Erstellt am: 18. 4. 2011 - 17:35 Uhr
Der Partyfilm wird jede Nacht neu gedreht
Der Musikfernseh-Moderator und DJ Markus Kavka hat jetzt auch einen Roman geschrieben, "Rottenegg" nennt er sich ganz drollig. Die Hauptfigur ist ein Moderator im Pop TV, der, nachdem sein Leben ein wenig aus den Fugen kracht, von der Großstadt zurück ins Herzen Bayerns findet. Aha. Braucht die Welt noch einen Pop-Roman von einem Pop-Menschen? Eine Landjugend mit Musik? Der Tag, an dem ich mich zu "Boys Don't Cry" mit Jacky Cola betrank? Nirvana hat mein Leben gerettet? Erster Kuss mit Mando Diao?
Der 1979 geborene Tino Hanekamp hat lange Zeit als Journalist gearbeitet (u.a. für die SPEX), ist Mitbegründer und Programmverantwortlicher des wirklich sehr guten Hamburger Clubs Uebel & Gefährlich und hat jetzt einen Debütroman veröffentlicht, in dem Musik, Party, Drogen, Liebe und Alkohol die zentralen Themen sind. "So was von da" kommt mit all den Signalen daher, die uns bedeuten wollen, dass man so was nun wirklich gar nicht mehr lesen wird mögen. Popliteratur, kawumms, du bist abgefrühstückt. Erschienen ist das Buch bei Kiepenheuer & Witsch.
"Ich befürchte, ich bin wach. Blicke auf eine Bierflasche, in der zwei Kippen schwimmen und ein Käfer. Brutalkopfschmerz. Auf dem Heizungsrohr ein Pelz aus Staub. Extrembrechreiz. Draußen knallt's. Schließe die Augen. Es knallt noch mal. Was für ein beschissener Anfang."
© York Christoph Riccius
Der Mitzwanziger Oskar Wrobel betreibt einen Musikclub in einem alten Krankenhaus am Ende der Reeperbahn. Jede Nacht ist Wochenende, das Personal seines täglichen Lebens trägt Namen wie Rocky, Erbse und Säge. Es ist Silvester, heute soll die letzte Party steigen - morgen kommt die Abrissbirne. Oskar hat Schulden, Probleme mit der Hamburger Halbwelt in Gestalt von Kiez-Kalle und natürlich keine Ahnung, wo das Leben hingehen soll.
Eines weiß er aber - auch wenn am Ende immer an allen Ecken das Geld fehlt - wie man einen geilen Club schmeißt, mit feinstem Programm und ideologisch auf der richtigen Seite. Der in "So was von da" beschriebene Club ist der Hamburger "Weltbühne" nachempfunden, deren Mitbetreiber Tino Hanekamp war und die dann vor einigen Jahren tatsächlich abgerissen worden ist. Dargereicht in handlicher Listenform erfährt man von Oskar Wrobel "Wie man sich an einen Musikclub verschwendet":
"6. Das Innenleben:
Dieser Punkt erklärt sich von selbst. Wer nicht weiß, wie er seinen Laden nennen will, was da passieren soll, welche Prachtmenschen ihn am Laufen halten können und wie man die Welt von ihrem Glück in Kenntnis setzt - wer all das nicht weiß, gehe sofort zurück an die Uni oder lasse sich von irgendeinem Scheißkonzern knechten bis zum hoffentlich frühen Ende der verfehlten Existenz."
kiepenheuer und witsch
Und dann ist da freilich noch die große Liebe: Mathilda, Mathilda, die als übermenschliches Geheimnis der Vergangenheit - mitunter schon auch hart an der Grenze zur Überreizung - ständig durch den Kopf von Oskar schwirrt. Dazwischen: Episoden an der Tanke und im Schnapsladen, Oskars bester Freund verkraftet die Tatsache nicht so recht, dass er in kürzester Zeit zum Top-Rockstar der Nation aufgestiegen ist, schnell noch einen Kurzen nachlegen. Es gilt alles zu erleben: Komplette Selbstüberschätzung und Größenwahn, die total glasklare Sicht auf alle Dinge des Daseins, möglicherweise durch Substanzen begünstigt, die beste Feier, Hangover und Depression.
"Der Partyfilm wird jede Nacht neu gedreht, und je nach Besetzung ist er großartig, ganz okay oder erbärmlich. Heute natürlich Spitzenbesetzung, einmaliges Staraufgebot - Film also Weltklasse. Man muss jedoch in einem ganz bestimmten Zustand sein, um die Feinheiten und Zwischentöne mitzukriegen. Um zu verstehen, was hier vor sich geht, muss man vollkommen fertig sein, körperlich am Ende, aber geistig hellwach. Stichwort: Extremwahrnehmung. Hypersensibilität. Megafeinstofflichkeit."
© York Christoph Riccius
Ja, es ist das, was man - früher einmal - "Popliteratur" genannt hätte: Mit all den Referenzen, der klischeehaft verblühten Teenagerliebe und dem Namedropping der halben Hamburger Coolness-Elite von Egoexpress über die Sterne bis hin zu DJ Koze. Dennoch findet Tino Hanekamp einen unprätentiösen Ton, der zwischen Humor und Kaurismäki-Tristesse auch die poltische Dimension mitdenkt und so immer wieder die fortschreitende Gentrifizierung Hamburgs als Dämon sichtbar macht. Ein Buch, das zeigt, dass es sich lohnen kann, aufzugeben, zu treiben und unnütz zu sein, und dann doch zu kämpfen: Für eine Haltung, für die Liebe - oder einfach bloß die bessere Musik. Es ist alles nicht so einfach.
"So was von da" versackt - bei aller legerer Sprache - nicht im üblichen öden Befindlichkeits-Quatsch und eitlen Wundenlecken, sondern begreift die schöne bunte Welt der Orientierungslosigkeit als genau solche; jeder, der weiß, dass Euphorie und Egalheit eng zusammenliegen, wird merken, dass hier ein guter Typ am Werk ist. Man möchte sich höchstpersönlich bei Tino Hanekamp für dieses Buch bedanken. Was hiermit geschehen sein soll. Ein Buch, das man all seinen Freunden schenken möchte. Möglicherweise auch seinen Feinden. Sie werden bessere Menschen werden.
"Wir sind da, wir sind da, wir sind so was von da."