Erstellt am: 28. 4. 2011 - 16:30 Uhr
Immer vernetzt aber nie verbunden!
Als ich vor einigen Wochen die erste Single des neuen Kreisky-Albums, ein hingerotztes Meisterwerk mit dem Titel „Scheiße Schauspieler“, hörte, musste ich mich gut festhalten.
Allerlei Grant und schlecht gelaunte Brachial-Poesie ist man von den vier Herren, die sich nach dem maßgeblichsten Bundeskanzler der zweiten Republik benannten, ja schon gewohnt – die Genauigkeit mit der hier der selbsterhöhende Sprech einer Peer-Group seziert wird, sucht im deutschsprachigen Pop ihres gleichen.
„Ein ganz lieber Kollege und ein wunderbarer Mensch“ sticht zwar zuerst in die Schauspieler-Blase und deren gut gelüftete Egos, das gleiche Theater in gespielter Musikerpose kommt aber auch um nix besser weg.
FM4/Ondrusova
„Ja, das ist schon ein Rundumschlag“, meint Kreisky Sänger Franz Adrian Wenzel im Interview, „man darf aber auch nicht vergessen, dass sich der Schauspieler vom Musiker recht wenig unterscheidet. (...) Abgrenzung ist immer nur dort wichtig, wo man das mit freiem Auge nicht erkennen kann. In diesem Lied ist die Haltung des Sängers das Wichtigste – warum will sich der überhaupt abgrenzen? Warum glaubt er, er ist unbedingt so viel besser als die Schauspieler?“
Generell versuchen Kreisky auf dem neuen Album den Grant, der einen auf alles hinhauen lässt, ein wenig perspektivischer zu skizzieren. Soll heißen, das Ungute dieser Haltung wird zwar beobachtet, aber nicht immer auch gleich beurteilt. Fiktive Personen stolpern durch Situationen, die fast jeder schon mal erlebt hat.Da wird der grantelnde "kleine Mann" aber nicht bloß abgewatscht und in maßloser Selbstüberhöhung erklärt: seine Ängste und Sorgen, sein aufgestauter Ärger, der ihn leider zu oft Sündenböcke suchen lässt, wären bloße Illusion. Das ist nichts was man mit den Worten "Ist doch alles nur erfunden" abtun sollte. Man bemüht sich um die Option des Dialogs, des „Ernst-nehmens“ und ja, auch ein wenig um Mitgefühl.
Kreisky live:
11. 05. Graz P.P.C.
12. 05. Innsbruck Treibhaus
13. 05. Klagenfurt Stereo
14. 05. Ebensee Kino
18. 05. Wien WUK
20. 05. Schorndorf (D) Manufaktur
21. 05. Karlsruhe (D) Kohi
24. 05. Köln (D) Underground
25. 05. Hamburg (D) Molotow
26. 05. Berlin (D) NBI
27. 05. München (D) 59:1
28. 05. Kleinreifling Seewiesenfest
01. 06. Salzburg ARGE
01. 07. Ottensheim Ottensheim Open Air
Oder wie Franz Wenzel erklärt: „Vor allem muss man sich immer überlegen – was ist denn an unserer Welt NICHT-konstruiert? Wir sitzen im FM4 Studio, du tust so als wärst du der Moderator und wir tun so, als wären wir eine Rockband, das ist zu einem gewissen Grad auch lächerlich. „ Also spielt auch die Überwindung der eigenen Überheblichkeit eine Rolle in euren Texten? „Ja, zumindest gibt es immer wieder mal ein Geraderücken.“
Schimpfende Figuren
Kreisky ist wichtig, dass die Figuren, die „Trouble“ bevölkern, keinesfalls autobiografisch angelegt sind. Und die Figuren zeichnen sich dadurch aus, dass sie eben meistens schimpfen. Also den sprichwörtlichen Kreisky-Grant verspüren, den sie auch äußern möchten. Das Neue an „Trouble“ ist aber, dass trotz der zornigen und ekstatischen Tonalität dieser Songs, die Motivation zur Beschäftigung mit diesen Figuren deutlicher gemacht wurde, wie schon gesagt, damit sollte ein Gefühl transportiert werden, ein Gefühl das sich mit der Seelenwelt dieser Menschen genauer und vor allem auch einfühlsamer beschäftigt.
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Mitgefühl – auch für FPÖ Wähler?
Sehr gelungen ist die langsamste Nummer auf "Trouble", „Menschen brauchen Liebe“, die das oben beschriebene Anliegen am trefflichsten beschreibt. Brauchen eigentlich auch FPÖ Wähler Liebe, wollte ich von Wenzel und Klaus Mitter, dem Drummer, wissen.
„Man muss veruschen, das aus der Geschichte dieser Menschen heraus zu verstehen, sonst kommt man dem Grund nie näher. Wenn man abblockt und sagt, eh alle deppat, - was man bis zu einem gewissen Grad auch machen muss - kommt man nicht weiter. Mitgefühl ist sehr nahe am Mitleid, es kreuzt sich dort auch wieder. Denn es gibt natürlich Motivation und Antrieb, und das sollte man sich tunlichst anschauen."
Kreiskys drittes Album „Trouble“ besticht in erster Linie ganz klassisch durch Haltung und Aussage, die im Klangkörper der kreiskyschen Rockmaschine ausdrücklich gut gedeiht. Die Wut, die Frustration und der Ärger als Katalysatoren zur Selbstreflexion.
Ein Album, das Österreich so dringend braucht, wie die Aufgabe der Opferrolle.
Ihr sagt, ich bin dumm, weil ich nichts weiß
Aber ich will gar nicht zu viel wissen, ich bin zugeschissen genug
Ich weiß alles, was ich wissen möchte
Und zu viel möchte ich nicht wissen, ich bin zugeschissen genug
Ich sag, Ihr seid dumm, weil ihr dumm ausseht
Ihr Hunde lasst mich los!
(Ihr Hunde, lasst mich los!)