Erstellt am: 21. 4. 2011 - 17:06 Uhr
Achtung, Baustelle!
Heute Vormittag hat Bundespräsident Heinz Fischer das neue Regierungsteam angelobt, weil Michael Spindelegger - von der ÖVP zu Josef Prölls Nachfolger als Vizekanzler bestimmt – die Posten in vier Ministerien umbesetzt hat. Nämlich im Justiz-, Innen-, Wissenschafts-und im Finanzministerium. Vier Bereiche in denen jede Menge Baustellen offen sind.
http://www.flickr.com/photos/farbfilmvergesser/4583704124/sizes/o/in/photostream/ Urheber: Michael Thurm
Welche Schwierigkeiten auf die vier umbesetzten Ministerien in den nächsten zwei Jahren zukommen werden, das hat für uns Martina Salomon, stellvertretende Chefredakteurin des Kurier, kommentiert:
Justiz: hoher Vertrauensverlust
Im "APA-Vertrauensindex", der das Ansehen der Institutionen und PolitikerInnen bei den Menschen misst, ist das Ansehen der Justiz dramatisch gesunken. Laut diesem Index musste Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner mehr Vertrauensverlust hinnehmen, als jede andere Politikerin oder Institution. In den letzten Wochen ihrer Amtszeit versuchte Bandion-Ortner noch, das Image ihres Ressorts mit Weisungen an Staatsanwälte oder mit Versprechen zu verbessern: „Das große Problem, das wir in der Justiz haben, ist, dass wir zu wenig kommunizieren, dass wir nicht vermitteln, was wir ermitteln. Es wird jetzt eine große Kommunikationsoffensive geben.“
Dazu ist es aber nicht mehr gekommen: Die neue Justizministerin heißt nämlich Beatrix Karl, bisher Wissenschaftsministerin. Ihr Spezialgebiet ist eigentlich Arbeitsrecht. Im Justizministerium wird sie allerdings von spektakulären Fällen wie BUWOG-Verkauf oder Eurofighter-Deal nicht unberührt bleiben und mit reiner Imagepflege ist es im Justizressort nicht getan, sagt Martina Salomon von der Innenpolitik-Redaktion des Kurier: „Ich denke das Justizministerium ist eine extrem schwierige Aufgabe, weil das Image im Moment wirklich im Keller ist, so schlecht war es noch nie! Die Leute haben das Gefühl, dass zum Beispiel beim Tierschützerprozess mit völlig unangemessener Härte vorgegangen wird, während die ‚Oberen‘ es sich richten können.“
APA/HERBERT NEUBAUER
Beatrix Karl wird also dafür sorgen müssen, dass bei der Wirtschaftskriminalität effizienter vorgegangen wird. „Das bedarf allerdings mehr Personal in diesem Bereich“, meint Martina Salomon. „Ich weiß nicht, ob sie sich da noch etwas herausreißen wird können.“
Wissenschaft: Geldmangel
Vom neuen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, bisher Uni-Rektor in Innsbruck, erwarten sich ÖH und Uni-Konferenz finanzielle Verbesserungen – die unibrennt Proteste des Jahres 2009 sind noch in lebhafter Erinnerung. Dass Töchterle tatsächlich mehr Geld für die Unis bekommt, hält Martina Salomon allerdings für unrealistisch: „Der große Geldsack wird sicher nicht auf die Universitäten herunterfallen, denn das Budget ist ja schon langfristig fixiert und verhandelt. Vielleicht wird er sich bei der neuen Finanzministerin ein bisschen etwas rausreißen, weil das ist einfach das Hauptthema an den Universitäten: Geld, Geld, Geld!“
Was außerdem an den Universitäten noch repariert werden muss: Das Bologna-System, von dem der neue Wissenschaftsminister bekanntlich ein Kritiker ist. Vor allem das Punktesystem, so Martina Salomon, ist verbesserungswürdig: „Ein humanistisches Bildungsideal, wie man sich das früher vorgestellt hat, dass man in Vorlesungen geht, nur weil sie interessant sind, und man auch mit Professoren diskutiert, das ist vorbei. Da müsste gerade der Altphilologe Karlheinz Töchterle auch etwas tun, um das wieder aufzuwerten.“
Außerdem bereits bekannt über den neuen Wissenschaftsminister: Er wünscht sich Studiengebühren. Gerade da hat sich die vorige Ministerin schon an ÖH und Studierendenbewegung die Zähne ausgebissen: „Damit wird er sicher scheitern, weil die SPÖ das total ablehnt.“ Auch beim Studentenansturm aus Deutschland, meint Salomon, wird Töchterle kaum etwas ändern können: „Da wird das EU-Recht wohl kaum zu ändern sein.“ Sie sieht die Lösung darin, Aufnahmeprüfungen auf mehr Fächer auszudehnen. Aber auch da hat die ÖH schon Widerstand angekündigt.
