Erstellt am: 4. 5. 2011 - 10:47 Uhr
Small Screen Stories: Popfest 2011
Österreichische Popmusik, was ist das eigentlich? Eine Frage, die auch das Popfest 2011 nur ungenügend beantworten können wird. Fakt ist jedoch, dass heimische Produktionen derzeit so präsent wie schon lange nicht mehr sind, jüngstes Resultat dieser Entwicklung ist die sogenannte Music Box Austria. Und auch das Popfest ist mehr als nur ein städtisches Gratisfestival, es ist eine Werkschau für all jene, die nicht wissen, dass die letzten sechs FM4 Alben der Woche zu Recht von heimischen KünstlerInnen aufgenommen wurden. Der Aufholbedarf tut Not, denn was immer sich auch unter dem Begriff "österreichische Popmusik" subsumieren lässt, ist in der breiten Masse ziemlich underrated.
Das sieht man auch an den visuellen Kleinwerken, die im Netz geparkt die akustischen Perlen ergänzen. Da gibt es die eher amateurhaft wirkenden Aufnahmen genauso wie an Hollywood anmutende Großproduktionen. Das Video ist trotz seinem oft prognostizierten Ende immer noch der beste Weg, um rasch über die Landesgrenzen hinaus nicht nur gehört, sondern auch gesehen zu werden. Aber schauen wir selbst hinein in eine weitere Variante der Werkschau.
Donnerstag, 5. Mai 2011
- Das Popfest Wien findet vom 5.-8. Mai 2011 statt. Alle Acts und Panels auf www.popfest.at
Der Eröffnungstag auf der Seebühne mitten vor der Karlskirche ist eine Mischung aus durchkomponierten Kunstwerk und schriller Party. Zumindest kann man so Eva Jantschitsch alias Gustav, die wegen ihrer Kenntnisse der Poesie auch in der Wortlaut-Jury sitzt (passend endet am 5.5. auch der Einsendeschluss!), und dem Hip Hop-Gipfel mit Skero, S.K. Invitational und Lylit verbinden. Gustavs politisch akzentuierter Popbegriff ist auch in ihrem Video zu "Abgesang" gut zu erkennen: Das zentralisierte Individuum im Fadenkreuz des Waldes, die Natur vereinnahmend und tanzend, lange bevor Thom Yorke zur Lotusblume getanzt hat.
Und dann "OK", die Zusammenarbeit von S.K. Invitational und Texta, wunderschön das gemeinsame Gleiten von der Privatheit der Kameralinse in die große Menschenmenge beim Konzert, wo gemeinsam zu Beats und Bläsern genickt und geswingt wird. Leider nicht zu sehen, aber bei dieser Supergroup dabei: Das junge R'n'B-Wunder Lylit alias Eva Klampfer aus Feldkirchen, die hier mit einer äußerst professionellen EPK (und in perfektem Englisch) auch international auf sich aufmerksam machen will.
Auch jemand, den viele kaum kennen werden, ist Meaghan Burke. Zwischen New York und Wien pendelnd, ist diese Dame vor allem wegen ihrem dröhnenden, scheppernden und schrubbenden Cello aufallend, dem sie immer wieder ungewöhnliche Melodiebögen entlockt. Cello, Stimme, ein paar handverlesene Gesangs-Overdubs und ihr urbanes Album "Other People's Ghost", das wird es alles bei ihrem Auftritt im Wien Museum geben. Meaghan Burkes Live-Auftritte sind ähnlich intim wie ihre Stücke, barocke Relikte einer nur nach außen modern wirkenden Metropole namens Wien, wie auch im folgenden Video zu sehen ist. Beachtenswert ist, in welchem Verhältnis sich die Perspektive der Kamera zur Künstlerin befindet. Neben dem Kristallluster und dem Geweih an der Wand.
Kaum jemand versteht es meines Erachtens besser, ihre Musik in Bilder zu transformieren, als Marilies Jagsch. Das mag mit ihrem Studium zu tun haben oder einfach nur mit einem grandiosen Fingerspitzengefühl für die kleinen Gesten, den Zauber der bewegten Bilder, die Magie zwischen Dunkelheit und Licht. Paradebeispiel dafür ist "Concrete Garden": Nicht nur einer ihrer stärksten Songs, auch einer der besten Videoclips. Mit Marilies das Popfest bestreiten, das ist wie einem Clown die Schminke abwaschen und über seine kratzigen Barthaare streicheln. Ich freu mich drauf.
