Erstellt am: 24. 4. 2011 - 17:51 Uhr
FM4 Doppelzimmer Spezial am Ostermontag
Mir fällt im Moment kein anderer Regisseur als Wim Wenders ein, der sooft von der Kritik und dem Publikum künstlerisch tot gesagt wurde und der ebenso oft ein Leinwandcomeback feierte. "Der amerikanische Krimiautor Dashiell Hammet saß eines Tages vor seiner Schreibmaschine und tippte, ohne seinen Kopf dabei wesentlich anstrengen zu müssen, an einer neuen Geschichte", erzählt mir Wim Wenders. "Daraufhin klappte er die Schreibmaschine zu und hat dreißig Jahre kein Wort mehr geschrieben. Kurz vor seinem Tod gab er ein Interview, bei dem er gefragt wurde, warum er nichts mehr geschrieben habe. Hammets Antwort: Nachdem ich erkannte hatte, dass ich meine Krimis bereits im Schlaf schreiben kann, sah ich keine Veranlassung mehr, sie zu schreiben."
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Wenders hat sich nie auf Altbewährtem ausgeruht und ist damit das Risiko eingegangen, zu scheitern. Und er hat diese Option ausreichend genutzt. Zwischen den Klassikern der Filmgeschichte wie "Paris, Texas" oder "Himmel über Berlin" stehen teure Publikumsflops wie "Bis ans Ende der Welt" und sein letzter Spielfilm "Palermo Shooting", mit Campino von den Toten Hosen in der Hauptrolle, der ebenfalls niemanden recht überzeugen konnte.
Sinnliche Revolution
Mit dem 3D Dokumentarfilm über Pina Bausch und ihre Tanztheatercompany hat Wenders im Alter von 66 Jahren filmisches Neuland betreten. Und er lässt uns daran teilhaben. Die Entdeckung von 3D abseits von Effekten und Animation habe ich als Kinozuschauerin als Revolution empfunden.
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Meine Sinne waren durch die Bewegung der Körper, die in den existenziellen und teils subversiven Choreografien von Pina Bausch durch den dreidimensionalen Raum gleiten, laufen, stampfen, schweben derart in Anspruch genommen, dass ich Zwischendurch für ein paar Minuten eingeschlafen, nein, weggebrochen bin. Nicht aus Langeweile, sonders aus emotionaler Erschöpfung. Nach dem Film war ich erledigt. Und die Nachwirkung des Film hallt immer noch nach.
Als Kind wollte ich Amerikaner werden
FM4 Doppelzimmer Spezial:
Der Filmemacher Wim Wenders im Gespräch mit Elisabeth Scharang am Ostermontag von 13 bis 15 Uhr
Wim Wenders sitzt mir vormittags um zehn in der zum Studio umfunktionierten Bar des Hotel Triest gegenüber. Er trinkt Tee. Ich weiß, die Zeit wird nicht ausreichen für meine vielen Fragen. Also reden wir, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, und kreuzen durch die 40 Jahre seiner Filmlaufbahn und streifen auch die Zeit davor. "Ich wusste als Kind immer, was ich wollte: Amerikaner werden und amerikanische Filme machen. Ich bin in das Nachkriegsdeutschland hineingeboren, in einen Trümmerhaufen; in eine Erwachsenenwelt, in der keiner schuld war."
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Der Weg nach Amerika führte erst einmal über eine kurze Laufbahn als Maler in Paris und über ein Filmstudium an der damals neu gegründeten Filmhochschule in München. In den 70er Jahren drehte Wenders dann fast jedes Jahr einen Film. Mit dem Roadmovie "Im Lauf der Zeit" wurde er zum ersten Mal zu den Filmfestspielen nach Cannes eingeladen. Mit einem zweiseitigen Drehbuch, in dem das erste Zusammentreffen der Hauptfiguren beschrieben wird, ist Wenders für "Im Laufe der Zeit" die Grenz zwischen der damaligen DDR und der Bundesrepublik abgefahren; nach Drehschluss hat er die Szenen für den nächsten Tag geschrieben. "Fassbinder, Herzog, Schroeter - wir hatten damals viel Freiheit. Heutzutage musst du für alles ein Treatment, ein Projektpapier, ein Drehbuch schreiben, damit du Gelder für den Film bekommst. Dabei geht viel verloren."
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Ja, wenn das Feld vor einem frei und ausgebombt ist, dann gibt es wenig Beschränkungen, außer die im Kopf. Die Möglichkeiten und Chancen, die sich den FilmemacherInnen heute bieten, sind gut gemeint, oft auch gut durchdacht, aber vor allem sind sie sehr strukturiert. Es gilt auszuprobieren, wie Gremien der Filmförderung reagieren, wenn man ein zweiseitiges Drehbuch für einen Langfilm abgibt; und ob die Beschränkungen auch bei uns nur im Kopf vorherrschen.
Die Zeit ist um
Ich hätte Wim Wenders gerne noch zu seinen Reisen nach Japan befragt, seinen Dokumentarfilm über den Modemacher Yamamoto und seine Einblicke in die japanische Gesellschaft. Ich hätte gerne mehr über die Arbeit zu "One Million Dollar Hotel" in L.A. gehört und ob Wim Wenders Werbefilme rein aus Geldgründen dreht. Aber für dieses Mal: Danke. Bin gespannt, auf den nächsten Wenders, Herr Wenders.
Das FM4 Doppelzimmer Spezial mit Wim Wenders
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Playlist:
artist | song | |
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Wax Taylor ft. Charlotte Savary | OUR DANCE | |
Buena Vista Social Club | CHAN CHAN | |
Jun Miyake | The Here and After | |
Soulchemistry/MC Coppa | MONEY MATTERS | |
Kitty Davis & Lewis | BABY HOLD ME TIGHT | |
Okkervil River | OUR LIFE IS NOT A MOVIE OR MAYBE | |
Guz Black | Today is Not the Day | |
Owen Pallett / Final Fantasy | LEWIS TAKES ACTION | |
Go Team | READY TO GO STEADY | |
PJ Harvey | THE WORDS THAT MAKETH MURDER | |
Best Coast | CRAZY FOR YOU | |
Animal Collective | WHAT WOULD I WANT SKY | |
Nick Cave | IN THE GHETTO | |
David Bowie | HEROES | |
Christiane Rösinger | BERLIN | |
Kreisky | SCHEISSE SCHAUSPIELER | |
Summer Camp | ROUND THE MOON |