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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

20. 4. 2011 - 11:15

Club versus Tube

Im Rahmen dieser Kolumne werde ich ab und zu versuchen, eine neue Band aus Osteuropa vorzustellen. "Dubioza Kolektiv" aus Bosnien brachten letzten Freitag den Wiener Ost Klub zum Kochen.

Ich bin weit davon entfernt, mich als großer Musikexperte zu bezeichnen. Trotzdem wage ich zu behaupten, dass heutzutage Musik das Gleitmittel der Gesellschaft ist. Damit alles leichter geht, hören wir Musik. Wir hören Musik beim Essen, beim Einkaufen, bei der Arbeit und beim Sex. Viele von uns können sich das Ausüben dieser Tätigkeiten ohne Musik gar nicht vorstellen. Wenn der große Federico Fellini in einem Restaurant war, hat er immer gebeten, die Musik auszuschalten. Er konnte nicht gleichzeitig essen und Musik hören. Der Akt des Musikhörens war zur Nebensächlickeit geworden, was Fellini als Verachtung des Interpreten empfand. Aber nicht jeder ist Fellini und keiner soll sich gezwungen fühlen, meine Meinung zu teilen. Schließlich sind Meinungen wie Hintern, jeder hat eine.



Ich gehe immer seltener zu Konzerten. Dazu fällt mir immer ein Witz aus „A Night at the Opera“ von den Marx Brothers (Karl Marx ist nicht einer davon) ein. In diesem Film heuert die New Yorker Opera den besten Tenor der Mailänder „La Scala“ an. Auf die Frage von Groucho Marx, was der Tenor verdienen soll, antwortet der Direktor der New Yorker Oper: „1000 Dollar die Nacht“. „1000 Dollar die Nacht? Und das, wo man sich eine Platte von „Minnie the Moocher“ für 25 Cent kaufen kann. Für 25 Dollar kriegst du sogar Minnie selbst“, erwidert Groucho. Also wozu sich einen Raum mit anderen menschlichen Auren teilen, wenn es schon youtube gibt (Leider ohne Minnie). Ich ließ mich also letzten Freitag von Freunden in den Ost-Klub schleppen.

Dubioza Kolektiv wurden 2003 gegründet, ein Jahr später kam ihr erstes Album raus. Anders als bei den meisten Bands aus dem Balkan, die bei ihren ersten Veröffentlichungen auf ihrer Mutterpsrache singen und sich später auf Englisch versuchen, machen es „Dubioza“ genau umgekehrt. Ihre ersten zwei Alben „Dubioza Kolektiv“ und „Dubnamite“ sind hauptsächlich auf Englisch und die letzten zwei „Firma Ilegal“ und „5 do 12“ auf bosnisch-kroatisch-serbisch oder wie auch immer diese Sprache heißen mag. Der Stil von „Dubioza“ ist eine unbeschreibliche Mischung aus Ska, Dub, Reggae, Funk, Punk, Hip-Hop, Electronica und Folk. So eine Art „Asian Dub Foundation“ aus Bosnien. In den Texten geht es meistens um Politik. In wenigen anderen Ländern Europas ist das ein heikleres Thema als in Bosnien-Herzegowina, das nach dem Dayton-Abkommen von 1995 immer noch nach seiner eigenen Identität sucht. „Dubioza Kolektiv“ protestieren laut gegen die kleptokratische Elite, die die nationalistische Karte ausspielt, um die Menschen aufeneinander zu hetzen und die eigene Macht zu untermauern. Diese bosnische Band bringt heute in ganz Ex-Jugoslawien die Massen zum Tanzen. Auf dem „Taksirat“ Festival in Skopje, Mazedonien, wo Manu Chao, Gentleman und Onyx als Headliner angesagt waren, brachten gerade „Dubioza“ die Halle zum Kochen.



Auch im Ost-Klub tanzten und sprangen die Menschen wie wild zu den Hits der Bosnier. Nach dem Konzert war ich von Kopf bis Fuß in Schweiß gebadet, ich hatte keine Kraft, mich zu bewegen und meine Stimme war weg. Ich war müde, aber zufrieden, dass ich mir das nicht hatte entgehen lassen. Egal was ich vorher gedacht haben mag, so etwas kann man nicht auf youtube erleben.