Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Song Zum Sonntag: Bill Callahan"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

24. 4. 2011 - 14:04

Song Zum Sonntag: Bill Callahan

Verdrehter Optimismus: Baby's Breath

Vergänglich wie des Kindes Atem, vergänglich wie das Kraut und die Blüte, die zu Heu werden, ist alles um uns. Wie der Blütenkranz, der nur einen Tag schön ist, wird das alles vorbei gehen, Helft mir, ich bin ein hilfoser Mann! Jammern will ich, dass all das nur von sehr planvollen Gärtnern mit sorgfältigem Plan geschafft werden kann, jammern, dass ich mit der eigenen Hand dem Vergänglichen entgegen wirken muss...

Bill Callahan, Apocalypse

Bill Callahan, DragCity

Doch was muss ich sehen: Es wird schön, es wird gut, wie von selbst, es war gar kein Kraut, es war eine Blüte... So muss ich sehen - auch im Guten - dass man erntet, was man sät... und singt.

Was wie eine mittelaterliche Madrigale beginnt, wird zu einem countrylastigen "One Riff Wonder", das mit zartem Hammering und Temposteigerung den eindringlichen Bariton des Sängers vorwärts treibt.

Der Song zum Sonntag auf FM4

Wie hätte man das besser sagen können: Pessimismus über das Vergängliche, darüber, dass Kunst in Vergessenheit gerät, dass händisch Gepflanztes und Gehegtes den Weg allen Irdischen geht, dass Kinder zu Erwachsenen und selber zu Eltern werden und Köstliches - und Eltern wissen, dass das das köstlichste ist - wie der Geruch und der Atem der Kinder auch das Flüchtigste ist - er ist immer angebracht, man kann darüber meckern und klagen. Doch für diese Pessimisten ist es kränkend zu sehen, wie alles gut wird, es entsteht eine erneute Verzweiflung, wenn das Totgesagte lebt und die düstere Prophezeihung einer Erhellung weicht.

Bill Callahan

myspace.com/whaleheart

Da ist dann das düsterste aller Bibelzitate erlaubt: Dass man erntet was man sät, auch wenn es die Ansage war, dass nichts wachsen würde. Und so erntet man auch, was man singt.

Bill Callahan wir immer rätselhafter und immer besser. Seine letzte Single "Eid Ma Clack Shaw", ein gnadenloser Tango, hat schon darauf hingedeutet, dass der Mann, der uns - noch als "Smog"- immerhin schon Songtitel wie das bittere "Dress Sexy At My Funeral" und das noch bitterere "All Her Women's Things" geschenkt hat, sich unter seinem echten Namen und nun über vierzig in einer neuen Schaffensphase befindet.

Und Baby's Breath ist ein vorläufger Höhepunkt, das uns über rückblickende Bitterkeit in die Einsicht leitet, dass man - einmal so aufgestellt wie er oder wir, seine Fans - das Gute nicht erkennt, sondern glaubt, es sei so schön und so kurz wie der Atem des Kindes auf einen Spiegel gehaucht.