Erstellt am: 24. 4. 2011 - 14:35 Uhr
Bombige Laune
Nach außen agieren sie wie brave britische Staatsbürger, tief drinnen brodelt aber der Hass gegen den dekadenten Westen. Der junge Omar und seine muslimischen Freunde träumen vom Heiligen Krieg, für den sie auch kollektiv in den Tod gehen wollen. "Four Lions" schildert das Innenleben einer islamistischen Terrorzelle von nebenan.
Weitere Filmrezensionen
Aber gleich die ersten Eingangsbilder, die Omar & Co. beim Posieren für ein tollpatschiges Bekennervideo zeigen, machen klar: das hier wird wohl kein sozialrealistisches Betroffenheitsepos. "Four Lions" ist ein ausgesprochen lustiger Film über Selbstmordattentäter und solche, die es werden wollen.
Die Chaotentruppe in fanatischer Mission gibt sich dümmer als die (Staats-)Polizei erlaubt. Ein Haufen Möchtegern-Terroristen, die als Volltrottel aus dem pakistanischen Trainingscamp gejagt werden, nicht ohne vorher versehentlich Osama Bin Laden persönlich in die Luft zu sprengen.
Polyfilm
Wenn einem im Laufe des Films das Lachen immer wieder vergeht und am Ende tatsächlich im Hals stecken bleibt, dann befindet sich "Four Lions" in bester Gesellschaft. Der britische Regisseur Chris Morris klinkt sich an eine Tradition bitterböser Satire an, die mit dem großen Stanley Kubrick so richtig begonnen hat. "Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb" heißt der rabenschwarze Klassiker aus dem Jahr 1964, der via TV-Ausstrahlung auch den Schreiber dieser Zeilen als Kind nachhaltig verstörte.
Sony
Eine Komödie über den kalten Krieg wollte Kubrick machen, in der die globale Angst vor dem nuklearen Untergang der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Und das ist ihm auf beklemmend komische Weise gelungen. Die Angst in befreiendes Lachen umzuwandeln, ist auch die Motivation der zentralen Comedyprovokateure der Gegenwart.
Wenn auf der Leinwand Themenbereiche wie Analverkehr, Kindesmissbrauch oder der Holocaust witztechnisch gestreift werden, dann kann nur Sasha Baron Cohen dahinterstehen. Als Borat, Ali G oder Brüno unterwandert der britische Komiker den Mainstream mit äußerst schmerzhaften Pointen.
Cohens Kunstfiguren agieren in einem Bereich, wo das Echte und der Fake, Realität und Reality nicht mehr zu trennen sind. Bewusst inszenierte Eklats, spontaner Irrsinn und perfide Drehbucheinfälle reihen sich aneinander. Aber in der ausgeweiteten Kampfzone des Humors gibt es eben wenig Sicherheiten und schon gar keine klaren Fronten.
Centfox
Wie weit darf Comedy eigentlich gehen? Gibt es strikte Tabus für Komiker? Solche Fragen provoziert auch regelmäßig das wahnwitzige Duo Trey Parker und Matt Stone, die dank ihrer langjährigen TV-Serie "South Park" zu den wichtigsten klamauktechnischen Grenzüberschreitern gehören. Mit dem Marionettenmovie "Team America: World Police" gelang ihnen die böseste Politsatire der letzten Dekade.
Nicht nur gewissenlose Weltpolizisten werden darin als degenerierte Idioten entlarvt. Parker und Stone teilen ihre Watschen in alle Richtungen aus, nach rechts und links, oben und unten. Da gibt dann der nordkoreanische Diktator Kim Jong-Il den singenden Musicalstar, Michael Moore blamiert sich als sabbernder Suizidbomber und Hollywoods liberalste Stars erleiden ein grausames Schicksal. Ganz abgesehen von flotten AIDS-Musicals am Broadway.
Paramount
Dabei pocht gerade in den knochenharten Filmen von Parker, Stone oder auch Sasha Baron Cohen ein humanistisches Herz. Es geht nämlich nicht einfach um den krampfhaften Bruch mit politischer Korrektheit, sondern darum, mit menschenverachtenden Scherzen den menschenverachtenden Alltag zu entlarven. Gleichzeitig haben wir es auch mit echten Aufklärern zu tun, die sich der letzten subversiven Waffe bedienen, die in ideologisch vollends konfusen Zeiten noch existiert: der schweren Verwirrung.
Zu unterhalten und gleichzeitig vor den Kopf zu stoßen, Schranken zu überschreiten und manchmal auch nur ganz kindisch mit Tabus zu spielen, das waren einmal die Aufgaben des Rock'n'Roll. Heute haben radikale Komiker diesen Part übernommen.
Polyfilm
"Four Lions" schließt hier direkt an. Regisseur Chris Morris gilt neben Ricky Gervais als einer der wichtigsten britischen Vertreter des britischen Hardcore-Humors. Bis zum bitteren Ende folgt er mit der typisch wackeligen Handkamera der Gruppe von jungen Selbstmordattentätern.
Dabei geht es nicht bloß darum, islamistische Gotteskrieger bloßzustellen, Morris nimmt jeden grundsätzlichen Fundamendalismus aufs Korn. Und er teilt auch Faustwatschen gegen den War On Terror und die oftmals absurden staatlichen Sicherheitsmaßnahmen aus.
Die direkteste Feind aber für Chris Morris und all die anderen hier erwähnten Brachialsatiriker sind die Massenmedien, die auf erbarmungslose Weise den Alltag und die Politik in eine grausame Realityshow verwandelt haben. Die kontroversen Komiker übersteigern die debilen medialen Stilmittel, bis zu dem Punkt, wo es wirklich weh tut - und extrem lustig wird. Viel Vergnügen.
Polyfilm