Erstellt am: 25. 4. 2011 - 23:10 Uhr
Fußball-Journal '11-33.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit ein paar medialen Auffälligkeiten in Sachen Rapid, Pacult und Barisic.
PS vom 2.5.: eine Woche später nimmt 90minuten den hier gesponnenen Faden auf...
Das unglaublich Lässige am Fußball ist ja, dass niemand zu Beginn des Spiels weiß, welchen Weg es nehmen und wie es ausgehen wird (es sei denn man ist asiatischer Wettbetrüger, sein europäischer Mittelsmann oder ein bestochener Defensivspieler, der dringend einen Elfmeter erwirken muss). Die Spannung liegt in der Unvorhersehbarkeit und in der Tatsache, dass kein Spiel jemals einem anderen gleichen wird.
Der Umgang der Medien mit Fußball tut - vor allem in kulturell unterentwickelten Gegenden, wie es Österreich ist - allerdings so, als wäre das Gegenteil der Fall, als wären die Dinge vorhersehbar gewesen.
Die audiovisuellen Medien, die sich in den letzten Jahren praktisch komplett auf Live-Coverage und Flash-Interviews reduziert haben, fragen ausschließlich in diesem Duktus nach und bedienen sich dabei der Tonlage des Vorwurfs.
Die Print-Medien haben da nachgezogen, zuerst war es der Boulevard, der sich davon entfernt hatte, den Verlauf von Spielen und Saisonen als unvorhersehbar und unlogisch zu betrachten, sondern als fatalistisch feststehendes, so wie in der Welt der römischen oder griechischen Götter, die sogenannten Qualitätsmedien ließen sich davon ebenso überwältigen.
Seitdem hat sich diese eigentlich von der Realität verschobene Tonlage zur Regel entwickelt: der Vorwurf ist die Normalität.
Und das nicht mehr nur in den Spielberichten, sondern in der gesamten Berichterstattung.
Soma fragt: Wann gibt's Taktiktraining? Das Team sagt: Nie!
Im Fall der durchaus Aufsehen erregenden Entlassung des langjährigen Rapid-Trainers Peter Pacult ging Mainstream-Media auch nach diesem Muster vor. Und zwar in einigen, fast schon prototypischen Wellen.
Nach den ersten Berichten setzte schnell Welle 1 ein: der Backlash; es wurde nachgetreten.
Auf einmal wusste der Boulevard über Details aus Pacults Trainings zu berichten, die vorher jahrelang nicht einmal angestreift wurden. Plötzlich wurden Geschichten und Aussagen von Augenzeugen zitiert, deren Gehalt zuvor nicht einmal in Betracht gezogen wurde.
Von einem Tag auf den anderen waren es nicht mehr nur 1 oder 2 % der Medien, die über Pacults Taktiklosigkeit, über seinen bundesheermäßigen Führungsstil, seine Sprach- und Kommunikationsarmut oder über die verheerend schlechte Vorbereitung auf die jeweiligen Gegner berichteten, sondern 80 bis 90%.
Meine Lieblingsgeschichte war die einer Sportwochenzeitung: als Ragnvald Soma, der neue norwegische Innenverteidiger zu Rapid kam, traute er sich nach einer Woche Training in der Kabine bei den Kollegen nachzufragen, wann denn endlich das bislang (für ihn aus nicht nachvollziehbaren Gründen) nicht stattgefunden habende Taktik-Training anstehen würde. Die einhellige Antwort: "Nie!".
Geschichten unterdrücken als primäres Selbstverständnis
Diese Geschichte ist nicht erst jetzt durchgesickert, die kennen die Kollegen, die sie jetzt nachgereicht haben, seit Monaten. Andere Geschichten, die jetzt geschrieben wurden, sind seit Jahren bekannt. Sie wurden nicht veröffentlicht, nicht aufgeschrieben, nicht reportiert.
Man hat mit ihnen das gemacht, was die chinesischen Machthaber mit Berichten über oppositionelle Künstler machen, US-Behörden mit Nachrichten über Guantanamo oder heimische Wirtschaftsredakteure mit Informationen über Raiffeisen oder Red Bull: Man hat sie unterdrückt, verschwiegen.
