Erstellt am: 27. 4. 2011 - 13:21 Uhr
Manchmal ist der Hund drin
Ich frage mich immer, ob zugewanderte Haustiere auch Schwierigkeiten mit der Integration haben. Kommunizieren sie mit ihren Artgenossen in einer gemeinsamen Sprache, oder müssen sie sich wie ihre Eigentümer an das neue Land anpassen? Wenn ich mir Axel, den Hund meines Freundes Peter so anschaue, ist er auf jeden Fall ein sehr gut integrierter Hund. Der Rottweiler-Mischling wurde in der kleinen bulgarischen Stadt Gabrovo geboren. Seine Mutter war ein reinrassiger Rottweiler mit mehreren tapferen Wach- und Polizeihunden im Stammbaum. Der Vater war ein schmutziger Straßenhund, der hinter einer Fleischerei wohnte und Wasser aus Pfützen trank. Hunde tun sich leichter, wenn es darum geht, soziale Unterschiede in Beziehungen zu überwinden. Das Drama, das durch diese ungleiche Beziehung entstand, traf die Besitzer der reinrassigen Hündin. Sie wussten nicht, was sie mit den Mischlingswelpen, die keiner haben wollte, anstellen sollten. Also warfen sie diese in einen Fluss. Einer hatte Glück und entkam den Strömungen der durch Gabrovo fließenden Jantra. Mein Freund Peter fand ihn und nahm ihn mit nach Wien.
Peter arbeitete als Pizzalieferant und wohnte in einer winzigen Wohnung, die seine Freunde schlicht "Streichholzschachtel" nannten. Zusammen mit seiner Schwester und noch drei anderen Menschen hauste er auf vierzig Quadratmetern nahe der Donau. Ob des geringen Platzangebotes war ich sehr überrascht, als ich Peter besucht habe und einen schwarzen Hund friedlich in der Ecke schlafen sah. Axel hieß der Hund. Nicht Scharo, der gewöhnlichste Name für einen Hund in Bulgarien, sondern Axel, weil er jetzt in Österreich lebte.
Axel war anpassungsfähig - er jagte seinem Stöckchen auf der Donauinsel hinterher, wie seine rein österreichischen Hundebrüder. Er machte immer Platz in der U-Bahn, wenn eine alte Frau einstieg. Wenn man Axel bellen hörte, konnte man fast das deutsche "Wuff-Wuff" hören, anstatt des bulgarischen "Bau-Bau". Überhaupt ließ sich Axel seine Balkanherkunft niemals anmerken.
Axel wuchs und Peter wurde älter. Sie gingen immer zusammen an der Donau spazieren. Dort begegneten sie eines Tages Christina und Honey. Christina ist halb Amerikanerin, halb Österreicherin mit wunderschönen blonden Haaren und blauen Augen. Honey ist ein King-Charles-Spaniel, also ein Taschenhund. Wenn man ihn sieht, fragt man sich, ob er batteriebetrieben ist. Es war Liebe auf den ersten Blick, sowohl für Peter als auch für Axel.
Viele Sachen in unserem Leben passieren schneller, als man sie begreifen kann. Wenig später waren Peter und Christina verheiratet. Die Liebe zwischen Axel und Honey war aber verdammt. Sie schauten sich immer verliebt an, genau wie ihre Besitzer, der Hund von Peter war aber einfach zu groß und der von Christina zu klein. Eine sexuelle Beziehung war rein anatomisch nicht möglich. Kurz danach zogen Peter, Christina und Honey nach Amerika. Für Axel gab es vorerst keinen Platz. Er musste nach Gabrovo zurück, später sollte er vielleicht nachkommen.
Zwei Monate danach starb Axel. Ich weiß nicht, ob es an seinem gebrochenen Herzen lag oder an seiner Sehnsucht bei dem Gedanken an die schönen Stunden auf der Donauinsel. Vielleicht konnte er als Mitteleuropäer gar nicht mit den unerzogenen Hunden in Bulgarien zurechtkommen. Wahrscheinlich lag es aber an dem harten Hundefutter, das er von Peters Großeltern bekam.