Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""Ernsthafte Spiele" für Militäranalysten "

Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

21. 4. 2011 - 10:25

"Ernsthafte Spiele" für Militäranalysten

Das US-Militär versucht mit „Serious Games“, die Nachwuchsanalysten der „Generation Facebook“ zu drillen. Man will mit Spezialsoftware deren Einstellungen bezüglich Sicherheit und Geheimhaltung ermitteln und nach eigenen Vorstellungen formen.

Das Ziel: Ein zweiter Fall Bradley Manning soll dadurch verhindert werden. Manning wird vorgeworfen, US-Material an die Whistleblower-Plattform WikiLeaks weitergegeben zu haben. "Ernsthafte Games ermöglichen Lernen aus Erfahrung. Sie finden in einer sicheren Umgebung statt, in der das Lernen aus Fehlern OK geht", so heißt es in der Präsentation des "Sirius"-Programms beim Treffen "ernsthafter Spielentwickler" am 24. Februar 2011 im Großraum Washington.

Der genaue Ort wurde nicht öffentlich bekanntgegeben, das Mitbringen jedweder Elektronik war verboten. Einladende Instanz war nämlich die "Intelligence Advanced Research Activity", die Forschungsabteilung des Obersten Geheimdienstkoordoinators James R. Clapper.

Intelligence Analysts

Das Zielpublikum des auf eine Laufzeit von vier Jahren angelegten Sirius-Projekts für "ernsthafte Spiele" sind nämlich Personen, die grundsätzlich nur mit unsicheren Umgebungen zu tun haben.

Es handelt sich um sogenannte "Intelligence Analysts", die - von Luftaufnahmen angefangen bis zu Informationen aus Datenbanken der Geheimdienste - alle möglichen Quellen zusammenführen und auswerten. Ob es nun Top-Analysten der National Security Agency im sicheren Hinterland sind, oder rangniedrige taktische Analysten vor Ort in den Kampfgebieten: Jeder Interpretationsfehler kann dabei Leben kosten. Ebenso können kognitive "blinde Flecken" tödliche Folgen haben.

Bradley Manning

Vor etwa einem Jahr wurde diese, zigtausende Personen umfassende militärische Berufsgruppe der "Intelligence Analysts" weltbekannt, als der Gefreite Bradley Manning verhaftet wurde.

Pfusch im SIPRNet

Ein Hearing im US-Senat brachte haarsträubende Details über fehlende Sicherheitsstandards im militärischen Backbone zu Tage. Die von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente stammen sämtlich aus dem SIPRNet, das frühestens 2013 besser gesichert sein wird.

Manning hatte als Analyst Vollzugang zum Datenbankverbund SIPRnet (siehe rechts), den er benutzt haben soll, um hunderttausende Dokumente abzuziehen und an Julian Assange weiterzugeben.

"Cognitive bias"

"Das Gesamtdesign der Games soll den Spieler dazu bringen, neue Fähigkeiten zu entwickeln, um kognitive Voreinstellungen zu bekämpfen" heißt es in der Vorstellung des Projekts. "Cognitive bias" ermöglicht dem Menschen auch unübersichtliche Situatione blitzartig beurteilen zu können.

Verkürzt gesagt, handelt es sich um ein Set von einfachen Einstellungen und Wahrnehmungsregeln - sogenannte Heuristiken - die auf der Basis von Ähnlichkeiten arbeiten. Diese teils angeborenen, teils erlernten Weisen, komplexe Situationen zu beurteilen, sind freilich anfällig für Fehler, da sie sich an Mustern bis hin zu Stereotypen orientieren.

Beispiele

Ein der am meisten verbeiteten "kognitiven Voreingenommenheiten" äußert sich zum Beispiel in der Tendenz, bereits bei der Vorauswahl von Informationen unbewusst solche zu bevorzugen, die ins eigene Konzept passen.

Eine andere Form, die ebenso Fehleinschätzungen zur Folge hat, ist, das Verhalten anderer vorrangig anhand der jeweiligen Persönlichkeiten zu interpretieren. Das Rollenverhalten der Personen und äußere Einflüsse werden dabei außer Acht gelassen.

Kognitive Verhaltenstrainings

Diesen tief im Unbewussten angesiedelten kognitiven Voreinstellungen läßt sich mit Mitteln der Ratio nicht beikommen, die Vernunft hat ihnen gegenüber gewissermassen einen blinden Fleck.

Da diese "Short-Cuts" teils angeboren, teils erlernt sind, lassen sie sich nur bis zu einem gewissen Grad abtrainieren. Genau das sollen diese "ernsthaften Spiele" leisten, denn in der Programmpräsentation ist immer wieder von "Iteration" die Rede. "Repetion, repetition, repetition" heißt gleich einmal einleitend.

Löcher stopfen

NSA und CIA setzen zum Stopfen neuer "WikiLeaks" auf komplexe Sicherheitssysteme, die bis jetzt vor allem geheimdienstintern verwendet wurden.

Generation Facebook

Bis jetzt habe es seitens der Intelligence Community keine Ansätze gegeben, Games zu Trainingszwecken für Analysten verwenden, heißt es weiter in der IARPA-Präsentation. Dabei sei gerade eine neue Generation von Analysten herangewachsen, die für spielerisches Lernen mit Games geradezu prädestiniert sei.

Das ist die Generation Bradley Mannings, der wie viele andere über einen Schulwettbewerb des Pentagon zur Armee gekommen war. Vor dieser "Generation Facebook" als "sicherheitspolitischem Alptraum" hatten hochrangige US-Militärs seit Jahren gewarnt.

Die Rekruten würden ohne überhaupt nachzudenken, Informationen unbekümmert im Netz publizieren. Sicherheit und Geheimhaltung würden in der Grundeinstellung der Facebook-Generation praktisch keine Rolle spielen. In Folge wurde der Zugang zu Facebook und anderen sozialen Netzen aus den Militärnetzwerken gesperrt und erst 2009 wieder freigegeben.

O-Ton IARPA

"Das Ziel des Sirius-Programms ist die Kreation experimenteller Serious Games zum Training der Teilnehmer und um ihre Fortschritte in der Identifikation und Verminderung der kognitiven Voreinstellungen zu messen, die in der Regel alle Arten von Intelligence-Analyse beebeeinrächtigen".
Die Programmpräsentation als PDF.

Analysten testen

Hierbei geht es weniger um "Cognitive bias", als um andere Grundeinstellungen, die ebenso großen Einfluss haben, aber nur nebenbei erwähnt werden: Solche, die sich aus der Gruppendynamik ergeben. Also eine Art kollektives Mindset einer Gruppe, einer Haltung, die allen bis zu einem gewissen Grad eigen ist.

Um diese verborgenen Einstellungen geht es im Sirius-Programm. Um die "ernsthaften Spiele" zum Abtrainieren gewisser Eіnstellungen nutzen zu können, müssen sie erst einmal festgestellt werden. Beim Spielen von "Serious Games" werden die Nachwuchsanalysten daher erst einmal abgetestet, zu welchen Voreinstellungen sie neigen und wo ihre blinden Flecken sind.

Der Zeitplan

Für so manchen Junganalysten wird nach den ersten paar Spielerunden schon "Game over" sein, sobald diese "Serious Games" einmal im Einsatz sind. Die Vorbereitungsphase des IARPA-Projekts läuft noch bis 2.Mai, ab dann werden Ansätze getestet und verglichen.

Mehr zu den Game-Entwicklern und wie man sich das Gameplay bei ernsthaften Spielen vorstellen muss, folgt demnächt in Teil 2.