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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

27. 4. 2011 - 16:42

Fremden(un)recht?

Am Freitag soll das neue Fremdenrechtspaket mit Rot-Weiß-Rot-Card, Aufenthaltspflicht für AsylwerberInnen und "Deutsch vor Zuzug" im Parlament beschlossen werden. Mittwoch abend wird gegen das „Fremden-Unrechtspaket“ demonstriert.

Der neue Integrationsstaatsskretär Sebastian Kurz hat heute im Ö1-Interview seine „große Vision“ bezüglich Integration skizziert. Und die beinhaltet vor allem eine Ansage betreffend besserer Deutschkenntnisse von ZuwanderInnen. Ein Punkt der auch im neuen, umstrittenen Fremdenrechtspaket zentral und verpflichtend festgeschrieben ist. Ansonsten beinhaltet dieses Paket so viele Neuerungen und Verschärfungen, dass es schwer fällt, diese kurz und knapp zu skizzieren, ohne eine endlose Liste aufzuzählen.

Migration und Flucht in einem Paket

Das Fremdenrechtspaket vereint nämlich alle Bestimmungen sowohl zu Migration und Integration als auch zu Flucht und Asyl in einem Gesetzespaket, und enthält daher die unterschiedlichsten Bestimmungen.

Auf der einen Seite wird Migration geregelt: Die Neuerungen umfassen hier etwa die Rot-Weiß-Rot-Card, die die Zuwanderung nach Österreich gezielt steuern soll und mit der EinwanderInnen vor allem nach dem Arbeitsmarktbedarf ausgesucht werden. Ausgewählt wird über ein Punktesystem, das nach Alter, Ausbildung etc. selektiert. Die Rot-Weiß-Rot Card sieht aber auch das bereits heiß diskutierte "Deutsch vor Zuzug" vor, also dass Menschen, die nach Österreich kommen wollen, bereits in ihrem Heimatland einen Deutschkurs besuchen müssen.

Deutschkurs im Haus Habibi

BMI/C. Redtenbacher

Deutschkurs, z.B. im Habibi-Haus des Integrationsfonds

Auf der anderen Seite wird im Fremdenrechtspaket das Asylwesen geregelt: Zum Beispiel soll es hier in Zukunft eine sogenannte "Anwesenheitspflicht" für AsylwerberInnen geben: Das heißt, während der ersten sieben Tage ihres Aufenthalts dürfen sie die Erstaufnahmestelle nicht verlassen. Außerdem wird mit dem neuen Gesetz die Schubhaft verlängert und leichter verhängt werden.

Für den meisten Widerstand, in den Parteien aber auch in der Zivilgesellschaft, sorgen besonders zwei Aspekte des neuen Fremdenrechtspakets: Das sind die Neuregelungen, die die Schubhaft betreffen und die oben genannte verschärften Sprachhürden. Dazu habe ich im Detail mit Alev Korun, Integrationssprecherin der Grünen, und mit Mathias Vogl, Leiter der Sektion Recht im Innenministerium gesprochen.

Kinder ins Gefängnis?

Gerade die Änderungen bei der Schubhaft rufen große Kritik hervor. Die Integrationssprecherin der Grünen, Alev Korun, sagt dazu: "Es wird weiterhin möglich sein, dass kleine Kinder, auch Säuglinge, Familien mit Kindern in Schubhaft kommen. Denn das neue Gesetz unterbindet das nicht."

Alev Korun

Jürg Christandl

Alev Korun

Mathias Vogl vom Innenministerium sieht das nicht so. Er sagt, die Eltern hätten die Wahl: "Entweder kommt das Kind zur Jugendwohlfart oder es besteht die Möglichkeit die Eltern, die in Schubhaft angehalten werden, zu befragen, und wenn die Eltern das wollen, dass die Kinder bei ihnen sind, dann besteht die Möglichkeit dass die Kinder mit den Eltern gemeinsame die Zeit bis zur Abschiebung verbringen. Das ist dann aber keine Haft per se, sondern das ist eine Anhaltung auf Wunsch der Eltern in einer familiengerechten Unterbringung."

Ansonsten könnte man Menschen mit Kindern ja nie in Schubhaft nehmen, meint Mathias Vogl. Und ein wirkliches Gefängnis sei die familiengerechte Unterbringung ja auch nicht. "Es ist eine Umgebung, die zwar nach außen nicht verlassen werden kann, nach innen aber wie eine Art Wohnung aussieht. Das ist eine spezielle Form der Anhaltung." Dort seien auch nur Familien untergebracht, keine anderen, einzelnen AsylwerberInnen oder gar StraftäterInnen.

Neue Sprachhürden

BM.I, Abteilung I/5-Öffentlichkeitsarbeit/Alexander TUMA

Mathias Vogl

Ein weiterer Kritikpunkt am neuen Fremdenrechtspaket sind die verschärften Sprachhürden für Zuwanderer. Das ist einerseits das bereits bekannte "Deutsch vor Zuzug", betrifft aber auch Menschen, die schon seit Jahren in Österreich leben. Alev Korun erklärt: "Die Leute müssen ein viel höheres Deutschniveau nachweisen. Wenn sie seit Jahrzehnten unbescholten hier leben, jahrelang Steuern gezahlt haben, diese Deutschprüfung aber nicht bestehen, dann bekommen sie kein unbefristetes Visum." Das gleiche gilt für den Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mathias Vogl weist darauf hin, dass das Ablegen dieser Deutschprüfung freiwillig sei und dass niemand diese machen müsse. Allerdings: Daueraufenthalt bekommt man ohne das Bestehen der Prüfung tatsächlich keinen, sondern nur eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung, die immer wieder neu erteilt werden muss.

Mathias Vogl meint, für die Staatsbürgerschaft habe man schon immer profunde Kenntnisse der deutschen Sprache vorweisen müssen. Auch sei der Abschluss dieser Prüfung, eingestuft als B2 "Mittelstufe Deutsch" ja nicht so schwer: "Es geht da um das allgemeine Kommunizieren im täglichen Alltag. Es geht nicht darum, fehlerfrei zu schreiben oder grammatisch fehlerfrei zu sprechen." Ein Blick auf Seiten diverser Deutschkursanbieter zeigt aber, das für B2 ein wenig mehr erforderlich ist, als das: nämlich genaues Hörverstehen, Lesen von Zeitungsartikeln oder Verfassen zweier eigener Texte.

Abstimmung am Freitag

Das ist nicht unser Gesetz

Demo gegen das Fremdenrechtspaket, heute ab 18 Uhr Wien Westbahnhof

Die Grünen wollen das Gesetz jedenfalls weiterhin bekämpfen und hoffen, dass am Freitag die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament nicht dafür stimmt. Anscheinend gibt es ja SPÖ-intern bereits großen Widerstand . So hat zum Beispiel die oberösterreichische Landes-SPÖ in einem offenen Brief bereits ihr Nein angekündigt. Auch die Wiener SPÖ hatte das Fremdenrechtspakei insbesondere wegen der Regelung „Deutsch vor Zuzug“ bereits scharf kritisiert. Allerdings: bisher haben die Regierungsparteien die Gesetzesnovelle durch die diversen Ausschüsse immer durchgewunken, wie etwa durch den Innenausschuss am 13. April. Aber vielleicht lassen sich die eine oder der andere Abgeordnete ja noch durch die Demo am Mittwoch beeindrucken.