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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

19. 4. 2011 - 15:55

Bäumchen wechsle dich

Das spielt die ÖVP mit ihrer Regierungsmannschaft. An den einflussreichsten drei Positionen sitzen Frauen, größte Überraschung ist JVP-Obmann Sebastian Kurz als Integrationsstaatssekretär und der Innsbrucker Rektor Karl-Heinz Töchterle als Wissenschaftsminister.

Michael Spindelegger, seit Josef Prölls Rücktritt Vizekanzler und ÖVP-Chef, hat heute sein neues Team im Parteivorstand absegnen lassen und der Öffentlichkeit präsentiert. Bereits morgen könnte die neue Regierungsmannschaft von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt werden.

Wie bereits seit Tagen spekuliert wird, wechselt Maria Fekter ins Finanzministerium, das bisher von ihr geleitete Innenministerium übernimmt die niederösterreichische Landesrätin Johanna Mikl-Leitner. Beatrix Karl übersiedelt vom Wissenschaftsministerium ins Justizministerium. Damit sind diese drei zentralen Ministerposten von Frauen besetzt.

michael spindelegger

apa/herbert pfarrhofer

Spindelegger hat ein Team gesucht und gefunden.

Überraschend ist die Besetzung eines neu zu gründenden Integrationsstaatssekretariats im Innenministerium durch Sebastian Kurz, bisher Bundesobmann der JVP, und die Berufung des Innsbrucker Rektors Karlheinz Töchterle ins Wissenschaftsministerium. Ebenfalls neu in der Regierung ist Wolfgang Waldner, derzeit Chef des Wiener Museumsquartiers, der als Staatssekretär im Außenministerium Michael Spindelegger unterstützen wird. Nach dem Abgang von Generalsekretär Fritz Kaltenegger, der in die Privatwirtschaft wechseln will, folgt der Hauptgeschäftsführer der Tiroler ÖVP, Johannes Rauch, nach.

Damit scheiden Justizministerin Bandion-Ortner und die StaatsekretärInnen Reinhold Lopatka und Verena Remler aus der Regierung aus. Mit dieser neuen Regierungskonstellation übernimmt der ÖAAB eine Vormachtstellung, während der Bauernbund, dem der zurückgetretene Josef Pröll angehörte, an Macht verliert.

Die Neulinge in Spindeleggers Team:

"Schwarz macht Geil" - Sebastian Kurz

Der 24-jährige Jusstudent Sebastian Kurz ist eine der größten Überraschungen im Regierungsteam, vor allem als Integrationsstaatssekretär, ein Thema, mit dem er sich bisher kaum bis wenig profiliert hat.

Das von ihm am erfolgreichsten lancierte Thema war die Nacht-U-Bahn in Wien, die nach der positiven Volksbefragung von der Wiener SPÖ nach der Landtagswahl vergangenen Herbst tatsächlich umgesetzt wurde. Neben dem erfolgreichen Themensetzen war die Kampagne aber auch durch Peinlichkeiten geprägt: eine spärlich bekleidete junge Frau, nach Protesten dann auch ein junger Mann, warben für "24 Stunden Verkehr".

JVP Wien

Kurz selbst meinte dazu im FM4-Interview vom 13.1.2010: "Ich glaube, dass Plakat und Kampagnen immer auch dazu da sind, um Aufregung zu schaffen. Jedes Plakat, das polarisiert, führt dazu, dass man sich mit einem Thema auseinandersetzt. Wir hätten es nie geschafft, auf diese Idee so stark hinzuweisen, wenn wir nicht diese polarisierenden Plakate gehabt hätten. Insofern glaube ich, dass das der Sache dienlich ist."

sebastian kurz

apa/helmut fohringer

Selbastian Kurz

Auch sonst hat der JVP-Obmann gerne sexuelle Anspielungen auf Lager: Ob beim Wahlkampf für die NÖ Landtagswahl Feuerzeuge mit der Aufschrift „Zu dir oder zu mir“ verteilt wurden, oder unter dem Motto "Schwarz macht Geil" eine Discotour mit dem "Geilomobil" anlässlich der Wien-Wahl durchgeführt wurde. Als "Sex sells"-Strategie will das Kurz laut Datum-Interview aber nicht verstanden wissen: "'Schwarz macht geil' ist Jugendsprache. Es hat Witz und ist absolut polarisierend, aber es hat nichts mit sexueller Aktivität in der JVP zu tun."