Finanzen: Harte Budgetnachverhandlungen
Mit dem Wunsch nach Geld wird sich die frühere Innenministerin Maria Fekter auseinandersetzen müssen. Martina Salomon hält sie auch für eine gute Besetzung im Finanzressort: „Sie ist quasi der beste Mann in der Regierung, wenn man es lustig formulieren will“ sagt sie. Denn die Härte, die im Innenministerium vielleicht übertrieben war, sei im Finanzministerium völlig ok, denn sie müsse in erster Linie aufs Geld schauen.
APA/HERBERT NEUBAUER
Nachverhandlungen zum Budget werden daher fürs Justiz- oder das Wissenschaftsminsiterium besonders schwierig. Denn Maria Fekter bringt auch Erfahrung im Finanzressort mit. Dazu Martina Salomon vom Kurier: „Sie war ja bisher schon Regierungskoordinatorin, hat auch schon Budgetverhandelt. Ich glaube das kann sie gut, interessant wird sein, wie sie sich auf europäischer Ebene verhält, etwa wenn es darum geht einen Rettungsschirm zu verhandeln.“
Inneres: NGO-Protest gegen neues Fremdenrecht
An die neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wurden gestern bereits erste Wünsche herangetragen: Sie möge doch die erneuten Verschärfungen im Fremdenrecht zurücknehmen, die das Parlament am 28. April beschließen soll. Martina Salomon hält das für unrealistisch: „Wenn Johanna Mikl-Leitner klug ist, dann versucht sie in die Fußstapfen von Liese Prokop zu steigen. Die war in der Sache immer hart aber im Auftreten sehr sozial kompetent und hat nicht immer alle gleich gegen sich aufgebracht, wie das Maria Fekter getan hat. Ich glaube aber nicht, dass sie im Fremdenrecht noch irgendwie eingreifen wird. Sie ist auch Politik-Profi genug, um zu wissen: Das ist jetzt verhandelt, da kann man vielleicht kleine kosmetische Änderungen vornehmen, aber sonst bleibt das.“
Flüchtlings-NGOs hatten sich gestern ja gewünscht, dass sich die neue Innenministerin mit ihnen an einen Tisch setzt. Martina Salomon ist sich nicht sicher, ob das passieren wird: „So wie ich sie kennengelernt habe, ist Diplomatie nicht ihre allergrößte Stärke. Aber vielleicht ändert sie sich auch. Sie kommt immerhin aus dem Sozial- und Familienbereich, vielleicht hat sie dort gelernt mit mehr diplomatischem Geschick auf die NGOs und die Organisationen zuzugehen.“ Und immerhin hat sie als Verstärkung ja auch einen eigenen Integrationsstaatssekretär, der das übernehmen könnte. „Man wird sehen wie die beiden gemeinsam auftreten. Sie könnten ein Doppelspiel machen: Sie macht die harten Ansagen, er ist der, der dieses Image wieder absoftet.“
Harmonische Koalition
Immerhin harmonisch soll es mit dem Regierungspartner des neu aufgestellten ÖVP-Teams zugehen: Bundeskanzler Werner Faymann von der SPÖ betonte nach der Angelobung die Teamarbeit, die Regierung werde in der zweiten Halbzeit den Kurs halten und das Tempo erhöhen.