Man wollte "der Sache" nicht schaden, Rapid keine Scherereien machen, einen "Erfolgstrainer" nicht anschwärzen. Nicht einmal nachdem der Erfolgstrainer seine Assistenten feuerte, weil die in einigen Fragen anderer Ansicht waren, als es also inhaltlich opportun gewesen wäre, als sich die Frage der Ideologie/Philosophie/Richtung stellte, wurden diese Geschichten unterdrückt. Veröffentlicht wurde das, was dem Verein und den aktuellen Machthabern genehm war, dazu Gossip und das übliche Star-Gewäsch, nicht aber etwas, das man als "Einmischung" interpretieren hätte können und eine solche gilt in dieser Branche als nicht zulässig. Es sei denn man ist selber Trainer, oder besser einer, der früher auch ein erfolgreicher Spieler war. Und wenn so einer was anmerken sollte, dann soll er sich gefälligst auch nicht einmischen.
Journalismus als Veröffentlichung von Gefälligkeiten
Dass das kein Journalismus, sondern das Verröffentlichen von Gefälligkeits-Verlautbarungen ist, fällt deshalb nicht weiter auf, weil der gesamte Sportjournalismus seit Jahren so funktioniert und deshalb auch schon die Leser/User/Hörer/Seher zu kritiklosen Düdln umkonditioniert hat und weil es auch in den anderen Sparten nicht viel besser aussieht - auch der heimische Kulturjournalismus läuft nach vergleichbaren Mustern ab.
Wie wenig ernst es den Fußball-Journalisten mit der zumindest nachträglich aufgearbeiteten Verheerung der prototypischen Pacult-Ära war, durfte man dieses Wochenende erfahren.
Die viele "Jetzt alles neu!"-Geschichten, in denen der frische Wind durch den neuen Interims-Coach Barisic, sein neuer Führungsstil (der einen Umgang wie mit Erwachsenen anstatt eines Umgangs mit Insassen vorzieht), seine neue Sorgfalt auf strategische Vorbereitung und taktische Variabilität hochgelobt wurde, hatten sich aus den paar guten Ergebnissen der befreiten Rapid-Mannschaft ergeben, waren also auch rein resultatsfixiert.
Nun gab es den Backlash zum Backlash: die Pacult-Rechtfertigungs-Interviews. Natürlich, wie immer, nur im Boulevard; da kann man die Bedingungen diktieren, Deals ausmachen.
Gags und Sager ersetzen Haltung und Analyse
Diese "Gespräche" zeichneten sich dadurch aus, dass Pacult überall dieselben Botschaften absetzen konnte, dass es keine einzige Nachfrage gab, die sich auf die inhaltlichen Punkte draufsetzte und dass man sich wieder, wie schon im Backlash, auf den Tonfall des Vorwurfs beschränkte.
Nur dass das Objekt des Vorwurfs aus der Vorwoche der Ankläger war und der Ankläger der Vorwoche das Objekt des neuen Vorwurfs.
So konnte Pacult seinen Nachfolger auch problemlos implizit als Saufnase bezeichnen, den er schon zurecht rausgeschmissen hätte.
Die Medien agierten als das, was sie (in dieser Branche, in diesem Land - aber wohl auch darüber hinaus) am besten können: als Fähnchen im Wind. Immer im Dienst derer, die gerade das öffentliche Interesse bewegen.
Nicht, dass Pacults Anwürfe zum Anlass genommen wurden, die inhaltlichen Differenzen rauszuarbeiten und konkret nachzufragen - das wäre allzu journalistisch und analytisch gewesen, wo es in der heimischen Branche doch nur darum geht, Original-Töne abzuholen und "Sager" einzufangen. Eine Bewertung zu verlangen, ist angesichts des Level heimischer Berichterstattung deutlich zuviel verlangt; auch wenn die Informations-Bits nur wenige Tage auseinanderliegen.
Es wird also weiter im Tonfall des Vorwurfs begleitet werden, was die, die in Verantwortungs-Positionen sind, als Themen vorgeben. Und erst nach deren Wirken wird, kurz, nachgetreten und die Wahrheit auf den Tisch gelegt. Weil aber auch das nur als Gag gedacht ist, wird sich das, die Suche nach der Wahrheit, niemals als journalistisches Selbstverständnis einprägen und alles beim blinden Befehlsempfängertum bleiben.