Wegen obengenannter Discobesuche wurde Kurz auch als ÖVP-Gegenstück zu HC Strache gehandelt, wobei Kurz zwischen sich und dem notorischen FPÖ-Politiker keine Gemeinsamkeit sieht: "Jeder, der meine Politik in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, dass ich ein sehr liberaler Geist bin. Ich bin absolut niemand, der sich gegen andere Religionsgruppen oder Menschen mit Migrationshintergrund ausspricht." Wobei: Eine der wenigen integrationspolitischen Aussagen von Sebastian Kurz war die Forderung, in Wiener Moscheen die Predigten auf Deutsch zu halten; für ihn Zeichen einer gelungener Integration.

Als Integrationsstaatssekretär soll Kurz nur zweite Wahl gewesen sein, ursprünglich sollte der scheidende Generalsekretär Fritz Kaltenegger das Sekretariat übernehmen, dieser zog sich aber in die Privatwirtschaft zurück. Kurz soll jedenfalls ein sehr gutes Verhältnis zum neuen Parteichef haben und würde sich, sollte er nicht mit der heiklen Materie Integration verheizt werden, auch als neuer Parteichef der Landesgruppe Wien anbieten.

"Die Universität ein elitäres Unternehmen" – Karlheinz Töchterle

Mitarbeit bei Text und Interview: Simon Welebil

Als Wissenschaftsminister ist der Rektor der Innsbrucker Universität, Karlheinz Töchterle, nicht zum ersten Mal politisch tätig. Der 61-Jährige ist 15 Jahre lang Gemeinderat in Telfes im Stubaital gewesen und 1994 sogar in den Tiroler Landttag gewählt worden - allerdings nicht für die ÖVP, sondern für die Grünen! Aus beruflichen Gründen hat Töchterle damals auf das Mandat verzichtet und kurz darauf eine Professur für klassische Philologie angetreten. 2007 ist er zum Rektor gewählt worden.

Im Gegensatz zu seinen beiden VorgängerInnen im Wissenschaftsministerium gilt Karlheinz Töchterle als sehr kommunikativ. Im Oktober 2009 ist er gleich nach der Besetzung der Uni-Innsbruck auf die BesetzerInnen zugegangen und hat die Uni-Brennt-Bewegung mit den Worten „Das ist Universität im besten Sinn“ begrüßt, erzählt ÖH-Chefin Sigrid Maurer.

Karlheinz Töchterle

apa/robert parigger

Karlheinz Töchterle

Töchterle sympathisiert nämlich in einigen Punkten mit der Uni-Brennt-Bewegung: Er steht dem Bologna-Prozess kritisch gegenüber, tritt für den Master als Regelabschluss ein und beklagt die Verschulung der Studien. Wie die Studierenden fordert er mehr Geld für die Universitäten: „Nachdem wir bis jetzt schon nicht sehr gut finanziert sind im internationalen Vergleich [...] und einfach in vielen Fällen größte Finanzknappheit haben, ist eine weitere Stagnation schon schlimm, eine Reduktion ist nicht auszuhalten. Dann werden die Universitäten nicht mehr in der Form weitergeführt werden können, mit Qualität, mit höherer Kapazität, mit internationaler Stärke und Vergleichbarkeit und internationaler Konkurrenzfähigkeit.“

Töchterle wird wohl dafür kämpfen, dass die Regierung mehr Geld für die Unis bereitstellt, er kann sich aber auch moderate Studiengebühren vorstellen. Die Universitäten bräuchten aber nicht nur mehr Geld, um zumutbare Studienbedingungen herstellen zu können, sie müssten auch ihre Kapazitäten frei festlegen können, meint Töchterle auch in der Innsbrucker ÖH-Zeitschrift UNIpress vergangenen Februar: "Ich bekenne mich dazu, dass die Universität ein elitäres Unternehmen sein soll. Bildung durch Wissenschaft und forschungsgeleitete Lehre kann und will nicht jeder leisten. Es handelt sich also um eine gewisse Auswahl von Menschen und ich möchte betonen, diese Auswahl darf nie sozial passieren, jedoch müssen Leistungsbereitschaft und Leistungswille gewisse Indikatoren sein. Wenn man sich dazu bekennt, muss es auch Möglichkeiten geben, eine solche Auswahl zu treffen. Jedoch bekennt sich Österreich nicht dazu.“ Er ist unter anderem Fan vom Interview als Aufnahmekriterium, um intensiv die Kompetenzen jedes/r einzelnen zu bewerten.

Karlheinz Töchterle ist bei allem Idealismus ein Pragmatiker. Welche Veränderungen unter ihm kommen werden, wird auf sein Verhandlungsgeschick ankommen, mit der neuen Finanzministerin ums Budget und mit den Studierenden um Prinzipien. Die ÖH hat ihre Positionen dabei schon festgelegt, erklärt Sigrid Maurer: "Grundsätzlich hat er mit den Studierenden immer geredet und auch zugehört. Wenn er allerdings Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen wieder zu seinem Steckenpferd machen will, dann wird ihm ein rauer Wind entgegenwehen."