Freitag, 6. Mai 2011
Die Vereinigten Staaten hatten wir mit Meaghan Burke schon, jetzt kommt noch das Vereinigte Königreich dazu. Hoffentlich von der royalen Hochzeit nicht allzu mitgenommen, wird Toph Taylor alias Trouble Over Tokyo sein Album "The Hurricane" auf der Seebühne präsentieren. Und hier haben wir schon einen kleinen Weltstar, der mit seinem Konzeptalbum über den zum Menschen gewordenen Superhelden nicht nur die aktuellen Trends bedient, sondern auch noch die große Videoclip-Kunst beherrscht: opulent inszeniert und detailgenau choreografiert, inklusive maskierter Chirurgen. Was für MTV, wenn dort noch Musikvideos gespielt werden würden. Und: Electro-Pop auf der Seebühne, hoffentlich mit flashiger Lasershow. Yeah!
Ganz besonders freuen muss man sich auch auf M185 in der Kunsthalle project space. Die Vocals von Wolfram Leitner, die Sonic Youth-Referenzen, die Noise-Eruption und die gelegentlichen Krautrock-Impulse, das alles passt wunderbar in die Lower East Side von Wien. Den urbanen Sound dieser Band könnte man als "atmosphärische, gloriose, urbane Tristezza" beschreiben. Das folgende Video auch.
Samstag, 7. Mai 2011
In Wien lodert es schon lange, das Feuer für inbrünstigem Trash-Rock, das Spucken auf die Authoritäten, oder wie es an einer Stelle so prägnant heißt: "I spit on everything and everyone, cause it’s so much fun". Dieses feuchtfröhliche Ereignis wird es mit Black Shampoo geben, eine Band, die am Popfest beweisen kann, dass ihre Selbstbezeichnung "es brennt in den Augen und zieht dich an den Haaren" so richtig weh tut. Bei so viel angekündigten Handgreiflichkeiten und Körperflüssigkeiten ist es kein Wunder, wenn die Band in ihrem animierten Video nicht selbst vorkommt. "Sick Shit" heißt das Teil. Brav ist anders.
Francis International Airport: eine sichere Nummer. Auch letztes Jahr schon dabei, da allerdings noch versteckt im Hof der Technischen Universität, dieses Mal zu Recht auf der großen Seebühne. Die Gruppe aus Niederösterreich ist mit "In The Woods" ein Album gelungen, das FM4-Kollege Andreas Gstettner prägnant als "eigentliches Debüt" bezeichnet hat. Tatsächlich hat die Band mit diesem Album ihre Stimme und ihren Sound gefunden, eine Umarmung für all die Indie-Melancholiker, die nach großen Hymnen lechzen. Und auch mit ihren Videos ist die Band ganz weit vorn: Monster des Waldes, vereinigt euch!
DIY als Erfolgsmodell? Skero, Flip und Wenzl halten dazu am 7.5. um 14h einen Workshop in der Kunsthalle project space
Wer nach Mitternacht noch aufrecht stehen kann, der sollte sich mit der Menge in den Prechtlsaal der Technischen Universität bewegen. Denn dort reihen die Sex Jams ihre musikalischen Noisepop-Reminiszenzen der 80er und 90er aneinander. Wer zu Weltverdruss und Aufbegehren den Popo wackeln lassen will, der ist hier richtig. Hoffentlich auch dabei: Ihr neuer Song "Gone Chillin'", zu dem es auf ihrer Website heißt: "Shake your ass to it and request it five times a night in your favourite Rollschuh Disco". Machen wir. Zuvor aber noch das verpixelte Video, ganz klassisch angefertigt nach dem DIY-Prinzip. Copyright der Bilder: "Stolen".
Sonntag, 8. Mai 2011
Eine weitere Band, die letztes Jahr das Popfest als eine Art Sprungbrett genutzt hat, ist Ginga: Trommeln mit Holzfeuerrhythmen, Gitarren, die nur mit einer Saite und ein paar Akkorden auskommen, Geigen, die das Blaue vom Himmel versprechen und die Stimme eines Sängers, der nicht nur frisurtechnisch an den jungen Robert Smith erinnert. Wenn Ginga da in ihrem Video zu "They Should Have Told Us" mit ihren Kuscheltieren schmusen, hat das schon etwas Kokettierendes mit der Popmusikszene in Österreich schlechthin. Vor ein paar Jahren war kaum noch jemand an der Band interessiert, seit dem Popfest 2010 ist sie "Everybody's Darling". Und dabei haben sich dazwischen nicht mal die Songs geändert.
Zum Abschluss ein Kollektiv, das eigentlich schon am Samstag spielen wird, deren aktuelles Album "DMD KIU LIDT" derzeit allerdings ein dermaßen hervorragendes Beispiel für die Vielfalt heimischer Popmusik ist, dass es auch einen passenden Abschluss dieser Werkschau darstellt. Die einen lieben Ja, Panik, die anderen können sie nicht ausstehen, aber kennen sollte man sie auf jeden Fall. So wie das bei österreichischer Popmusik, egal woher sie stammt, eigentlich usus sein sollte. Und Videos? Wer braucht schon Videos, wenn es Trailer gibt?
Nur noch wenige Augenblicke bis POPFEST 2011. See you there.