungen Burschen immer auf die Gegner vorbereitete und taktisch mit ihnen arbeitete.

Am Freitag haben die Rapid-Amateure das erste Spiel gewonnen, seit Haas zu den Profis abgezogen wurde. Die drei davor haben sie glatt verloren. Die Barisic-Bilanz bei den Profis (die jetzt von Haas taktisch vorbereitet und angeleitet werden) ist bekannt.

Das nur als Hinweis auf die Tatsache, dass man schon immer auch ein bisschen hinter die Chef-Ebene schauen muss, wenn man wissen will, wo was seine Ursachen hat. Im Geschäftsleben, aber auch in Politik oder Medien ist das nicht so einfach, da herrscht oft absurde Geheimhaltung. Im Fußball geht das anschaulicher.

PS:

Peter Pacult, der sich zuletzt mit Assistenten der Heini-Strasser-Schule (stumme Hütchenaufsteller) umgeben hat, soll ja demnächst bei RB Leipzig, die sich aktuell eine sechsteilige TV-Dokudrama-Serie im mdr "erarbeitet" haben, vorgestellt werden. Ich hoffe immer noch, dass es doch Salzburg wird. Weil das, aus Red Bull-Sicht, noch absurder wäre: die machen den Ribiselweinbauern zum Abfüll- und Vertriebsleiter.