"Tradition ist wichtig" – Johanna Mikl-Leitner

Johanna Mikl-Leitner folgt Maria Fekter im Innenministerium nach. Wie ihre Vorgängerin gilt sie als Hardlinerin und als eine, die keinem Disput aus dem Weg geht. Ihre Besetzung kann als weiteres ÖVP-Bekenntnis zu Law-and-Order-Politik gewertete werden, nämlich Härte gegenüber Kriminellen und Ausbau der Exekutive. Gleichzeitig wird mit der Entkoppelung der Sicherheitsagenden vom Integrationsthema auch ein Schwenk in Richtung christlich-soziales Lager innerhalb der ÖVP gemacht.

MARIA FEKTER, JOHANNA MIKL-LEITNER

apa/robert jaeger

Maria Fekter, Johanna Mikl-Leitner

Mikl-Leitner ist ausgebildete Wirtschaftspädagogin und begann ihre Karriere als Lehrerin. Nach einer kurzen Tätigkeit als Unternehmensberaterin, in der Industriellenvereinigung und beim Signum-Verlag holte sie Ernst Strasser als Marketingleiterin in die niederösterreichische Volkspartei, wo sie für die Landtagswahl 1993 die „Initiative für Erwin Pröll“ leitete.

Im Niederösterreichischen Landtag war sie seit 2003 für Europa und Familienagenden und zuletzt Landesrätin für Soziales, Arbeit und Familie zuständig. Als solche ritt sie 2006 Attacken gegen das rote Wien: Mit der Plattform "Rettet den Nikolaus" wehrte man sich gegen die Abschaffung des Nikolausbesuchs in Wiener Kindergärten. Mikl-Leitner sagte damals im Report: "Gestern war es die Diskussion 'Kreuze aus den Klassenzimmern', heute ist es die Diskussion 'Nikoläuse aus den Kindergärten' und morgen ist es vielleicht die Diskussion 'Weg mit dem Christkind' oder 'Weg mit dem Osterhasen'. Ich glaube Tradition ist wichtig, Tradition gibt Identität und gibt letztendlich den Kindern Wurzeln.“

Ihre Arbeit als Landesrätin für die Bereiche Soziales, Arbeit und Familie verrichtete sie unauffällig bis fehlerlos, ähnliches erhofft sich die ÖVP von ihr wohl auch im Innenministerium, auch wenn Mikl-Leitner bisher noch nie mit Sicherheitsagenden betraut war.

"MQ-Hausmeister" mit Getränkeverbot – Wolfgang Waldner

Wolfgang Waldner wird als Staatssekretär im Außenministerium zukünftig Vizekanzler Michael Spingelegger unter die Arme greifen. Eine Tätigkeit, die er bereits kennt: Der promovierte Jurist und ältere Bruder der ORF-Journalistin Gabi Waldner war seit 1981 im Außenministerium tätig, 1983 war er Kulturattaché an der Österreichischen Botschaft in Washington und danach Sekretär des damaligen Außenministers Alois Mock.

wolfgang waldner

apa/herbert neubauer

Wolfgang Waldner

Ab 1988 war er Leiter des Österreichischen Kulturinstituts in New York und bekam 1999 die Leitung des damals noch unfertigen Museumsquartiers in Wien übertragen. Dort schaffte er es, rote Gemeinde- und schwarze Bundesinteressen zu vereinen und bezeichnete sich selbst in seiner dortigen Rolle gerne als "Hausmeister". Unter seiner Führung wurde das Museumquartier erfolgreich zu einem Treffpunkt der urbanen und hippen Szene Wiens, was auch durch die Aufstellung der bunten Freiluft-Möbel, der "Enzis", gefördert wurde.

Weil das aber zu viele Partyhorden und betrunkene junge Menschen anzog, verhängte Waldner im Juni 2009 ein Verbot von mitgebrachten Getränken und orderte den Einsatz von bulligen Securities, was dem Museumsquartier Protest und einige Flashmobs und seinem Direktor den einzigen Imageschaden bisher einbrachte. Waldner ruderte aber bald wieder zurück und sagte im FM4-Interview, das sei alles nur ein Testbetrieb gewesen. "Die Leute werden in Ruhe ihre zwei Bier trinken können". Sein Vertrag im MQ sollte offiziell 2014 auslaufen, jetzt wird wohl ein neuer Direktor gesucht.